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28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
2. Dreiländertagung D-A-CH

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.
Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie; Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie

09.09. - 11.09.2011, Zürich, Schweiz

Update zur Messung und Auswertung von akustischen Analysen für den klinischen Alltag

Vortrag

  • corresponding author presenting/speaker Meike Brockmann-Bauser - Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie, Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz
  • author Michael J. Drinnan - Regional Medical Physics Department, Freeman University Hospital, Newcastle upon Tyne, Großbritannien
  • author Jörg E. Bohlender - Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie, Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie, Universitätsspital Zürich, Zürich, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 28. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP), 2. Dreiländertagung D-A-CH. Zürich, 09.-11.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dgppV24

doi: 10.3205/11dgpp34, urn:nbn:de:0183-11dgpp348

Published: August 18, 2011

© 2011 Brockmann-Bauser et al.
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Zusammenfassung

Hintergrund: Akustische Analysen sind nach Richtlinien der European Laryngological Society (ELS) Bestandteil der Stimmdiagnostik und umfassen u.a. Messungen von Stimmumfangsprofilen sowie der Kurzzeitschwankung von Grundton (Jitter) und Lautstärke (Shimmer) [4]. Die Messung und Auswertung sind im Basisprotokoll der ELS jedoch noch nicht hinreichend für den klinischen Gebrauch standardisiert. Dies erschwert die Interpretation und den Vergleich von Untersuchungsergebnissen [6], [2].

Material und Methoden: Mittels einer Literaturrecherche (u.a. Medline) wurden Faktoren beurteilt, die akustische Messungen beeinflussen. Desweiteren wurden bisher publizierte Normwerte analysiert. Darauf basierend wurde die Untersuchungsdurchführung und -auswertung mittels eines klinischen Leitfadens definiert, der 6 Monate erprobt wurde.

Ergebnisse: Hauptsächliche Einflussfaktoren auf akustische Analysen sind a) Messtechnik und Hintergrundgeräusche, b) Lautstärke der Phonation, Äußerungstyp und -länge und c) Geschlecht und Alter der Patienten. Diese Faktoren können teilweise minimiert oder ausgeschlossen werden. Messtechnische Begrenzungen bei heiseren Stimmen und fehlende Normwerte schränken die Aussagekraft der Untersuchungen jedoch weiterhin ein [6], [2].

Diskussion: Die klinische Anwendung von akustischen Analysen nach dem ELS Protokoll kann durch die genauere Definition des Vorgehens beim Messen und Interpretieren der Daten verbessert werden. Weiterführende Studien zur Erhebung von Normwerten für Gesunde und von kritischen Merkmalen erkrankter Stimmen in Bezug auf Alter und Geschlecht könnten den Nutzen von akustischen Untersuchungen weiter steigern.


Text

Einleitung und Hintergrund

Akustische Analysen sind nach Richtlinien der European Laryngological Society (ELS) grundlegender Bestandteil der funktionellen Stimmdiagnostik (ELS Basisprotokoll). Sie umfassen unter anderem Messungen von Stimmumfangsprofilen (Sprech- und Singstimme) sowie die Bestimmung der Kurzzeitschwankung von Grundton (Jitter) und Lautstärke (Shimmer) [4]. Im Basisprotokoll der ELS sind jedoch sowohl die Messung als auch die Auswertung noch nicht hinreichend für die klinische Anwendung standardisiert [2], [6]. Dies schränkt die Zuverlässigkeit der Untersuchungen erheblich ein. Im klinischen Alltag sind dadurch die Interpretation der Untersuchungsergebnisse sowie der Vergleich zwischen verschiedenen Untersuchern oder Kliniken erheblich erschwert [2], [6].

