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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

COFRAIL: Familienkonferenzen zur gemeinsamen Priorisierung und zum Deprescribing bei ambulanten gebrechlichen Patient:innen mit Polypharmazie – Ergebnisse einer cluster-randomisierten Interventionsstudie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Achim Mortsiefer - Universität Witten/Herdecke, Institut für Allgemeinmedizin und Ambulante Gesundheitsversorgung (IAMAG), Lehrstuhl für Allgemeinmedizin II und Patientenorientierung in der Primärversorgung, Witten, Deutschland; Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Stefan Wilm - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Susanne Löscher - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Yekaterina Pashutina - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Petra Thürmann - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • Veronika Bencheva - Universität Witten/Herdecke, Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Witten, Deutschland
  • Gabriele Meyer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Deutschland
  • Jens Abraham - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Deutschland
  • Steffen Fleischer - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Deutschland
  • Andrea Icks - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Joseph Montalbo - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie, Centre for Health and Society (chs), Düsseldorf, Deutschland
  • Birgitt Wiese - Medizinische Hochschule Hannover (MHH), IT Services Applications, Science & Laboratory, MHH Information Technology, Hannover, Deutschland
  • Anja Wollny - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Eva Drewelow - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Manuela Ritzke - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland
  • Attila Altiner - Universitätsmedizin Rostock, Institut für Allgemeinmedizin, Rostock, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocSYM-01-04

doi: 10.3205/22degam244, urn:nbn:de:0183-22degam2445

Published: September 15, 2022

© 2022 Mortsiefer et al.
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Text

Hintergrund: Bei Patient:innen mit geriatrischem Frailty-Syndrom stellt die Reduktion von Polypharmazie eine vielversprechende therapeutische Option dar. Deprescribing bedeutet vor allem eine Herausforderung für die Kommunikation unter den unterschiedlichen Beteiligten wie Patient:innen, Angehörige, Pflegedienst und Hausärzt:innen.

Fragestellung: Welche Effekte erzielen Familienkonferenzen zur gemeinsamen Priorisierung und zum Deprescribing bei ambulanten gebrechlichen Patient:innen mit Polypharmazie?

Methoden: Cluster-randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie mit 114 Hausärzt:innen und 623 ambulanten Patient:innen mit Frailty und Polypharmazie. Studienärzt:innen der Interventionsgruppe erhielten 3 Fortbildungen zur Anwendung des COFRAIL-Deprescribing-Leitfadens inkl. eines Kommunikationstrainings. Danach erfolgten pro Patient:in 3 Familienkonferenzen im häuslichen Umfeld über 6 Monate unter Einbezug von pflegenden Angehörigen und/oder Pflegedienst. Primärer Endpunkt war die Hospitalisierungsrate nach 12 Monaten. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Anzahl eingenommener Medikamente sowie Parameter des geriatrischen Assessments. Auswertung mittels deskriptiver Statistik sowie Multilevel-Regressionsmodellen mit Adjustierung auf Beobachtungszeit, Alter, Geschlecht und Anzahl chronischer Erkrankungen sowie der jeweiligen Baseline-Ergebnisse.

Ergebnisse: Die Intention-to-Treat-Analyse zeigte bei der adjustierten Hospitalisierungsrate keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Interventionsgruppe (0,89 (SD±1,72)) und Kontrollgruppe (0,88 (±1,53)). In der Per-Protocol-Population (n=385) entwickelte sich die Anzahl eingenommener Medikamente in der Interventionsgruppe von 8,98 ((±3,56) auf 8,11 (±3,21) nach 6 Monaten auf 8,49 (±3,63) nach 12 Monaten und in der Kontrollgruppe von 9,24 (±3,44) auf 9,32 (±3,59) nach 6 Monaten und 9,16 (±3,42) nach 12 Monaten mit einem statistisch signifikanten Unterschied nach 6 Monaten im Mixed-Effect-Poisson-Regressionsmodell (p=0,001).

Diskussion: Die COFRAIL-Intervention erzielte die intendierte Reduktion der Anzahl eingenommener Medikamente. Die Hospitalisierungsrate als Marker für die Patientensicherheit unterschied sich nicht zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Die COFRAIL-Intervention kann somit hinsichtlich des Deprescribings als erfolgreiches Instrument angesehen werden, wenn auch der nach 6 Monaten beobachtete statistisch signifikante Reduktionseffekt hinsichtlich eingenommener Medikamente nach 12 Monaten nicht mehr eindeutig nachzuweisen war.

Take Home Message für die Praxis: Familienkonferenzen können bei geriatrischen Patient:innen mit Polypharmazie den Deprescribing-Prozess erfolgreich unterstützen.