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28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
2. Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie; Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

09.09. - 11.09.2011, Zürich, Schweiz

Einfluss des postkonzeptionellen Alters auf das UNHS

Vortrag

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH. Zürich, 09.-11.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dgppV50

doi: 10.3205/11dgpp72, urn:nbn:de:0183-11dgpp723

Published: August 18, 2011

© 2011 Hanschmann et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Bisher gibt es nur wenige Daten zum UNHS mit AABR bei NICU-Babys. Ziel der vorliegenden Studie war herauszufinden, ob das postkonzeptionelle Alter der Babys einen Einfluss auf die Spezifität der AABR-Messung hat. Zusätzlich untersuchten wir den Einfluss von maschineller Beatmung, Sepsis und Antibiotikabehandlung auf die Messergebnisse.

Material und Methoden: In den Jahren 2007 und 2008 wurden 634 Kinder auf die NICU aufgenommen. 36 Kinder wurden wegen unvollständiger Daten von der Analyse ausgeschlossen und 598 Kinder mit vollständigen Datensätzen eingeschlossen. Das UNHS wurde mit dem MB11 mit BERAphone® beidohrig durchgeführt.

Ergebnisse: Die Kinder wurden zwischen der 24. und 42. SSW geboren. Für die weitere Analyse definierten wir drei Gruppen: <32 SSW (n=63), 32–36 SSW (n=242) und 37–42 SSW (n=293). Die Gruppen unterschieden sich signifikant in Gewicht, Frequenz der mechanischen Ventilation, Sepsis und antibiotischer Behandlung. 64% der Kinder wurden innerhalb der ersten 3 Tage, 22% zwischen 4. und 7. Tag, 11% zwischen 8. und 14. Tag und 3% nach dem 14. Tag nach Geburt gescreent. Alle Babys wurden zwischen 32. und 42. SSW gescreent. Der Abstand zwischen Geburt und Screening war in der Gruppe von <32 SSW mit einem Median von 8,14 Wochen am längsten, die Spezifität der AABR-Messung betrug 95,7%. Der Median der Gruppe von 32–36 SSW war 2,14 (Spezifität 97,2%) und der Median der Gruppe von 37–42 SSW war 1,86 (Spezifität 9,3%).

Diskussion: Ziel des UNHS ist die frühe Identifikation von Hörstörungen. Deshalb soll das UNHS so bald wie möglich und vor Entlassung aus dem Krankenhaus durchgeführt werden. Die Spezifität des UNHS war in den drei Gruppen ähnlich hoch, die Behandlung in der NICU führte nicht zu einer geringeren Spezifität und das postkonzeptionelle Alter zur Zeit der AABR-Messung hatte keinen Einfluß auf das Resultat. Deshalb sollte das UNHS nicht unnötigerweise verzögert werden. Mechanische Beatmung, Sepsis oder antibiotische Behandlung hatten keinen negativen Einfluss auf die Spezifität des UNHS.


Text

Hintergrund

Bisher gibt es nur wenige Daten zur Durchführbarkeit und Zuverlässigkeit des Universellen Neugeborenenhörscreenings (UNHS) mit Automatischer Hirnstammaudiometrie (AABR) bei Früh- und Reifgeborenen Patienten der Neonatologischen Intensivstation (NICU) [1], [2], [3], [4], [5]. Seit neun Jahren hat die Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie Marburg Erfahrungen zum UNHS mit AABR-Geräten bei Neugeborenen gesammelt [6]. Seit Ende 2004 wurde das UNHS systematisch bei Risiko- und Hochrisikobabies in der NICU der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin Marburg durchgeführt. Ziel der vorliegenden Studie war herauszufinden, ob das postkonzeptionelle Alter der Babies bei der AABR-Messung einen Einfluss auf die Spezifität der AABR-Messung hat. Zusätzlich untersuchten wir den Einfluss von maschineller Beatmung, Sepsis und Antibiotikabehandlung auf die Messergebnisse.

Material, Methode

In den Jahren 2007 und 2008 wurden insgesamt 634 Kinder auf die NICU aufgenommen. 36 Kinder wurden wegen unvollständiger Daten von der Analyse ausgeschlossen und 598 Kinder mit vollständigen Datensätzen eingeschlossen.

Das UNHS wurde mit dem MB11 mit BERAphone® (MAICO-Diagnostics, Berlin) beidohrig durchgeführt, während die Babies in der NICU schliefen. Im MB 11 mit BERAphone® wird ein CE-Chirp-Stimulus von 35 dB (HL) verwendet. Es wurden 2 Stufen unterschieden: Stufe 1 war die erste Messung, Stufe 2 die zweite Messung, die am selben Tag durchgeführt wurde, wenn die erste Messung nicht gelang, z.B. weil das Baby zu unruhig war. Für die Auswertung wurde, wenn vorhanden, die Stufe 2 herangezogen.

Ergebnisse

Die Kinder wurden zwischen der 24. und 42. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren. Für die weitere Analyse teilten wir unsere Population in drei Gruppen auf: <32 SSW (n=63), 32–36 SSW (n=242) und 37–42 SSW (n=293). Außerdem wurden die klinischen Eigenschaften der Gruppen analysiert: Wie erwartet, unterschieden sich die Gruppen signifikant in Gewicht, Frequenz der mechanischen Beatmung, Sepsis und antibiotischer Behandlung (Tabelle 1 [Tab. 1]).