Material und Methoden

Mittels einer Literaturrecherche (u.a. Medline) wurden Faktoren untersucht und beurteilt, die akustische Messungen im klinischen Alltag beeinflussen. Desweiteren wurde eine Metaanalyse von bisher publizierten Normwerten durchgeführt. Darauf basierend wurde die Untersuchungsdurchführung und -auswertung mittels eines klinischen Leitfadens definiert. Dieser wurde 6 Monate erprobt und anhand von klinischen Erfahrungen für die Praxis vereinfacht.

Ergebnisse

Die folgenden Faktoren beeinflussen akustische Analysen der Stimme signifikant: a) Messtechnik und Hintergrundgeräusche [5], [7], b) die Lautstärke der Phonation sowie Äußerungstyp und -länge [2] und c) Geschlecht und Alter der Patienten [2], [6]. Diese Faktoren können teilweise minimiert oder ausgeschlossen werden, indem a) eine angemessene signal-noise-ratio (SNR) durch die Aufnahmeausrüstung und den Ausschluss von Hintergrundlärm gewährleistet wird [5]; b) für Jitter und Shimmer Messungen Phonationen mit einer Lautstärke von 80dB(A) Lautstärke (10 cm Abstand) bei gleichbleibendem Vokal (/a/) verwendet werden [1], bei Stimmumfangsprofilen definierte Untersuchungsanweisungen sowie eine festgelegte Phonationsdauer angewendet werden [8], [9] ; c) alters- und geschlechtsspezifische Normwerte gebildet und verwendet werden [1], [9]. Aufgrund allgemein bekannter messtechnischer Begrenzungen [5], [10] können verlässliche akustische Analysen jedoch weiterhin nur bei leicht heiseren oder normal klingenden Stimmen durchgeführt werden [3]. Fehlende geschlechtsbezogene Normwerte sowie die geringe Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Analysesoftwares schränken die Aussagekraft von Jitter und Shimmer jedoch weiterhin ein [2]. Auch für Stimmumfangsprofile sind an grösseren Gruppen untersuchte Normwerte für gesunde und erkrankte Stimmen nötig, um das diagnostische Potential der Untersuchungsmethode voll auszuschöpfen [8].

Diskussion

Klinische akustische Analysen nach dem ELS Protokoll können durch die genauere Definition der messtechnischen Bedingungen sowie des Vorgehens beim Messen und Auswerten verbessert werden [2], [3], [5], [6], [7], [8], [9]. Mittel- und hochgradig heisere Stimmen können jedoch weiterhin nicht sinnvoll mit akustischen Analysen untersucht werden [2], [3], [10]. Desweiteren begrenzen messtechnische Einflüsse wie z.B. Hintergrundlärm und die signal-noise-ratio (SNR) die Genauigkeit der Messungen [5], [7], [10]. Weiterführende Studien zur Erhebung von Normwerten für Gesunde und von kritischen Merkmalen erkrankter Stimmen in Bezug auf Alter und Geschlecht könnten den Nutzen von akustischen Untersuchungen deutlich steigern [2], [8]. Somit könnten akustische Analysen sinnvoller und effizienter in der klinischen Diagnostik eingesetzt werden [2].


Literatur

1.
Brockmann M, Drinnan MJ, Storck C, Carding PN. Reliable jitter and shimmer measurements in voice clinics: the relevance of vowel, gender, vocal intensity, and fundamental frequency effects in a typical clinical task. J Voice. 2011;25(1):44-53. DOI: 10.1016/j.jvoice.2009.07.002 External link
2.
Brockmann-Bauser M, Drinnan MJ. Routine acoustic voice analysis: time to think again? Curr Opin Otolaryngol Head Neck Surg. 2011;19(3):165-70. DOI: 10.1097/MOO.0b013e32834575fe External link
3.
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Maryn Y, Corthals P, De Bodt M, Van Cauwenberge P, Deliyski D. Perturbation measures of voice: a comparative study between Multi-Dimensional Voice Program and Praat. Folia Phoniatr Logop. 2009;61(4):217-26. DOI: 10.1159/000227999 External link
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