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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Regionale Variation in der Verschreibung von ADHS-Medikamenten: eine Analyse von Abrechnungsdaten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in der Schweiz

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Eva Blozik - SWICA Gesundheitsorganisation, Versorgungsforschung, Schweiz; Universität Zürich, Institut für Hausarztmedizin, Zürich, Schweiz
  • Maria Trottmann - SWICA Gesundheitsorganisation, Versorgungsforschung, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocP-03-03

doi: 10.3205/22degam158, urn:nbn:de:0183-22degam1581

Published: September 15, 2022

© 2022 Blozik et al.
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Hintergrund: Die Verschreibung von Medikamenten bei Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) wird kontrovers debattiert: Sie können einerseits Ausdruck von Überdiagnose und Übertherapie sein, aber auch gewandelte sozialer Normen abbilden oder einen gestiegenen psychiatrischen Versorgungsbedarfs in der Bevölkerung widerspiegeln.

Fragestellung: Diese Studie untersucht Verschreibungsraten von ADHS-Medikamenten in der Schweiz über die Zeit, Altersgruppen und Regionen hinweg.

Methoden: Sekundäranalyse von Abrechnungsdaten der SWICA-Gesundheitsorganisation von ca. 845.000 Personen mit obligatorischer Krankenpflegeversicherung in den Jahren 2017–2021 (Analyse des jeweils ersten Halbjahres). Die ADHS-Medikation wurde anhand des Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifikationssystems (ATC) identifiziert und umfasste Methylphenidat (Ritalin®), Atomoxetin (Strattera®) und (Lis)dexamphetamindimesilat (Elvanse®). Die Verschreibungsraten wurden stratifiziert nach Alter (5–18 Jahre, 18+ Jahre), Grossregion (Mittelland, Genferseegebiet, Nordwestschweiz, Ostschweiz, Tessin, Zentralschweiz, Region Zürich), sowie nach Wirkstoff und wurden im Zeitverlauf dargestellt.

Ergebnisse: Die hochgerechnete Anzahl an Personen mit ADHS-Medikamentenverschreibung in der Schweiz stieg an von 40.100 im Jahr 2017 auf 59.300 im Jahr 2021 (+48%). Der Anstieg im Jahr 2021 verlief besonders steil, was im Zusammenhang mit der SarsCov19-Pandemie stehen könnte. Während die mittlere Verschreibungsrate bei Kindern und Teenagern (5–18-jährig) für die gesamte Schweiz bei 1.8% [95% CI: 1.6%–2.0%] lag, zeigte sich für die Ostschweiz mit 1.2% [1.1%–1.3%] und insbesondere für das Tessin mit 0.5% [0.3%–0.7%] geringere Raten. Bei Erwachsenen (18+ Jahre) waren die Verschreibungsraten in Zürich (0.7% [0.6%–0.9%]) am höchsten und im Tessin am niedrigsten (0.08% [0.001%–0.2%]).

Diskussion: Die Verschreibung von ADHS-Medikamenten stieg in den meisten Regionen in der Schweiz an und zeigte beträchtliche regionale Variation. Zukünftige Studien sollten insbesondere untersuchen, ob die Versorgung psychischer Probleme unerwünschter Varianz unterliegt.

Take Home Message für die Praxis: Die Verschreibung von ADHS-Medikamenten ist hoch anfällig für Differenzen, die sich nicht mit Unterschieden im klinischen Zustand der Patienten erklären lassen. Sorgfältige Diagnostik und Indikationsstellung sowie kritisches Hinterfragen von bestehenden Verschreibungen ist angezeigt.