64% der Kinder wurden innerhalb der ersten drei Tage, 22% zwischen 4. und 7. Tag, 11% zwischen dem 8. und 14. Tag und 3% nach dem 14. Tag nach der Geburt gescreent. Alle Babys wurden zwischen der 32. und 42. SSW untersucht. Der Abstand zwischen Geburt und Screening war in der Gruppe von <32 SSW mit einem Median von 8,14 Wochen am längsten. Der Median der Gruppe von 32–36 SSW war 2,14 und der Median der Gruppe von 37–42 SSW war 1,86. Die Spezifität der AABR-Messung für jede Gruppe ist in der Tabelle 2 [Tab. 2] dargestellt. Der Median der Messzeit betrug 25 Sekunden pro Ohr. In einer zusätzlichen Nachverfolgung der 28 auffälligen Kinder zeigte sich bei 21 Kindern ein unauffälliger bzw. nicht therapiebedürftiger Befund und bei 4 Kindern ein therapiepflichtiger Hörverlust. 1 Kind war gestorben und für 2 Kinder konnte der Verlauf nicht nachverfolgt werden.

Diskussion

Ziel des UNHS ist die frühe Identifikation von Hörstörungen, bei denen eine frühe Intervention zur Herabsetzung der Morbidität führen kann [7]. Deshalb sollte das UNHS so bald wie möglich und vor Entlassung aus dem Krankenhaus durchgeführt werden. In unserer Population lag der früheste Screnningzeitpunkt bei 32 SSW. Das ist mit den Ergebnissen anderer Untersuchungen vergleichbar [3], [8]. Die Spezifität des UNHS war in den verschiedenen Gruppen des postkonzeptionellen Alters ähnlich hoch. Die Behandlung in der Intensivpflegestation führte nicht zu einer geringeren Spezifität des UNHS. Das postkonzeptionelle Alter zur Zeit der AABR-Messung hatte keinen Einfluss auf das Resultat. Insbesondere wurde keine höhere Fail-/Refer-Rate festgestellt, wie dies bei Tsui et al. der Fall war [9]. Wegen der sehr guten Spezifität in allen drei Gruppen sollte das UNHS nicht unnötigerweise verzögert werden. Außerdem hatten die mechanische Beatmung, eine Sepsis oder die antibiotische Behandlung keinen negativen Einfluss auf die Spezifität des UNHS. Trotz unauffälligen UNHS und ohne bekannte Risikofaktoren sollte bei ehemaligen NICU-Babies eine engmaschige Nachverfolgung der Hör- und Sprachentwicklung erfolgen, um z.B. Schalleitungsstörungen und verzögert einsetzende Hörstörungen rechtzeitig erkennen zu können [10].


Literatur

1.
Xu Z, Li J. Performance of two hearing screening protocols in the NICU. B-ENT. 2005;1(1):11-5.
2.
Wu J, Ye Y, Wang S, Xing G. Newborn hearing screening in the neonatal intensive care unit: a preliminary study. Lin Chung Er Bi Yan Hou Tou Jing Wai Ke Za Zhi. 2009;23(10):445-7.
3.
van den Berg E, Deiman C, van Straaten HL. MB11 BERAphone® hearing screening compared to ALGOportable in a Dutch NICU: a pilot study. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2010;74(10):1189-92. DOI: doi:10.1016/j.ijporl.2010.07.020 External link
4.
Saitoh Y, Hazama M, Sakoda T, Hamada H, Ikeda H, Seno S, Dake Y, Enomoto T. Outcome of neonatal screening for hearing loss in neonatal intensive care unit and well-born nursery infants. Nippon Jibiinkoka Gakkai Kaiho. 2002;105(12):1205-11.
5.
Lima GM, Marba ST, Santos MF. Hearing screening in a neonatal intensive care unit. J Pediatr (Rio J). 2006;82(2):110-4. DOI: doi:10.2223/JPED.1457 External link
6.
Berger R, Hanschmann H, Müller-Mazzotta J, Weitzel D. Neugeborenen-Hörscreening - Erfahrungen und Ergebnisse. Monatsschr Kinderheilkd. 2010;158:868-74. DOI: doi:10.1007/s00112-010-2186-4 External link
7.
Vohr BR, Simon P, Letourneau K. Public health implications of universal hearing screening. Semin Hear. 2000;21:295-308. DOI: doi:10.1055/s-2000-13461 External link
8.
van Straaten HL, Hille ET, Kok JH, Verkerk PH, Group DNNHSW. Implementation of a nation-wide automated auditory brainstem response hearing screening programme in neonatal intensive care units. Acta Paediatr. 2003;92:332-8. DOI: doi:10.1111/j.1651-2227.2003.tb00555.x External link
9.
Tsui PW, McPherson B, Wong EC, Ng IH. Infant hearing screening: effects of timeline. Clin Otolaryngol. 2008;33:108-12. DOI: doi:10.1111/j.1749-4486.2008.01663.x External link
10.
Yoon PJ, Price M, Gallagher K, Fleisher BE, Messner AH. The need for long-term audiologic follow-up of neonatal intensive care unit (NICU) graduates. Int J Pediatr Otorhinolaryngol. 2003;67:353-7. DOI: doi:10.1016/S0165-5876(02)00400-7 External link