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German Congress of Orthopaedics and Traumatology (DKOU 2019)

22. - 25.10.2019, Berlin

Rasch progrediente hochzervikale Tetraparese eines gesunden Erwachsenen: Die unterschätzte Gefahr oraler Antikoagulantien?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Alexander Brand - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Nicolas H. von der Höh - Universitätsklinik Leipzig AöR, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und plastische Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Nikolas Schopow - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Anna Völker - Universitätsklinikum Leipzig, KLinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chir, Leipzig, Germany
  • Jan-Sven Jarvers - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Christoph Josten - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plast. Chirurgie, Leipzig, Germany
  • Christoph E. Heyde - Universitätsklinikum Leipzig AöR, Klinik für Orthopädie, Unfall- und Plastische Chirurgie, Leipzig, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2019). Berlin, 22.-25.10.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAB39-755

doi: 10.3205/19dkou310, urn:nbn:de:0183-19dkou3105

Published: October 22, 2019

© 2019 Brand et al.
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Text

Fragestellung: Wir präsentieren einen Fall eines gesunden Patienten mit rapid progredienter hochzervikaler Querschnittssymptomatik durch eine Spontaneinblutung. Aufgezeigt werden im Verlauf die Notfalldiagnostik und besonderen Notfallmaßnahmen. Diskutiert werden die Fallstricke dieser „Kolibri-Entität", sowohl während der diagnostischen als auch der perioperativen Maßnahmen.

Methodik: Vorstellung eines 53 jähriger Arztes um 06:45 Uhr in der zentralen Notaufnahme mit Schmerzen in der Halswirbelsäule nach stattgehabter vasovagaler Synkope. Dieser gibt an sich bei einer bisher nicht weiter abgeklärten Umfangsvermehrung der linken Wade selbst antikoaguliert zu haben. Zunächst erfolgte daher die CT Bildgebung von Schädel und HWS ohne Nachweis von Frakturen oder Blutungen. Um 08:15 Uhr abnehmende Schmerzsymptomatik mit beginnender Parästhesien beider Füße mit Veranlassung einer MRT der gesamten Wirbelsäule. Um 10:00 progediente neurologische Defizite mit zunehmender Schwäche beider Beine und Kribbeln in den Fingern, daraufhin MRT Bildgebung ad hoc. Während der MRT-Bildgebung wurde der Patient ateminsuffizient bei nun kompletter Tetraparese (ASIA A). Das bis dahin gefahrene MRT zeigte eine ausgedehnte dorsale Einblutung in den Spinalkanal von HWK 1 bis BWK 7. Noch in der MRT-Räumlichkeit konnte die durch die einblutende Raumforderung bedingte Atemdepression durch eine nahezu senkrechte Lagerung des Patienten (Veranschaulichung: Bild 1 Spinalkanal mit Hämatom im Liegen, Bild 2 aufrecht) unter Sauerstoffgabe zunächst aufgehoben werden und es erfolgte die sofortige Verlegung in den Operationssaal.

Ergebnisse: Die initial mit > 180s aktivierte Prothrombinzeit wurde unter Gabe von Prothrombinkonzentraten und Tranexam ausgeglichen. Bei dem Patienten wurde eine dorsale Flavektomie und erweiterte Laminotomie auf den Höhen C2/3, C5/6 sowie TH7/8 mit Ausspülung des Hämatoms über flexible und weiche Katheter durchgeführt. Blutverlust: 800ml. Postoperativ konnte der Patient atemsuffizient extubiert werden. Es zeigte sich eine deutliche Besserung der Neurologie mit Hemihypästhesie der linken Körperhälfte, Kraftgrade ubiqutär 4/5 nach Janda (ASIA D). In der Nachuntersuchung nach einem Jahr zeigte sich noch eine Gefühlsstörung über dem linken Schulterblatt.

Schlussfolgerung: Intraspinale Blutungen antikoagulierter Patienten stellen eine schwerwiegende Komplikation und Herausforderung für den klinischen Alltag dar.

Bei fehlendem Frakturnachweis und Neurologie sollten Patienten kontinuierlich bis zum Abschluss der Diagnostik bei Ausgleich der Gerinnungsprobleme überwacht werden. Wir empfehlen bei Verdacht auf Einblutung die Oberkörperhochlagerung, um einer zu raschen Ausbreitung des Hämatoms Richtung Atemzentrum entgegenzuwirken. Die Versorgung ist eine interdisziplinäre Herausforderung bei der die notfallmäßige operative Entlastung nur mit einem adäquaten Ausgleich der Gerinnungsstörung und ausreichender Volumentherapie gelingen kann.