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122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

05. bis 08.04.2005, München

Die “falx lunatica” oder die unscharfe Demarkation von kritisch perfundiertem muskulokutanem Gewebe

Meeting Abstract

  • corresponding author Y. Harder - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • M. Amon - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • M. Georgi - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • R. Schramm - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • M.W. Laschke - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • A. Banic - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • D. Erni - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar
  • M.D. Menger - Institut für Klinisch-Experimentelle Chirurgie, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 05.-08.04.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05dgch3480

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Published: June 15, 2005

© 2005 Harder et al.
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Text

Einleitung

Um das Überleben von kritisch perfundiertem muskulokutanem Gewebe zu verbessern, müssen zunächst ursächliche Mechanismen verstanden werden, die zu ischämie-bedingtem Gewebeverlust führen. Ziel dieser Studie war es, an einem neu entwickelten in vivo Modell unter Verwendung der intravitalen Fluoreszenzmikroskopie (IVM) (i) die kritische Demarkationszone im Lappengewebe zu charakterisieren, und (ii) mikrovaskuläre Mechanismen aufzudecken, die das Überleben oder die Nekrose von gefährdetem Gewebe ermitteln könnten.

Material und Methoden

Heben eines lateral gestielten Hautlappens unter Mitnahme des Panniculus Carnosus und Fixierung in eine chronische Rückenhautkammer (n=8) an C57BL/6-Mäusen. Die Rückenhautkammer ohne Lappenpräparation diente als Kontrolle (n=8). 6 weitere Tiere dienten zur Bestimmung des Sauerstoffpartialdruckes (ptO2) im Lappen und im kontralateralen Gewebe. Erhebung der funktionellen Kapillardichte (FKD), des kapillären Blutflusses, des mikrovaskulären Remodelings und der Angiogenese mittels IVM im proximalen, mittleren und distalen Lappenabschnitt am Tag 1, 3, 5, 7 und 10 nach Lappenhebung.

Ergebnisse

Die chronische Ischämie führte zu einer Übergangszone, die durch einen roten Gewebesaum und eine distal angrenzende weiße Sichel, der sogenannten “falx lunatica“ gekennzeichnet war. Das überlebende Gewebe nahe der Demarkationszone (roter Gewebesaum) war durch folgende Veränderungen gekennzeichnet: (i) vorübergehend verminderte FKD (d7: 113.9±33.7cm/cm2 vs Kontrolle: 208.0±20.9cm/cm2; p<0.05), die sich im weiteren Verlauf erholte (d10: 157.6±12.0cm/cm2 vs 197.5±20.9cm/cm2; ns) und (ii) kapillares Remodeling bestehend aus Dilatation (d10: 9.97±1.07µm vs 6.38±0.75µm), vermehrtem Blutfluss (d10: 9.96±3.60pl/s vs 3.75±0.98pl/s) und Zunahme der Kapillartortuosität (d10: 0.82±0.22 vs 0.30±0.05). Zeichen für Angiogenese (sprouts & buds) wurden nicht beobachtet. Die distal des roten Saumes als “falx lunatica” erscheinende weisse Zone zeigte eine progrediente Abnahme der FKD (d10: 3.8±3.2cm/cm2 (p<0.001)), die mit den Werten des nekrotischen distalen Lappenanteil vergleichbar waren (d10: 0.0±0.0cm/cm2 (p<0.001)), ohne jedoch Zeichen der Gewebeaustrocknung und Transparenz zu zeigen. Durch die frühe Bestimmung des ptO2 konnte das Entstehen der unterschiedlichen Zonen im kritisch perfundierten Gewebe bereits zum Zeitpunkt der Lappenhebung vorausgesagt werden. Die “falx lunatica” entwickelte sich bei einem initialen ptO2 zwischen 6.2±1.3mmHg und 3.8±0.7mmHg, während die Gewebenekrose bei einem ptO2 <3.8±0.7mmHg entstand. Die histologische Auswertung innerhalb der “falx lunatica” zeigte die Entwicklung eines interstitiellen Ödems sowie das Auftreten von Muskelfasern mit Zellkernverarmung, jedoch keine Nekrose.

Schlussfolgerung

Die ischämie-bedingte Nekrose in muskulokutanem Lappengewebe grenzt sich nur unscharf vom normalen Gewebe ab. Neben einem roten Gewebesaum mit kapillarem Remodeling bildet sich eine angrenzende “falx lunatica” ohne mikrovaskuläre Architektur. Da keine Hinweise für Angiogenese zu finden waren, wird bei fehlender nutritiver Perfusion die endgültige Gewebenekrose vermutlich durch reine O2-Diffusion im Sinne einer "vita minima" verhindert. Es ist davon auszugehen, dass durch spezifische Behandlungsansätze, vergleichbar der Penumbra nach zerebralem Infarkt, das Gewebe der "falx lunatica" und deren mikrovaskuläre Architektur erhalten werden können.