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Das Perrault-Syndrom: Ein seltenes autosomal-rezessives Syndrom mit Schwerhörigkeit auf Basis einer auditorischen Neuropathie
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Published: | November 2, 2020 |
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Zusammenfassung
Hintergrund: Das Perrault-Syndrom (PRLTS) ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die klinisch durch eine kongenitale Schwerhörigkeit und bei Frauen durch eine ovarielle Dysgenesie charakterisiert ist. Zusätzlich können in variabler Ausprägung neurologische Symptome wie Entwicklungsverzögerung, cerebelläre Ataxie und periphere Polyneuropathie vorliegen. Die Schwerhörigkeit ist in der Regel die primäre Symptomatik. Das Perrault-Syndrom ist eine genetisch heterogene Erkrankung, für die verursachende Mutationen in bisher sechs verschiedenen Genen beschrieben wurden. Das PRLTS wird im Mittel erst im Alter von 22 Jahren diagnostiziert.
Material und Methoden: Wir beschreiben eine 14-jährige Patientin mit einem seit dem 8. Lebensjahr bekannten progredienten Hörverlust. Zusätzlich besteht eine periphere Polyneuropathie. Sie ist in einer konsanguinen Familie mit 3 Geschwistern die einzig Betroffene. In der molekulargenetischen Diagnostik fanden sich compound-heterozygote Mutationen im TWNK Gen, von der eine pathogen ist, und die andere bisher mit unklarer Signifikanz beschrieben ist (Allelfrequenz <0,01%). Das TWNK-Gen (Chromosom 10) kodiert das mitochondriale Protein Twinkle.
Ergebnisse: In der Tonaudiometrie findet sich bei schwankenden Angaben eine symmetrische Hörschwelle von 70dB bis 2kHz und von 80dB zwischen 3 und 10kHz (Luftleitung). Im Freiburger Sprachtest bestand eine Einsilberdiskrimination mit und ohne Hörgeräte von 0% bei 65 und 80dB. In der Hirnstammaudiometrie fanden sich keine reproduzierbaren Potentiale bis 95dB in der Luftleitung und bis 60dB in der Knochenleitung. Die TEOAEs und DPOAEs ließen sich beidseits pancochleär regelrecht evozieren. In der neurologischen Untersuchung fand sich eine erhöhte Nervenleitgeschwindigkeit bei peripherer Polyneuropathie.
Diskussion: Das Perrault-Syndrom ist eine seltene syndromale Erkrankung, die sich primär durch Schwerhörigkeit manifestiert. Hier beschreiben wir audiologische Befunde, die für eine auditorische Neuropathie typisch sind und bisher erst für eine weitere Familie in der Literatur ebenfalls für eine Mutation im TWNK Gen beschrieben sind. Genetisch ist das PRLTS sehr heterogen und noch nicht vollständig charakterisiert.
Fazit: Bei früh beginnendem beidseitigem Hörverlust (vom Typ einer auditorischen Neuropathie), peripherer Neuropathie und ovarieller Dysfunktion bei weiblichen Patientinnen sollte differentialdiagnostisch das Perrault-Syndrom in Betracht gezogen und eine genetische Abklärung veranlasst werden.
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Hintergrund
Das Perrault-Syndrom (PRLTS) ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die klinisch durch eine kongenitale Schwerhörigkeit und bei Frauen durch eine ovarielle Dysgenesie charakterisiert ist. Zusätzlich können in variabler Ausprägung neurologische Symptome wie Entwicklungsverzögerung, cerebelläre Ataxie und periphere Polyneuropathie vorliegen. Die Schwerhörigkeit ist in der Regel die primäre Symptomatik. Das Perrault-Syndrom ist eine genetisch heterogene Erkrankung, für die verursachende Mutationen in bisher sechs verschiedenen Genen beschrieben wurden. Das PRLTS wird im Mittel erst im Alter von 22 Jahren diagnostiziert.
Material und Methoden
Wir beschreiben eine 14-jährige Patientin mit einem seit dem 8. Lebensjahr bekannten progredienten Hörverlust. Zusätzlich besteht eine periphere Polyneuropathie. Sie ist in einer konsanguinen Familie mit 3 Geschwistern die einzig Betroffene. In der molekulargenetischen Diagnostik fanden sich compound-heterozygote Mutationen im TWNK Gen, von der eine pathogen ist, und die andere bisher mit unklarer Signifikanz beschrieben ist (Allelfrequenz <0,01%). Das TWNK-Gen (Chromosom 10) kodiert das mitochondriale Protein Twinkle.
Ergebnisse
In der Tonaudiometrie findet sich bei schwankenden Angaben eine symmetrische Hörschwelle von 70dB bis 2kHz und von 80dB zwischen 3 und 10kHz (Luftleitung). Im Freiburger Sprachtest bestand eine Einsilberdiskrimination mit und ohne Hörgeräte von 0% bei 65 und 80dB. In der Hirnstammaudiometrie fanden sich keine reproduzierbaren Potentiale bis 95dB in der Luftleitung und bis 60dB in der Knochenleitung. Die TEOAEs und DPOAEs ließen sich beidseits pancochleär regelrecht evozieren. In der neurologischen Untersuchung fand sich eine erhöhte Nervenleitgeschwindigkeit bei peripherer Polyneuropathie.
Diskussion
Das Perrault-Syndrom ist eine seltene syndromale Erkrankung, die sich primär durch Schwerhörigkeit manifestiert. Hier beschreiben wir audiologische Befunde, die für eine auditorische Neuropathie typisch sind und bisher erst für eine weitere Familie in der Literatur ebenfalls für eine Mutation im TWNK Gen beschrieben sind. Genetisch ist das PRLTS sehr heterogen und noch nicht vollständig charakterisiert.
Fazit
Bei früh beginnendem beidseitigem Hörverlust (vom Typ einer auditorischen Neuropathie), peripherer Neuropathie und ovarieller Dysfunktion bei weiblichen Patientinnen sollte differentialdiagnostisch das Perrault-Syndrom in Betracht gezogen und eine genetische Abklärung veranlasst werden.