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Selektive in vivo Kraftmessung der oberflächlichen und tiefen Fingerbeugesehnen in Abhängigkeit der Handgelenksposition
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Published: | October 23, 2023 |
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Fragestellung: Beugesehnenverletzungen bedürfen einer möglichst frei funktionellen aktiven Nachbehandlung. Aufgrund mangelnder Erkenntnisse über die tatsächlich in vivo einwirkenden Kräfte auf Nahtmaterial und Nahttechniken erfolgt meist eine dynamische Nachbehandlung nach Kleinert. Zunehmend tastet man sich mit immer aktiveren Nachbehandlungsprotokollen an die Belastungsgrenze heran. Zur Entwicklung eines vollständig aktiven Nachbehandlungsprotokolls ist es essentiell, die in vivo einwirkenden maximalen Kräfte auf die oberflächliche (FDS) und tiefe (FDP)-Beugesehne zu kennen. Bislang existieren hierzu kaum wissenschaftliche Erkenntnisse [1], [2]. Es existieren keine Studien, welche differenziert die Händigkeit, Geschlecht und Fingerart bei der quantitativen Analyse der Kräfte von FDS und FDP in Abhängigkeit zur Gesamtkraft der Hand analysieren.
Methodik: Gemeinsam mit der Technischen Hochschule Ulm wurde eine neue Messvorrichtung entwickelt, mit der sich die Gesamtkraft eines Fingers, wie auch die isolierten Kräfte der FDS bzw. FDP-Sehne in vivo quantifizieren lässt. Bei allen Messungen wurde der Mittelwert aus drei Messdurchgängen bestimmt. An 50 gesunden Probanden (100 Händen) wurden alle Finger (D2-5) untersucht. Ein frei gelagerter Kraftmesssensor ist immer exakt in Richtung des Kraftvektors ausgerichtet. Mittels Lederläppchen und Aramid-Schnur findet die Kraftübertragung statt. Messungen erfolgten in 20° Extensions-, Neutral- und 30° Flexionsstellung im Handgelenk. Mittels mixed ANOVA wurden die Einflussfaktoren Händigkeit, Geschlecht, Finger sowie Handgelenksposition auf gegenseitige Abhängigkeit überprüft (p<0,05) und weiter mittels t-Tests und einfaktoriellen ANOVAs differenziert (p<0,05).
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die dominante Hand weist gegenüber der nicht dominanten Hand geringfügig aber signifikant mehr Kraft von durchschnittlich (ø) 5,6 N auf. Frauen wiesen in der Neutralstellung signifikant eine ø 24,3% geringere Beugekraft als Männer auf. In Neutralstellung wurde die größte Kraft ermittelt. Am Mittelfinger (D3) fand sich die stärkste Kraftentwicklung. In Neutralposition wurden an D3 ø 69,3 N gemessen, in Kleinert-Position (30° Flexion) zeigte sich eine Reduktion um ø 29,8% auf im Mittel 48,7 N. Davon entfallen ø 21,1N auf die FDP- und 35,5N die FDS-Sehne. Das Kraftverhältnis von FDS zu FDP findet sich auch an D2 und D4 wieder, an D5 kehrt sich das Verhältnis um. Die FDP-Sehne entwickelt an D5 mehr Kraft als die FDS-Sehne. In Extensionsstellung wird gegenüber der Neutralstellung geringfügig weniger Kraft aufgebracht.
Die Methode hat sich bewährt, es zeigten sich signifikante Abhängigkeiten. Bei bekannter Gesamtkraft der betroffenen Hand bzw. der unverletzten Gegenseite, kann nun die relative Belastung der FDP- u. FDS-Sehne am jeweiligen Finger kalkuliert werden. Eine vollständige, frei funktionelle Nachbehandlung ist mit den aktuellen technischen Verfahren und Nachbehandlungsschemata nicht möglich. Neue Schemata können vor Anwendung mit der validierten Messmethodik in vivo getestet werden.
Literatur
- 1.
- Edsfeldt S, Rempel D, Kursa K, Diao E, Lattanza L. In vivo flexor tendon forces generated during different rehabilitation exercises. J Hand Surg Eur Vol. 2015 Sep;40(7):705-10. DOI: 10.1177/1753193415591491
- 2.
- Ejeskär A, Ortengren R. Isolated finger flexion force--a methodological study. Hand. 1981 Oct;13(3):223-30. DOI: 10.1016/s0072-968x(81)80001-0