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Hausärztliche Kurzberatung bei Menschen mit riskantem und schädlichem Alkoholkonsum in Deutschland: eine repräsentative Bevölkerungsbefragung
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Published: | September 15, 2022 |
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Hintergrund: Die S3-Leitlinie zur Behandlung alkoholbezogener Störungen empfiehlt, dass Hausärzt:innen bei Patient:innen mit riskantem (erhöhtes Risiko für Gesundheitsschädigung) oder schädlichem (vorliegende Gesundheitsschädigung) Alkoholkonsum eine Kurzberatung zur Konsumreduktion durchführen. Repräsentative Daten zur Umsetzung dieser Leitlinienempfehlung in Deutschland fehlen bislang.
Fragestellung: Welcher Anteil riskant oder schädlich alkoholkonsumierender Erwachsener in Deutschland gibt an, jemals eine entsprechende Kurzberatung (Konsumabfrage, Reduktionsempfehlung, Unterstützungsangebot) erhalten zu haben? Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Jemals-Erhalt (ja/nein) hausärztlicher Kurzberatung und bestimmtem Personenmerkmalen der Empfänger?
Methoden: Repräsentative, persönlich-mündliche Bevölkerungsbefragung im Querschnittdesign (2021–2022) bei 2.247 Erwachsenen (>18 Jahre) mit riskantem und schädlichem Alkoholkonsum entsprechend der Kurzform des ‚Alcohol Use Disorders Identification Test‘ (AUDIT-C; Wert Frauen: 4–12, Männer: 5–12). Jemals-Erhalt hausärztlicher Kurzberatung war definiert als Ratschlag zur Konsumreduktion, mit/ohne Unterstützungsangebot und/oder Empfehlung zur Inanspruchnahme psychologischer/medizinischer Hilfsangebote. Mittels logistischer Regression wurden Zusammenhänge mit Personenmerkmalen analysiert: Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Haushaltsnettoeinkommen, Migrationshintergrund, Wohnregion (städtisch/ländlich), Tabakrauchstatus (aktuell, ehemalig, nie), Alkoholkonsummenge (AUDIT-C-Wert).
Ergebnisse: Insgesamt gaben 6,3% (95% Konfidenzintervall (KI)=5,3%–7,4%) der Befragten an, jemals eine hausärztliche Kurzberatung erhalten zu haben, und 1,6% (95%KI=1,1%–2,1%) ein Unterstützungsangebot und/oder eine Empfehlung für Hilfsangebote. Männer, Ältere (>65 Jahre versus Jüngere), Befragte mit niedrigem und mittlerem (versus hohem) Schulabschluss und geringerem Haushaltseinkommen sowie aktuelle und ehemalige Tabakrauchende hatten relativ häufiger eine Kurzberatung erhalten. Höhere AUDIT-C-Werte waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des Jemals-Erhalts einer Kurzberatung assoziiert (Odds Ratio:1,76 pro Punktwert, 95%KI:1,59–1,95). Etwa jede:r Zweite mit einem AUDIT-C-Wert >9 (=schädlicher Konsum) berichtete den Jemals-Erhalt einer Kurzberatung.
Diskussion: Nur ein kleiner Teil der Menschen in Deutschland mit riskantem oder schädlichem Alkoholkonsum berichtet oder kann sich erinnern, jemals eine hausärztliche Kurzberatung oder ein Unterstützungsangebot zur Reduktion des Alkoholkonsums erhalten zu haben. Höherer Alkoholkonsum ist mit steigender Beratungshäufigkeit assoziiert. Der Erhalt von Kurzberatung scheint mit bestimmten Personenmerkmalen verknüpft.
Take Home Message für die Praxis: Aus präventivmedizinischer Sicht sollten Gründe für die anscheinend geringe Umsetzung der Leitlinienempfehlungen bei riskant Alkoholkonsumierenden exploriert werden sowie Gründe für die Zusammenhänge mit bestimmten Personenmerkmalen.