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Permanente Veränderung der Beinlängendifferenz mittels Endoprothetik: Gibt es einen Einfluss auf das temporomandibuläre System?
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Published: | October 23, 2023 |
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Fragestellung: Implantationen von Hüft- und Kniegelenkendoprothesen gehören mit etwa 400.000 Eingriffen pro Jahr zu den am häufigsten durchgeführten Operationen in Deutschland. Eine postoperative Beinlängendifferenz tritt hierbei mit über 80% als Komplikation auf, welche wiederum zahlreiche negative Konsequenzen mit sich bringen kann, wie beispielsweise chronische Rückenschmerzen, das Ischiassyndrom oder Gangstörungen. Inwiefern eine permanente Veränderung der Beinlängendifferenz auch in distale Körperregionen Auswirkungen hat, der Theorie der auf- bzw. absteigenden Kette folgend, wird kontrovers diskutiert. Eine Studie, welche das temporomandibuläre System nach einem solchen operativen Eingriff langfristig untersucht, liegt aktuell nicht vor.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Änderungen des temporomandibulären Systems in Position und Bewegungen durch die veränderte Beinlängendifferenz nach endoprothetischem Eingriff zu eruieren. Darüber hinaus sollen mögliche Kompensations- und Dekompensationseffekte sowie eine eventuell auftretende CMD- Symptomatiken bzw. deren Veränderung betrachtet werden.
Methodik: 50 Probanden, welchen eine Hüft- oder Kniegelenkendoprothese implantiert wurde, erhielten einen Tag präoperativ, am 7. postoperativen Tag sowie 6 Wochen postoperativ (nach Abschluss der Rehabilitation) ein Screening des temporomandibulären Systems und der Beinlängendifferenz. Dieses Screening beinhaltete zusätzlich zur Messung der Beinlängendifferenz mittels Brettchenmethode und Beckenwaage, die Erfassung der vom Patienten wahrgenommenen Beinlängendifferenz.Darüber hinaus erfolgten eine dentale Befunderhebung, eine digitale instrumentelle Funktionsanalyse für die Bestimmung der Kondylenposition und Unterkieferbewegung, sowie eine Basisdiagnostik im Hinblick auf eine Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD).
Ergebnisse und Schlussfolgerung: Bei den eingeschlossenen Probanden zeigte sich in allen Fällen eine postoperative Veränderung der Beinlängendifferenz im Sinne einer Verlängerung der ipsilateralen Seite. Darüber hinaus konnte bei 47 Probanden initial keine CMD-typische Symptomatik erhoben werden. Bei 3 Probanden konnte präoperativ eine CMD festgestellt werden. Die postoperativen Kontrollen zeigten jedoch weder in der CMD-Gruppe noch bei den Probanden ohne CMD eine Veränderung der Symptomatik bzw. eine neuaufgetretene CMD. Dem entgegen konnten in der Funktionsanalyse eine signifikante Verringerung der nach kontralateral gerichteten Laterotrusion sowie eine signifikant verbesserte Mundöffnung erhoben werden. Zudem ergab die elektronische Positionsanalyse der Kondylen eine signifikante Veränderung der horizontalen Lage (y-Achse) sowohl der ipsi- als auch der kontralaterale Kondyle.
Zusammenfassung: Die Theorie der aufsteigenden Kette zeigt sich anhand der signifikanten Veränderungen im Bereich der Funktions- und Positionsanalyse bestätigt. Ein relevanter Einfluss auf eine potentielle CMD-Symptomatik konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.