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5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS)

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V.

03.03. - 05.03.2016, Essen

Gewichtssuppression als Outcome-Prädiktor in der Behandlung der Anorexia nervosa

Meeting Abstract

Deutsche Gesellschaft für Essstörungen e.V. (DGESS). 5. Wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen. Essen, 03.-05.03.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc16dgess004

doi: 10.3205/16dgess004, urn:nbn:de:0183-16dgess0042

Published: February 18, 2016

© 2016 Greetfeld et al.
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Hintergrund: Bei Bulimia nervosa (BN) ist der Einfluss der Gewichtssuppression (Weight Suppression, WS), definiert als Differenz zwischen dem Höchstgewicht in der Vorgeschichte und dem Gewicht bei Therapiebeginn) auf das Therapie-Outcome, bereits in mehreren Studien untersucht worden. In der Literatur überwiegen die Hinweise, dass bei BN eine hohe WS mit einem schlechteren Akut- und Langzeitbehandlungsergebnis assoziiert ist. Als ursächlich werden sowohl psychologische als auch biologische Faktoren diskutiert.

Die Datenlage zum Einfluss der WS auf das Behandlungsergebnis bei Anorexia nervosa (AN) ist derzeit noch sehr spärlich.

Methoden: Routine-Behandlungsdaten von 1414 Patientinnen mit AN in stationärer Behandlung wurden bezüglich des Zusammenhanges zwischen WS und Ausmaß der Gesichtszunahme analysiert.

Ergebnisse: Die WS lag in der Gesamtstichprobe zwischen 0 und 96 kg (M=18,2 kg; SD=10,6 kg). Patienten mit höherer WS (High-WS) hatten im Mittel einen niedrigeren Aufnahme-BMI und wurden länger behandelt als Patienten mit niedrigerer WS (Low-WS). High-WS zeigten eine größere mittlere Gewichtszunahme pro Woche (620g vs. 500g) und eine größere Gewichtszunahme insgesamt (7,7kg vs. 5,6kg); dieser Effekt blieb auch unter Einbezug des Aufnahme-BMI und der Dauer der stationären Behandlung als Kovariaten signifikant. High- und Low-WS unterschieden sich weder bezüglich der Gesamtpsychopathologie noch hinsichtlich der Ausprägung bulimischer Symptomatik. Männer in der Stichprobe (n=60) hatten eine signifikant höhere WS als Frauen und erzielten einen signifikant höheren Entlassungs-BMI. Allerdings erlaubte bei Männern im Gegensatz zu Frauen das Ausmaß der WS keine signifikante Vorhersage der Gewichtszunahme.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Untersuchung umfasst die bislang größte Stichprobe zur WS bei AN. Für die Gewichtszunahme stellt die WS einen wesentlichen Prädiktor dar, der eine höhere Varianzaufklärung als viele andere klinisch relevante Variablen (psychometrische Daten, Erkrankungsdauer etc.) erzielt. Im Gegensatz zu bisherigen Befunden und Erklärungsmodellen in der Literatur unterscheiden sich High- und Low-WS in unserer Stichprobe nicht hinsichtlich der bulimischen Symptomatik. Dies könnte ein Hinweis für einen überwiegenden biologischen Einfluss der WS auf die Gewichtszunahme sein. Überraschenderweise zeigt sich der Einfluss der WS allerdings nur bei Frauen, nicht bei Männern mit AN.