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Hausarztnahes Case- und Care-Management: Ergebnisse einer Pilotierung in drei Hausarztpraxen
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Published: | October 2, 2023 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Die Primärversorgung ist durch zunehmende Versorgungslücken geprägt: für immer mehr Versorgungsaufgaben stehen immer weniger Hausärzte und -ärztinnen (HÄ) zur Verfügung. Ein wichtiger Lösungsansatz besteht darin, die interprofessionelle und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern und das Selbstmanagement auf Seiten der Patient(inn)en zu fördern. Dies kann durch die Einführung eines Case- und Care-Managements (CCM) in hausärztliche Praxisteams ermöglicht werden. Zu den Inhalten der Tätigkeit von CCM im hausärztlichen Setting sowie zu den Charakteristika der so versorgten Patienten liegen aus Deutschland kaum empirische Daten vor.
Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ist ein CCM in verschiedenen hausärztlichen Praxen implementierbar? Welche Patient(inn)en werden von den HÄ für ein CCM ausgewählt? Welche Tätigkeiten fallen im Rahmen des CCM an?
Methode: Im Rahmen des durch die Gesundheitskonferenz LK Tübingen initiierten und vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg geförderten Projekts „Aufbau eines Primärversorgungsnetzwerkes durch das Angebot eines Case- und Care Managements für Arztpraxen im ländlichen Raum“ wurde CCM (2 x 0,5 VÄ berufserfahrene Pflegefachkräfte) in drei Hausarztpraxen implementiert. Es erfolgte eine explorative gemischtmethodische Evaluation im Hinblick auf Prozesse (u.a. Tätigkeiten) und patientenbezogene Fragestellungen. Hier dargestellt werden die mithilfe eines selbstentwickelten Dokumentationskonzeptes strukturiert erfassten patientenbezogenen Daten sowie durchgeführten Tätigkeiten der CCM, die deskriptiv ausgewertet wurden.
Ergebnisse: Innerhalb von 16 Monaten wurden 85 Patient(inn)en im Alter von 17 bis 100 Jahren (37% < 65 J, 63% ≥ 65 J) von den HÄ an die CCM weitergeleitet. Die Älteren waren vorwiegend von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Einschränkungen der Mobilität betroffen, die Jüngeren von Depressionen und Überforderungszuständen. Die zwei häufigsten Gründe für die Zuweisung an die CCM waren „Koordination von Leistungen“ (44%, n=37) und „Psychosoziale Entlastung“ (18%, n=15). 23 Betroffenen (27%) konnte durch eine einfache bzw. erweiterte Beratung geholfen werden, in 60 Fällen (71%) fand umfassende Betreuung mit Case-Management-Verfahren statt.
Diskussion: Das CCM konnte in drei verschiedenen Hausarztpraxen erfolgreich implementiert werden, mit anfänglich zögerlicher Zuweisung durch die HÄ. Die Erfahrung der Kooperation verbreiterte das zugedachte Aufgabenspektrum der CCM, sichtbar an der großen Altersspanne und dem breiten Spektrum an Bedarfen.
Implikation für die Versorgung: Die in diesem Pilotprojekt gesammelten Erfahrungen liefern wertvolle Hinweise für eine umsetzbare und bedarfsorientierte Neuaufteilung von Versorgungsaufgaben im hausärztlichen Setting.
Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); AZ 5400.2-006/9