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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Wirkverlust von Verapamil bei chronischem Clusterkopfschmerz nach bariatrischer Chirurgie: eine interdisziplinäre Fallvorstellung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Tobias Christof Szymczyk - Universität Duisburg-Essen, Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Essen, Deutschland; Universitätsklinikum Essen, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen, Deutschland
  • Dagny Holle-Lee - Universitätsklinikum Essen, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocP-02-05

doi: 10.3205/22degam153, urn:nbn:de:0183-22degam1531

Published: September 15, 2022

© 2022 Szymczyk et al.
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Hintergrund: Clusterkopfschmerz ist die häufigste trigemino-autonome Kopfschmerzform und führt unbehandelt zu einem hohen Leidensdruck bei den betroffenen Patienten. Er zeichnet sich durch stärkste, einseitige Kopfschmerzattacken mit trigemino-autonomer Begleitsymptomatik und Bewegungsunruhe aus. Neben unterschiedlicher Akuttherapie wie der Sauerstoffinhalation und dem Einsatz von schnellwirksamen nasal oder subcutan applizierbaren Triptanen, stehen vielfältige Möglichkeiten der prophylaktischen Therapie bereit. Hierzu zählen unter anderem die Kortikoidstoßtherapie und die Einnahme von Verapamil oder Lithium.

Fragestellung: Beeinflussen bariatrische Operationen die Therapie von Patienten mit Clusterkopfschmerzen?

Methoden: Wir berichten über einen 47 Jahre alten Patienten, welcher seit mehreren Jahren prophylaktisch mit Verapamil aufgrund eines chronischen Clusterkopfschmerzes behandelt wird. Frühere Behandlungsversuche mit Topiramat, Lithium oder Ergotamin zeigten keine Wirkung. Aktuell stellte er sich mit einer Zunahme seiner täglichen Attackenhäufigkeit auf 8 Attacken pro Tag vor. 5 Monate vor ambulanter Vorstellung war eine bariatrische Operation mit Anlage eines Ein-Anastomosen-Bypasses erfolgt. Vor OP hatte die Attackenfrequenz 1/Tag betragen.

Ergebnisse: Bei dem Ein-Anastomosen-Bypass wird ein Vormagen gebildet und an diesen eine Dünndarmschlinge nach ca. 200 cm vom oberen Dünndarm angeschlossen. Die restriktiv-malabsorptive Operation führte im berichteten Fall vermutlich zu einer Minderaufnahme des Verapamil und hatte einen Wirkverlust des Verapamils zur Folge. Eine Therapieumstellung auf einen subcutan verabreichten CGRP-Antikörper (Off-Label Therapie) konnte eine deutliche Besserung der Beschwerden herbeiführen.

Diskussion: Nach bariatrischer Chirurgie mittels Ein-Anastomosen-Bypasses kann es zu einem Wirkungsverlust einer prophylaktischen Therapie mit Verapamil kommen.

Take Home Message für die Praxis: Die Durchführung einer bariatrischen Operation sollte vor dem Hintergrund einer gut funktionierenden prophylaktischen Therapie des Clusterkopfschmerzes wohl überlegt sein. Ein postoperativer Wirkungsverlust aufgrund einer verminderten gastrointestinalen Resorption sollte mit dem Patienten mit chronischen Erkrankungen, die auf eine prophylaktische Medikation angewiesen sind, besprochen und die Vor- und Nachteile entsprechend abgewogen werden. Hierbei kann der Hausarzt eine zentrale Rolle als unabhängiger erster ärztlicher Ansprechpartner betroffener Patienten in der Therapieplanung spielen.