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Outcome nach Hemitranssektion des Rückenmarks durch Messerstichverletzung – eine Fallserie
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Published: | October 10, 2016 |
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Fragestellung: Die Hemitranssektion des Rückenmarks durch Messerstichverletzungen ist eine seltene Entität in Deutschland. Sie geht einher mit dem klinischen Vollbild des Brown-Sequard-Syndroms. Dies hat eine zunächst schlaffe, später spastische Plegie der sektionierten Seiten bei gleichzeitiger Störung der Oberflächensensibilität ipsilateral sowie ein gestörtes Schmerz- und Temperaturempfinden bei erhaltener Muskelfunktion kontralateral zur Folge.
In der tierexperimentellen Forschung zur Rückenmarkregeneration wird die isolierte artifizielle Hemitranssektion in zahlreichen Studien eingesetzt. Hierbei zeigt sich, dass unabhängig von der Tierart und/oder Intervention eine funktionelle Erholung auch in den Extremitäten der sektionierten Seite beobachtet wird. Eine systematische Beschreibung bei Menschen ist aufgrund der geringen Fallzahlen bisher nicht möglich.
Methodik: Von Jan. 2010 bis Dez. 2015 wurden insgesamt 723 akut Querschnittgelähmte behandelt. Retrospektiv wiesen vier Patienten eine Messerstichverletzung mit MR tomographisch gesicherter, kompletter Hemitranssektion des Rückenmarks auf. Klinisch imponierte bei allen Patienten (n=4,w=2,m=2) ein voll ausgebildetes Brown-Sequard-Syndrom. Alle Patienten durchliefen eine vollständige Akut-und Rehabilitationsbehandlung mit konventioneller Gangschule, Lokomotionstraining und Physiotherapie auf neurophysiologischer Basis. In einem Beobachtungszeitraum von 6 Monaten wurde der neurologische Status entsprechend der ASIA Klassifikation initial, nach 3 und 6 Monaten erhoben.
Ergebnisse: Drei Patienten(w=1,m=2) zeigten initial eine Querschnittlähmung AIS C mit vollständiger unilateraler motorischer Lähmung unterhalb der Läsion (C2,Th10,Th12). Eine Patientin zeigte eine Querschnittlähmung gemäß AIS D sub C5. Bei allen Patienten war periakut keine Gehfähigkeit gegeben.
Im Rahmen der weiteren Akutbehandlung konnte eine zunehmende Mobilisierung unter Nutzung o.g. Therapien erfolgen. Eine Gehfähigkeit zunächst mittels individuell notwendigen Hilfsmitteln konnte erreicht werden. In der Abschlussuntersuchung zeigten alle Patienten eine Querschnittlähmung AIS D. Die Muskelkraft an den plegischen Extremitäten war bei allen Patienten gemäß Lower-Extremity-Motor-Score (LEMS) verbessert. Eine diskrete spastische Tonuserhöhung mit Hyperreflexie verblieb auf der geschädigten Seite. Eine Gehfähigkeit entsprechend WISCI-II Score von 20 (keine Gehhilfen notwendig) zeigten alle Patienten. Eine Restitutio ad integrum konnte bei keinem Patienten erreicht werden.
Schlussfolgerung: Bei isolierter Hemitranssektion des Rückenmarks nach Messerstichverletzung ist trotz spastischer Komponente eine durchgreifende neurologisch funktionelle Erholung möglich. Eine Restitutio ad integrum kann nicht erwartet werden. Die Ergebnisse können als Bestätigung tierexperimenteller Studien interpretiert werden, bei denen eine kollaterale Aussprossung aus der nicht-verletzten Rückenmarkseite unterhalb der Läsion als Reparationsmechanismus nach spinaler Läsion beschrieben wird.