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33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP)

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Regensburg, 22.09. - 25.09.2016

Folgen einer Cytomegalievirusinfektion in der Schwangerschaft: ein wenig bekanntes Risiko!

Poster

  • corresponding author presenting/speaker Inken Brockow - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), München-Oberschleißheim, Deutschland
  • author Monika Wirth - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), München-Oberschleißheim, Deutschland
  • author Uta Nennstiel-Ratzel - Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), München-Oberschleißheim, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 33. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP). Regensburg, 22.-25.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. DocP1

doi: 10.3205/16dgpp02, urn:nbn:de:0183-16dgpp022

Published: September 8, 2016

© 2016 Brockow et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Die Cytomegalievirus (CMV)-Infektion hat als eine der häufigsten konnatalen Infektionen eine hohe medizinische Bedeutung. In ihrer Folge treten bei den betroffenen Kindern häufig Hör- und Augenschäden sowie Entwicklungsverzögerungen auf. Dennoch zeigen Umfragen in anderen Ländern ein geringes Wissen über CMV bei Ärzten, medizinischem Personal und Schwangeren. Geeignete Präventionsstrategien wie einfache Hygienemaßnahmen sind oft nicht bekannt. Untersuchungen dazu lagen in Deutschland bisher nicht vor.

Material und Methoden: Anhand eines eigens entwickelten Fragebogens für Schwangere und medizinisches Personal wurden die Kenntnisse zu CMV-Infektionen, möglichen Folgen, Übertragungsrisiken und Präventionsmöglichkeiten erhoben. Langfristiges Ziel war es, nach den Ergebnissen der Befragung, die Aufklärung über CMV zu verbessern und geeignete Präventionsmaßnahmen zu entwickeln.

Ergebnisse: An drei großen Münchner Geburtskliniken konnten im Rahmen der Schwangerensprechstunden 433 Schwangere befragt werden. Ebenso liegen 89 Fragebögen von medizinischem Personal vor. Es zeigte sich, dass nur wenig Kenntnisse über die möglichen Folgen, Übertragungsrisiken und Vermeidung einer konnatalen CMV-Infektion vorhanden waren. 74% der Schwangeren hatten noch nie etwas von CMV gehört. Ältere Schwangere und Schwangere mit Kindern oder höherer Bildung waren häufiger über CMV informiert. Das Wissen über mögliche Folgen und Übertragungswege war häufig falsch oder unvollständig. Auch bei Ärzten und medizinischem Personal war das Wissen in vielen Fällen lückenhaft.

Fazit: Das Wissen über die Folgen und Vermeidung einer konnatalen CMV-Infektion ist bei Schwangeren und medizinischem Personal meist nur gering. Ein interdisziplinär am LGL entwickelter Flyer mit den wichtigsten Informationen zur CMV-Infektion und Präventionsmaßnahmen soll die Kenntnisse verbessern und möglicherweise konnatale Infektionen vermeiden helfen. Dieser Flyer „Cytomegalie: Warum es wichtig ist, in der Schwangerschaft darüber Bescheid zu wissen“ kann beim LGL kostenlos bestellt werden.


Text

Hintergrund

Die Cytomegalievirus (CMV)-Infektion gehört zu den bislang weitgehend unterschätzten Infektionserkrankungen während der Schwangerschaft. Auch wenn die Infektion bei Gesunden meist unbemerkt verläuft, kann eine CMV-Erstinfektion der Schwangeren mit intrauteriner Übertragung gravierende Folgen bis hin zu Todesfällen haben. Die CMV-assoziierten Langzeitschäden, allen voran kindliche Hörstörungen, sind um ein Vielfaches häufiger als beispielsweise das kongenitale Röteln-Syndrom. Auch bei Geburt asymptomatischer Kinder können sich in den ersten Lebensjahren Langzeitschäden entwickeln. So sind schätzungsweise 10–15% aller behandlungsbedürftigen kindlichen Hörstörungen durch eine connatale CMV-Infektion verursacht.

