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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2021)

26. - 29.10.2021, Berlin

Lehrvideos für Untersuchungstechniken bei Gelenkverletzungen: Ein Feldexperiment zu Nutzen und Gestaltungseinflüssen

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Hauke S. Meyerhoff - Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen, Germany
  • Martin Merkt - Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Bonn, Germany
  • Carla Schröpel - Leibniz-Institut für Wissensmedien, Tübingen, Germany
  • Adrian Meder - BG Klinik Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2021). Berlin, 26.-29.10.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocAB66-527

doi: 10.3205/21dkou408, urn:nbn:de:0183-21dkou4085

Published: October 26, 2021

© 2021 Meyerhoff et al.
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Text

Fragestellung: Lehrvideos stellen in Pandemiezeiten eine attraktive Alternative zur Präsenzlehre dar. Der Nutzen des Einsatzes von Lehrvideos ist jedoch umstritten, da durch die filmische Darstellung die Schwierigkeit des dargestellten Inhalts unterschätzt werden kann (Salomon, 1984, Journal of Educational Psychology, 76, 647-658), so dass es zu einer Überschätzung des tatsächlichen Lernerfolgs kommen kann (Kardas & O'Brien, 2018, Psychological Science, 29, 521-536). Daher überprüfen wir, ob Lehrvideos überhaupt zur Vertiefung von Inhalten in der medizinischen Lehre geeignet sind und wie sich Hintergrundmusik, die die wahrgenommene Einfachheit der Inhalte verstärken könnte, auf den Erwerb von Fachwissen auswirkt.

Methodik: Wir führten ein Experiment mit 175 Medizinstudierenden im 9. Fachsemester als Versuchspersonen (VPn) im Rahmen des curricularen Blockpraktikums durch. Die zwei eingesetzten Lehrvideos zur Vertiefung der Lerninhalte zeigten evidenzbasierte Untersuchungstechniken für Knie (20 Techniken) und Schulter (36 Techniken). Jedes Video lag in zwei Versionen vor (mit vs. ohne Hintergrundmusik). Alle VPn sahen jeweils nur eines der Videos. Durch dieses 2x2-faktorielle Untersuchungsdesign konnte anhand eines anschließenden Wissenstests im Examensstil geprüft werden, ob die VPn selektiv die Inhalte besser erinnerten, zu denen sie das Video gesehen hatten und ob sich Hintergrundmusik auf den Lernerfolg auswirkte. Neben dem objektiven Wissenserwerb wurde zudem ein Fragebogen eingesetzt, der subjektive Eindrücke während des Lernens erfasste.

Ergebnisse und Schlussfolgerung: Die Auswertung erfolgte über Varianzanalysen (ANOVA). Für den Wissenstest zeigte sich, dass VPn, die Fragen zu dem im Video vertieften Themengebieterfolgreicher beantworten konnten als VPn, die das Video zum anderen Themengebiet gesehen hatten, F(1; 161) = 25,35, p < ,001. Für die Wirkung der Hintergrundmusik zeigte sich eine statistische Interaktion mit dem Inhalt des Videos, F(1; 161) = 4,10, p = ,045. Während die Hintergrundmusik im Schultervideo keinen Einfluss auf das Testergebnis hatte, t(67,17) = 0,55, p = ,583, reduzierte Hintergrundmusik im Knievideo den Lernerfolg, t(87,81) = 2,28, p = ,025. Hinsichtlich der subjektiven Bewertungen der Videos zeigte sich, dass Hintergrundmusik die wahrgenommene Schwierigkeit des dargestellten Inhalts reduzierte, F(1; 170) = 4,36, p = ,038.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Lehrvideos zur Vertiefung von Inhalten in der curricularen Lehre durchaus sinnvoll sein und ein erhöhtes Fachwissen mit sich bringen kann. Im Hinblick auf die Ausgestaltung der Videos konnten unsere Ergebnisse keinen positiven Effekt von Hintergrundmusik (wie sie von professionellen Filmemachern eingesetzt wird) auf den Wissenserwerb nachweisen. Es zeigten sich stattdessen teilweise negative Effekte der Hintergrundmusik, vermutlich weil diese die wahrgenommene Schwierigkeit reduzierte. Somit sollte auf den Einsatz von Hintergrundmusik in Lehrvideos auf Basis der aktuellen Befunde verzichtet werden.