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Anorexie und komorbide Suchterkrankung
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Published: | February 18, 2016 |
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Hintergrund: Die Behandlung der Anorexie (AN) stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Bei ca. der Hälfte kommt es zu einem chronischen Verlauf. Patienten mit AN weisen zusammen mit Suchtpatienten die höchste Mortalität auf. Als prognostisch ungünstig gelten u.a. komorbide Störungen, später Beginn der Erkrankung, lange Krankheits- und Behandlungsdauer und erhöhte Impulsivität. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus für die Behandlung, wenn diese ungünstigen Prognosefaktoren gleichzeitig vorliegen wie bei AN mit komorbider Suchterkrankung? Mit den S3 Leitlinien für Essstörungen (2010) und alkoholbezogene Störungen (2015) liegen erstmals Empfehlungen zur gleichzeitigen Behandlung beider Störungsbilder vor, sofern die Behandlungseinrichtung über entsprechende Erfahrung verfügt.
Methoden: In einer Rehaklinik für Sucht und Psychosomatik werden Patienten mittels einer umfangreichen Eingangs- und Abschlussdiagnostik (u.a. klinisches Interview, BDI, SCL90, EDE-Q; FFB, AUDIT) u.a. bezüglich des Vorliegens der Sucht-, der Essstörungsdiagnosen als auch der allgemeinen Psychopathologie untersucht und einer integrierten Sucht-Essstörungsbehandlung oder einer singulären Essstörungsbehandlung zugeführt. Es wurden die Daten konsekutiv aufgenommener Patienten mit AN mit komorbider Suchterkrankung (N= 40) sowie AN ohne komorbide Suchterkrankung (N = 68) ausgewertet, um Hinweise für eine genauere Charakterisierung der Stichprobe hinsichtlich Alter, Erkrankungsdauer, weitere psychische Diagnosen, Essstörungssubgruppe, BMI, Körperbildprobleme, Impulsivität sowie differentieller Behandlungseffekte zu erhalten.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse bestätigen, dass die Gruppe AN mit Sucht im Vergleich zu AN ohne Sucht im Durchschnitt älter ist (37,8 J. vs. 25,3 J.), länger erkrankt ist (17,5 J. vs. 7J.) und eine längere Behandlungsdauer benötigt (91,8 Tage vs.74,7 Tage). Die Gruppen unterscheiden sich nicht bzgl. BMI bei Aufnahme/ Entlassung, die beste Zunahme erzielen restriktive Anorexien mit Suchterkrankung (561g/Woche). Es werden weitere Ergebnisse zu differentiellen Behandlungseffekten bzgl. allgemeiner Psychopathologie (SCL), Depressivität (BDI), Körperakzeptanz, Impulsivität und essstörungsspezifischer Symptome vorgestellt.
Schlussfolgerung: Beide Gruppen profitieren gut von einem KVT orientierten Essstörungsangebot bezüglich Gewichtszunahme, Verbesserung weiterer essstörungsspezifischer Symptome sowie allgemeiner Psychopathologie. Sie profitieren nicht signifikant bzgl. der Abnahme der Impulsivität.