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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Prädiktoren der medikamentösen Selbstbehandlung in den ersten 7 Tagen nach Sars-Cov2-Impfung: eine prospektive Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Maximilian Blattner - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Jan Hendrik Oltrogge-Abiry - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Ingmar Schäfer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Yvonne Nestoriuc - Helmut-Schmidt-Universität, Klinische Psychologie, Deutschland
  • Claire Warren - Helmut-Schmidt-Universität, Klinische Psychologie, Deutschland
  • Alexandra Tinnermann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Systemische Neurowissenschaften, Hamburg, Deutschland
  • Stefanie Brassen - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Systemische Neurowissenschaften, Hamburg, Deutschland
  • Christian Büchel - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Systemische Neurowissenschaften, Hamburg, Deutschland
  • Dagmar Lühmann - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV-15-06

doi: 10.3205/22degam088, urn:nbn:de:0183-22degam0880

Published: September 15, 2022

© 2022 Blattner et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Angesichts des öffentlichen Interesses und der Berichterstattung zur SARS-CoV-2-Impfung stellt sich die Frage, ob auftretende Impfreaktionen vollständig über die Pharmakodynamik der Impfstoffe erklärbar sind oder zusätzlich Nocebo-Effekte vorliegen, die wiederrum zu Konsequenzen, wie der Einnahme von Medikamenten führen können.

Fragestellung: Gibt es soziodemographische und psychosoziale Faktoren, wie Vorerfahrungen, Erwartungen und Zufriedenheit mit dem Impfablauf, die die Wahrscheinlichkeit einer Selbstmedikation nach der SARS-CoV-2-Impfung erhöhen?

Methoden: App-basierte, prospektive Kohortenstudie am Hamburger Impfzentrum „Messehallen“. Teilnehmerrekrutierung erfolgte vom 16.08.2021–28.08.2021, täglich von 10.00–17.00 Uhr. Einschlusskriterien: einwilligungsfähige, volljährige Personen mit mRNA-Auffrischimpfung. Erfragt wurden Baseline-Prädiktoren und die Selbstmedikation von Impfreaktionen in den ersten sieben Tagen. Multivariate, logistische Regressionsanalyse.

Ergebnisse: Es wurden 1.495 Teilnehmer:innen eingeschlossen, 676 (45,2%) berichteten eine Medikamenteneinnahme zur Symptomlinderung von Impfreaktionen. Eingenommene Substanzen: NSAR 432 (30,9%), Paracetamol 233 (17,5%), ASS 67 (5,2%), Novaminsulfon 21 (1,7%). Die höchste Einnahmerate zeigte sich am zweiten Tag nach Impfung. Die Impfung mit mRNA-1273 im Vergleich zu BNT162b2 war der stärkste Prädiktor für eine Selbstmedikation (OR 2,35; 95%CI:1,77–3,12). Weitere Prädiktoren: weibliches Geschlecht (OR 1,81; 95%CI:1,40–2,35), alleinlebend (OR 0,75; 95%CI:0,56–0,98), subjektives Risiko eines schweren Verlaufs von COVID-19 (OR 0,893; 95%CI:0,82–0,98), subjektives Risiko von Impfreaktionen (OR 1,125; 95%CI:1,034-1,224), sowie Nebenwirkungen bei der Erstimpfung (OR 1,07; 95%CI:1,007–1,13). Der Bildungsstatus, das Alter, die Angst vor Corona, die Zufriedenheit mit dem Impfablauf, sowie andere häufige Gesundheitsprobleme zeigen keinen signifikanten Einfluss auf die Selbstmedikation.

Diskussion: Der Einfluss von Vorerfahrungen aus der Erstimpfung, sowie von subjektiv-empfundenen Risiken, deuten auf Nocebo-Effekte, die unabhängig vom Impfstoff vorliegen und das Verhalten hinsichtlich einer Medikamenteneinnahme beeinflussen können.

Take Home Message für die Praxis: Es gibt psychosoziale Faktoren, die im Rahmen einer Impfaufklärung erfragt werden könnten, die die Wahrscheinlichkeit für eine Medikamenteneinnahme nach der Impfung erhöhen und möglicherweise auf Nocebo-Effekten beruhen.