Ziel dieses Projekts war es daher, den Informationsstand und das Problembewußtsein für die CMV-Infektion bei Schwangeren und medizinischem Personal zu ermitteln, und anschließend bei Bedarf einen Informationsflyer zu entwickeln.

Methoden

In drei großen Münchner Geburtskliniken wurden eigens entwickelte Fragebögen an Schwangere und medizinisches Personal verteilt. Nach Auswertung der Fragebögen wurde ein Informationsflyer mit wichtigen Informationen zu CMV-Infektionen während der Schwangerschaft und möglichen Präventionsmaßnahmen entwickelt.

Ergebnisse

Der Studienfragebogen wurde von 433 Schwangeren ausgefüllt. Nur 156 Schwangere (36%) gaben an, bereits von CMV gehört zu haben. Das Bewusstsein für die CMV-Infektion stieg mit einem höheren Schulabschluss, höherem Alter der Schwangeren, fehlendem Migrationshintergrund, mit der Anzahl der eigenen Kinder und bei einer Arbeit im Gesundheitswesen oder in der Kinderbetreuung. Der Studienfragebogen für medizinisches Personal wurde von 89 Personen ausgefüllt; 97,8% gaben an, bereits von CMV gehört zu haben

Genaueres Wissen zu den Folgen und Übertragungsmöglichkeiten einer CMV-Infektion fehlte bei einem Großteil der Schwangeren, oft auch beim medizinischen Personal. Geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer CMV-Übertragung wie Händewaschen nach dem Windelwechsel bzw. häufiges Händewaschen wurde von etwa der Hälfte der Schwangeren genannt. Weitere Präventionsmaßnahmen wie Kinder nicht auf den Mund zu küssen, Schnuller nicht ablecken oder kein gemeinsames Benutzen von Geschirr/Besteck war in beiden Gruppen wenig bekannt.

Diskussion

Die CMV-Infektion ist die häufigste infektiöse Ursache einer kongenitalen Fehlbildung während der Schwangerschaft. Die geschätzte Krankheitslast ist wesentlich höher als bei anderen bekannteren kongenitalen Erkrankungen. Dennoch zeigten bereits mehrere Studien in anderen Ländern, dass die wenigsten Frauen oder Schwangeren sich der CMV-Infektion bewusst bzw. wenig darüber informiert sind. In unserer Befragung bestätigte sich der eher geringe Bekanntheitsgrad der CMV-Infektion und ein ungenaues Wissen zu CMV bei schwangeren Frauen und ebenso ein erhöhter Informations- und Aufklärungsbedarf beim medizinischen Personal über die Infektion.

In Studien wurde nachgewiesen, dass Kinder generell die Hauptübertragungsquelle von CMV auf Schwangere mit primärer CMV-Infektion sind. In erster Linie sind dies die eigenen (Geschwister)Kinder. Auch eine berufliche Tätigkeit mit kleineren Kindern z.B. in der Kinderbetreuung bzw. in Kindertagesstätten gilt als potentielles Risiko für Schwangere.

Auf Grund der Ergebnisse der eigenen Untersuchung hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) interdisziplinär einen Flyer entwickelt (Abbildung 1 [Abb. 1]). Dieser Flyer „Cytomegalie – warum es wichtig ist in der Schwangerschaft darüber Bescheid zu wissen“ enthält neben den Informationen zu CMV und den möglichen Folgen einer connatalen CMV-Infektion auch die wichtigsten Hygienemaßnahmen, die die Ansteckung verringern können (Abbildung 2 [Abb. 2]). Der Flyer kann kostenlos beim Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung (ZPG) bestellt werden.

Schlussfolgerung

Die Cytomegalievirus-Infektion gehört zu den bislang weitgehend unterschätzten Infektionserkrankungen während der Schwangerschaft. Daher sollten alle Schwangeren über die CMV-Infektion und mögliche Präventionsmaßnahmen aufgeklärt werden. Auch die konsequente Aus- und Fortbildung des medizinischen Personals zur CMV-Infektion und Prävention sollte ausgebaut werden.


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