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„Wir bewegen uns eben nicht im bestmöglich standardisierten Bereich klinischer Forschung (…)“. Qualitative Studie zu Stakeholder-Perspektiven auf Risiken für Leistungserbringer in der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten
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Published: | September 10, 2024 |
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Hintergrund: Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten birgt weitreichende Potenziale für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. Um diese auch in der Versorgungsforschung bestmöglich nutzen zu können, sind vor allem angemessene technische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie die Wahrung der Interessen datengebender Patient*innen unerlässlich. In Initiativen zur Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten von Gesundheitsdaten (z.B. Medizininformatik-Initiative, MII) stellen Leistungserbringer Daten aus dem Versorgungsalltag für die Forschung zur Verfügung. Vorbehalte gegenüber der Sekundärdatennutzung aufgrund wahrgenommener Risiken können dazu führen, dass Leistungserbringer zögern, Daten für diese Zwecke bereitzustellen. Dies wiederum kann die Forschung mit Gesundheitsdaten beeinträchtigen. Welche Risiken Leistungserbringer mit der Sekundärdatennutzung verbinden und wie diese angemessen adressiert werden können, wurde international und hierzulande bislang kaum beleuchtet.
Zielsetzung: Ein Ziel dieser explorativen qualitativen Studie war es, das Spektrum dieser Risiken und mögliche Strategien zur Risikominimierung zu eruieren. Dazu wurde u.a. gefragt:
- 1.
- Kann die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten mit Risiken für Leistungserbringer verbunden sein? Wie lassen sich diese hinsichtlich Art, Schwere und Folgen charakterisieren und welche Relevanz wird ihnen zugeschrieben?
- 2.
- Mit welchen Strategien können diese Risiken adressiert und die Sekundärdatennutzung gefördert werden?
Methode: Zwischen Mai und August 2023 wurden Online-Interviews mit Expert*innen (N=21) unterschiedlicher Stakeholdergruppen (z.B. Leistungserbringer, Forscher*innen, Vertretung der Patient*innen) geführt und qualitativ inhaltsanalytisch im deduktiv-induktiven Verfahren ausgewertet.
Ergebnisse: Die Interviewpartner*innen beleuchten vielfältige Risiken der Sekundärdatennutzung für einzelne Leistungserbringer, aber auch darüber hinaus. Hierzu gehören u.a. mangelnde Gemeinwohlorientierung, fehlerhafte Datenanalyse und ‑interpretation oder die Offenlegung von Herausforderungen im Versorgungsgeschehen mit möglichen Schäden für die Reputation, die wirtschaftliche oder der existenziellen Situation.
Beschriebene Strategien zur Risikominimierung umfassen die Verbesserung risikosensitiver Prüf- und Beurteilungsverfahren von Sekundärnutzungsvorhaben sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Validität in der Sekundärdatennutzung. Zudem sei die (Weiter-)Entwicklung konzeptioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen für die Forschung mit Gesundheitsdaten bedeutsam.
Implikation für Forschung und/oder (Versorgungs-)Praxis: Um die Potenziale der Forschung mit Gesundheitsdaten bestmöglich nutzen zu können, sollten die hier erarbeiteten Erkenntnisse auf unterschiedlichen Ebenen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Dazu gehören:
- Die Gestaltung fairer Zugangs- und Nutzungsentscheidungen unter Wahrung der (Schutz-)Interessen aller beteiligten Akteure in den verantwortlichen Initiativen und Gremien
- Die Verbesserung von Qualität und Validität in der Sekundärdatennutzung in den Verantwortungsbereichen von Datenhaltern und Forscher*innen (z.B. Stärkung von Daten-, Forschungs- und Berichtsqualität)
- Die Erarbeitung übergreifender Strategien für die Sekundärdatennutzung, z.B. aufbauend auf Gesetzesinitiativen wie dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz.
Förderung: Sonstige Förderung; Projektname: Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Digitalen Fortschrittshubs Gesundheit CAEHR (Medizininformatik-Initiative); Fördernummer: 01ZZ2103D