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Zur Qualitätssicherung der Gewichtsrestitution bei Magersucht – Pathophysiologie, Evidenzbasierte Praxis und Vermeidung des Refeeding-Syndroms
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Published: | February 18, 2016 |
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Hintergrund: Beim Refeeding-Syndrom – einer gefürchteten Komplikation bei der Reetablierung von Nahrungsaufnahme von PatientInnen mit Magersucht – kommt es bei mangelernährten PatientInnenen zu einer Verschiebung von Elektrolyten und freier Flüssigkeit und damit zu – potenziell tödlichen Symptomen.
Aktuell existieren noch keine einheitlichen Guidelines zur Vorbeugung und Management des Refeeding-Syndroms. Neben der S3-Guideline „Diagnostik und Therapie der Essstörungen“ stehen im anglo-amerikanischen Raum fünf weitere wichtige Leitlinien zur Verfügung.
Methoden: Review der aktuellen Literatur und Vergleich der Leitlinien unter Berücksichtigung der Erfahrungen in beiden Kliniken.
Ergebnisse: Sowohl nieder- als auch hochkalorische Ernährungsprotokolle führten in Fall- und Kohortenstudien zu vergleichbaren Ergebnissen bei ähnlichen Komplikationsraten. Grundzüge der Pathophysiologie des Refeeding-Syndroms, Empfehlungen zur Risikoeinschätzung, Behandlung und Evidenz werden diskutiert.
Aus unserer Sicht zeigen folgende Parameter ein hohes Risiko für ein Refeeding-Syndrom an: BMI < 14 kg/m2 oder der Verlust von 15 % Körpergewicht innerhalb 3 Monate oder sehr geringe oder keine Nahrungsaufnahme >7 Tage vor Beginn der Wiederernährung oder niedrige Serumwerte von K+, Mg2+ oder PO43- vor Beginn der Wiederernährung oder ausgeprägtes Erbrechen oder ausgeprägter Gebrauch von Diuretika oder Laxantien bei einem BMI < 16 kg/m2.
Wir empfehlen eine kohlenhydrat-reduzierte Refeeding-Kost (45 % Anteil Kohlenhydrate) und einen erhöhter Fettanteil der Nahrung während der ersten Refeedingphase. Die Kalorienanzahl wird zwischen 35 und 40 kcal/kg/Tag gewählt, bei Sondierung 30kcal/kg/Tag. Eine Gewichtszunahme von 500g bis 1,5 kg wöchentlich sollte erwartet werden.
Die prophylaktische orale Gabe von Phosphat ist aufgrund der geringen Nebenwirkung und dem potentiellen Nutzen empfehlenswert.
Schlussfolgerung: Bei Beachtung grundlegender Regeln wie den Verzicht auf unkontrollierte Gabe von Flüssigkeit und Glucose sowie die Wahl einer primär oralen Ernährung ist die Wiederernährung von Patienten mit einer Anorexia nervosa sicher.
Eine Risikoabschätzung für ein Refeeding-Syndrom ist hilfreich. Hochrisikopatienten sollten mit einem speziellen Refeeding Protokoll und kontinuierlichen Monitoring behandelt werden. Je nach Möglichkeiten des eigenen Behandlungssettings kann es sinnvoll sein, schwer kranke Patienten auf spezialisierte Stationen zu verlegen. Eine konsistente Definition des Refeeding-Syndroms, die Risikoabschätzung und die Auswahl des besten Ernährungsprotokolls bedürfen noch weiterer Evaluierung.