Article
End of life Entscheidungen in der alterstraumatologischen Intensivtherapie – retrospektive Auswertung eines 5 Jahreskollektives alterstraumatologischer Patienten auf einer chirurgischen Intensivstation
Search Medline for
Authors
Published: | October 26, 2021 |
---|
Outline
Text
Fragestellung: Erkenntnisse über das Vorliegen von Patientenverfügungen in der Intensivmedizin stammen zum Überwiegenden Anteil aus dem Bereich der internistisch geprägten Intensivmedizin. Geriatrische Patientenkollektive werden häufig aus dem Blickwinkel eines Multiorganversagens oder post Reanimationssituationen betrachtet.Nur wenig wird über dieintensivstationäre Behandlung geriatrischer Traumapatienten veröffentlicht. Insbesondere Daten zur Therapiezielbegrenzung in diesem Kollektiv liegen nur vereinzelt vor.
Methodik: Retrospektive Bobachtungsstudie aus dem Zeitraum von 2013-2017. Eingeschlossen wurden alle geriatrischen Traumapatienten (65 Jahre), die auf der chirurgischen Intensivstation unseres Krankenhauses der Maximalversorgung behandelt wurden. Neben Aufnahmediagnose, Alter, Geschlecht, Charlson Comorbity Index, Verweildauer und Mortalität wurde das Vorliegen einer Patientenverfügung sowie die Art und der Zeitpunkt der Absprache einer Therapiebegrenzung erhoben. Die Datenauswertung erfolgte deskriptiv.
Ergebnisse: 993 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Die Patienten waren überwiegend >80 Jahre alt (62%), 63% waren weiblich. 76 der Patienten verstarben im Untersuchungszeitraum.Bei 39% lag eine Patientenverfügung vor. 37% der Verfügungen wurden im Vorfeld des operativen Eingriffes vorgelegt, die verbleibenden 63% wurden nachträglich erfasst. 53% hiervon konnten von den Patienten eigenständig geäußert werden. In 61% aller Sterbefälle lag zum Zeitpunkt des Todes keine Patientenverfügung vor. Die Angehörigen wurden zu 67% in eine Entscheidungsfindung zur Therapiebegrenzung einbezogen. 14 Patienten verstarben unerwartet, ohne ein stattgefundenes Gespräch der Entscheidungsfindung. Ein klinisches Ethikkonsil erfolgte außerhalb der wöchentlichen Ethikvisiten in acht Fällen bei nicht bekannter Willensäußerung bzw. uneinheitlichen Angehörigenaussagen.
Schlussfolgerung: Kenntnis über den Patientenwillen bei Therapiezieländerungen zur Sterbebegleitung erleichtern diese Entscheidungsfindung für alle Beteiligten. Trotz lebhafter öffentlicher Debatte ist im alterstraumatologischen Kollektiv das Vorliegen einer Patientenverfügung nicht die Regel. Ein Grund ist sicherlich die akuten Traumasituation, die im Gegenteil zu einer langen Krankheit mit erwartetem finalem Ausgang nicht vorhersehbar ist. Im Großteil der Fälle gelingt gemeinsam mit den Angehörigen die Einschätzung des mutmaßlichen Patientenwillens. Die klinischen Ethikberatung scheint selten nötig. Dies ist unserer Meinung nach am Ehesten auf den geringeren emotionalen Stress der Angehörigen/Behandelnden in Bezug auf eine finale Therapiezieländerung beim geriatrischen Patienten zurückzuführen. Nichtsdestotrotz wäre eine standardisierte präoperative Erfassung des Therapiezieles in diesem Kollektiv wünschenswert. Dies scheint zwar auf den ersten Blick selbstverständlich, wird allerdings offensichtlich nicht ausreichend in die Klinik implementiert.