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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

COFRAIL: Analyse des Deprescribing

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Matthias Gogolin - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • Veronika Bencheva - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • Sven Schmiedl - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Witten, Deutschland
  • Eva Drewelow - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Manuela Ritzke - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Andrea Icks - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Medizinische Fakultät, Düsseldorf, Deutschland
  • Gabriele Meyer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Halle, Deutschland
  • Birgitt Wiese - Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Statistik und IT-Infrastruktur, Institut für Allgemeinmedizin, Hannover, Deutschland
  • Stefan Wilm - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf, Deutschland
  • Petra Thürmann - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocSYM-01-06

doi: 10.3205/22degam246, urn:nbn:de:0183-22degam2466

Published: September 15, 2022

© 2022 Gogolin et al.
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Text

Hintergrund: Mit zunehmendem Lebensalter und Gebrechlichkeit steigt oftmals die Anzahl der täglich einzunehmenden Medikamente. Polypharmazie erhöht das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Krankenhausaufenthalten. Ein möglicher Ansatz, diese negativen Auswirkungen zu reduzieren, stellt das Deprescribing dar: ein strukturiertes und gezieltes Absetzen von Medikamenten z.B. durch Hausärzt:innen, basierend auf individuellen Präferenzen und Nutzen/Risiko-Abwägung. Anhand eines für die Studie entwickelten Deprescribing-Leitfadens sollte die Medikation von gebrechlichen Patient:innen mit Polypharmazie (≥ 5 verschiedene Arzneimittel/d) optimiert und reduziert werden.

Fragestellung: Kann mittels der entwickelten Intervention die Anzahl der eingenommenen Arzneimittel und potenziell inadäquaten Medikamente (PIM) sowie der Drug-Burden-Index (DBI) gesenkt werden? Welche Themen des Deprescribing-Leitfadens wurden am häufigsten umgesetzt?

Methoden: Die Bewertung und Veränderung der Arzneimitteltherapie fand im Rahmen von Familienkonferenzen statt. Dabei wurden in der Interventionsgruppe entbehrliche und inadäquate Arzneimittel mithilfe des Deprescribing-Leitfadens durch Hausärzt:innen abgesetzt. Zum Vergleich der Medikationsqualität zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe (care as usual) wurden PIM und der DBI anhand von Medikationsplänen identifiziert und dokumentiert. Die Umsetzung des Leifadens wurde in den ersten beiden (von insgesamt drei) Familienkonferenzen ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurde die Medikation von 347 Patient:innen im Alter von 83,04 ± 6,2 Jahre (69,7% weiblich) analysiert. Eine signifikante Reduktion der eingenommenen Arzneimittel von 9,51 ± 3,33 um 1,07 ± 2,27 sowie des DBI um 14% und der EU(7)-PIM um 17% wurde nach 6 Monaten in der Interventionsgruppe erzielt. Die Empfehlungen des Leitfadens entsprechen 71,8% der in den Familienkonferenzen abgesetzten oder in der Dosis reduzierten Wirkstoffe. Am häufigsten wurden Pharmaka zur Behandlung von Gicht, Statine und Protonenpumpeninhibitoren mit jeweils 55%, 45% und 31% der verordneten Arzneimittel abgesetzt.

Diskussion: Das strukturierte Absetzen von Arzneimitteln mittels des Deprescribing-Leitfadens stellt ein praktikables Verfahren dar, um die Arzneimittellast der Patient:innen zu reduzieren. Die gemeinsame Priorisierung der Medikation im Rahmen der Familienkonferenzen fördert die Entscheidungsfindung.

Take Home Message für die Praxis: Strukturiertes Deprescribing kann zur Reduktion der Arzneimittellast der Patient:innen beitragen.