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Individualisierte Diagnostik und Behandlung eines übertriebenen Bewegungsverhaltens bei Anorexia nervosa – Vorstellung erster akzelerometriegestützter Behandlungskonzepte
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Published: | February 18, 2016 |
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Hintergrund: Gesteigerte körperliche Aktivität ist unter anorektischen Patienten weit verbreitet. Es besteht Einigkeit darüber, dass dieses Symptom mit längerer Behandlungsdauer, einem erhöhten Rückfallrisiko und Chronifizierung einhergeht. Vieles deutet auf individuelle Aktivitätsmuster hin, die sich evtl. zu Subtypen zusammenfassen lassen könnten. Diese Heterogenität muss sich im klinischen Behandlungssetting wiederfinden.
Methoden: Wir stellen hier ein akzelerometrisch gestütztes Konzept zur individualisierten Diagnostik, Behandlungsplanung und Evaluation des Bewegungsverhaltens vor. Für die Diagnostik wird das 4-Tage Aktivitätsprofil nach Alexandridis et al. eingesetzt, um ein klinisch relevantes Ausmaß an Geh- und Rennzeiten zu identifizieren. In einem zweiten Schritt wird die Verteilung dieser gesteigerten Aktivitäten über den Tagesverlauf analysiert. Die Therapie erfolgt dabei auf der Grundlage dieser Analyse.
Ergebnisse: In einer Studie (N=156) konnten Alexandridis et al. drei verschiedene Muster des gesteigerten Bewegungsverhaltens identifizieren: (I) Patienten zeigen entweder in Zeitblöcken gebundene, (II) zeitlich auf die Mahlzeiten bezogene oder (III) unstrukturierte Aktivität.Für die Therapieplanung geben diese Befunde wichtige Aufschlüsse. Bei der konkreten Interventionsform handelt es sich um eine Kombination von interdisziplinären Therapiebausteinen aus der kognitiven Verhaltenstherapie einschließlich Expositionsbehandlung mit Reaktionsverhinderung, Bewegungstherapie und Elemente der DBT nach Linehan. Zur Illustration werden ausgewählte Fallbeispiele stichpunktartig skizziert.
Schlussfolgerung: Unser Ansatz stellt einen ersten Versuch dar, sich dem Phänomen gesteigerter Bewegung anorektischer Patienten im Rahmen einer apparativen, detaillierten dabei aber gleichzeitig vergleichsweise wenig aufwendigen Diagnostik zu nähern. Der Benefit eines solchen Ansatzes liegt in der weiteren Differenzierung therapeutischer Angebote. Weitere Analysen und Differenzierungen der heterogenen Symptomatik gesteigerter Aktivität können hier weiteren Fortschritt bringen. Nach der Etablierung von Behandlungskonzepten auf der Basis des hier vorgestellten Ansatzes, müssen zukünftige Studien deren Wirksamkeit noch überprüfen.