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Lebensqualität und Prävalenz von Depressionen nach HWS-Frakturen ohne Myelonschädigung
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Published: | October 23, 2023 |
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Fragestellung: In Industrieländern treten HWS-Verletzungen mit einer jährlichen Inzidenz von 16,5–17,2/100.000 Einwohnern auf, wobei isolierte oder begleitende Weichteilverletzungen einschließlich Myelonschädigungen eine jährliche Inzidenz von 1,5–8/100.000 Einwohner haben. Während zahlreiche Studien die Therapieverfahren mit Komplikationen und Erfolgsraten untersuchen und vor allem Patient:innen mit begleitendem Querschnitt Bestandteil von Studien sind, weist ein Großteil der HWS-Verletzungen keine neurologischen Begleitverletzungen auf. Gerade für diese Gruppe existieren jedoch kaum Daten über Folgezustände.
Ziel diese Studie war folglich die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQOL), Einschränkungen im Alltag und Prävalenz von Depression nach HWS-Verletzungen ohne Myelonschädigung zu untersuchen. Dadurch sollen erstmals Aussagen über bleibende Einschränkungen ermöglicht werden, die präventiv und bei Folgebehandlungen relevant werden können.
Methodik: In einer retrospektiven Monozenterstudie an einem Level I Traumazentrum wurden von 2012 bis 2017 alle Patient:innen mit HWS-Verletzungen ohne neurologische Ausfälle eingeschlossen. Das Follow-up betrug >1 Jahr. Mittels folgender Fragebögen wurden die Prävalenz und Schwere von Depressionen, Einschränkungen im Alltag und HRQOL evaluiert: Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), Beck Depression Inventar (BDI)-II, Neck Disability Index (NDI) und EuroQol (EQ)-5D-3L.
Die Auswertung erfolgte deskriptiv bei einem Signifikanzniveau von p<0,05.
Ergebnisse und Schlussfolgerung: 56 Patient:innen (19 Frauen, 37 Männer, 0 divers) im Alter von 59,7±17,4 Jahren wurden eingeschlossen; 25 (44,6%) mit Verletzungen der oberen, 29 (51,8%) der unteren HWS und 2 mit kombinierten Verletzungen (3,6%). 32 Patient:innen (57,1%) wurden operiert, 24 (42,9%) konservativ therapiert.
Gemäß HADS hatten 17 Patient:innen (30,9%) eine Depression, während 69,1% (n=38) keine oder nur leichte Depressionen aufwiesen. Analog hatten gemäß BDI-II 65,5% (n=36) keine Depression und wies der überwiegende Teil mit Depression nur eine milde Form auf (n=9; 16,6%). Gemäß NDI hatten 39 Patient:innen (69,6%) Einschränkungen im Alltag, bei 56,4% (n=22) war diese nur leicht. Gemäß EQ-5D-3L hatte der Durchschnitt eine gute HRQOL und 22 Patient:innen (40,0%) eine sehr gute.
Verletzungen der oberen HWS waren mit signifikant mehr Einschränkungen im Alltag (NDI; p=0,029) und Depressionen (HADS; p=0,017) verbunden. Patient:innen mit einer Depression nach HWS-Verletzung im BDI II wiesen signifikant mehr Einschränkungen im Alltag auf (p<0,001). Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Patient:innen nach HWS-Verletzungen keine höhere Rate an Depressionen. Das Therapieverfahren (operativ vs. konservativ) hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Outcome.
Nach HWS-Verletzungen berichteten Patient:innen von einem insgesamt guten Outcome ohne erhöhte Rate an Depressionen verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Verletzungen der oberen HWS haben ein höheres Risiko für bleibende Einschränkungen und Depressionen.