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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2022)

25. - 28.10.2022, Berlin

Die präklinische HWS-Immobilisation – Wunsch und Wirklichkeit

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Pascal Gräff - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Lisa Bolduan - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Christian Macke - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Jan-Dierk Clausen - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Stephan Sehmisch - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany
  • Marcel Winkelmann - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Unfallchirurgie, Hannover, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2022). Berlin, 25.-28.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocAB28-1173

doi: 10.3205/22dkou154, urn:nbn:de:0183-22dkou1541

Published: October 25, 2022

© 2022 Gräff et al.
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Fragestellung: Die Zervikalstütze dient bei potenzieller Halswirbelsäulenverletzung der In-Line Stabilisierung in der präklinischen und frühhospitalen Phase. Die Handhabung ist vergleichsweise einfach und die Indikation wurde lange Zeit großzügig gestellt. Jüngere Studien zeigten aber u.a., dass der venöse Rückfluss vermindert wird, wodurch der Hirndruck steigt und dass sich die intrathorakalen Volumina verändern. Gleichzeitig wird zunehmend die Qualität der Immobilisation durch die Zervikalstütze kritisch hinterfragt. Andere Immobilisationstools haben längst Einzug in die Praxis gefunden und werden flächendeckend empfohlen. Dennoch ist die Zervikalstütze aktuell sicherlich das meistgenutzte Immobilisationstool der Präklinik.

Ziel dieser Studie ist die Analyse der Einschätzung des Stellenwerts sowie der indikationsgerechten Anwendung durch Rettungsdienstpersonal.

Methodik: Hierzu wurde Rettungsdienstpersonal in Niedersachsen auf freiwilliger Basis anhand eines anonymen Online-Fragebogens (beiliegend) befragt. Dieser beinhaltete neben demografischen Daten einen subjektiven Teil zur Selbsteinschätzung auf einer metrischen Skala von 0 bis 100 sowie einen MC-fragenbasierten Kontrollteil (positive Einfachauswahl aus fünf Wahlantworten). Die statistische Analyse erfolgte mittels SPSS sowie SigmaStat.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Es wurden insgesamt 219 Fragebögen ausgewertet. Die Selbsteinschätzung bezüglich Wichtigkeit der HWS-Immobilisation sowie indikationsgerechter Anlage der Zervikalstütze war hoch 79,8 ± 19,5 bzw. 77,4 ± 24,1. Gleichzeitig wurden die Qualität der fachgerechten Anlage sowie der Immobilisationseffekt nur durchschnittlich bewertet 51,9 ± 20,7 bzw. 49,6 ± 28,0. Dennoch wurde die Zervikalstütze nach dem Kendrick-Extrication-Device (KED), aber noch vor Vakuummatratze mit Head Blocks und Spineboard mit Head Blocks als effektivstes Immobilisationstool bewertet.

Bei den Kontrollfragen konnte im Median 1 Frage von 4 richtig beantwortet werden (0,99 ± 0,87). Es fand sich kein Unterschied zwischen Männern und Frauen sowie zwischen jungen und alten Teilnehmern. Es zeigte sich aber eine eindeutige Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Ausbildung (Spearman-Rho 0,23; p = 0,003). Mit steigendem Ausbildungsstand stieg auch die Zahl richtiger Antworten (Rettungssanitäter 0,78 ± 0,84, Rettungsassistenten 0,90 ± 0,74, Notfallsanitäter 1,03 ± 0,83, Notärzte 1,75 ± 1,06; p=0,013). Auch die bessere Selbsteinschätzung korrelierte mit der Anzahl richtiger Antworten (1,14 ± 0,91 vs. 0,83 ± 0,80; p = 0,027) (Spearman-Rho 0,17; p = 0,026).

Die HWS-Immobilisation genießt weiterhin einen hohen Stellenwert in der präklinischen Behandlung unfallverletzter Patienten. Es zeigt sich aber, dass die fachgerechte Indikationsstellung zur HWS-Immobilisation und die Auswahl des geeigneten Immobilisationstools noch unzureichend erfolgt. Die positive Korrelation mit Ausbildungsniveau und subjektiver Sicherheit des Rettungsdienstpersonals unterstreicht deshalb die Schulungsnotwendigkeit aber auch deren Potenzial.