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56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

15. - 17.09.2022, Greifswald

Inwieweit beeinflussen Ängste vor juristischen Konsequenzen die hausärztliche Tätigkeit?

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Dorothee Oldenburg - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland
  • Christina Jana Strobel - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland
  • Jost Steinhäuser - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 56. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Greifswald, 15.-17.09.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. DocV-03-01

doi: 10.3205/22degam013, urn:nbn:de:0183-22degam0139

Published: September 15, 2022

© 2022 Oldenburg et al.
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Text

Hintergrund: Ärztliche Entscheidungen werden neben Zeitdruck und wirtschaftlichen Zwängen auch durch rechtliche Vorgaben beeinflusst. Diese Vorgaben lösen unter Umständen Befürchtungen aus, die zur sog. ‚Defensivmedizin‘ (hier in der Bedeutung: unnötige, medizinisch nicht indizierte Maßnahmen, die aus Absicherungsgründen durchgeführt werden) führen können.

Fragestellung: Inwieweit beeinflussen Ängste vor juristischen Konsequenzen die hausärztliche Tätigkeit?

Methoden: Ein Online-Fragebogen mit 23 Items wurde auf der Grundlage eines Scoping-Reviews, der Ergebnisse von 10 Interviews mit Ärzt:innen (33% weiblich) und den Erfahrungen der Autor:innen (DO: Juristin, CS: Studierende der Humanmedizin, JS: Facharzt für Allgemeinmedizin) entwickelt. Über den E-Mail-Verteiler des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband und dem allgemeinmedizinischen Listserver wurden im April 2022 bundesweit Hausärzt:innen angeschrieben und einmalig erinnert. Die Analyse erfolgt rein deskriptiv mit SPSS. Die Online-Umfrage läuft noch bis zum 31.05.2022. Die endgültigen Ergebnisse werden auf dem Kongress vorgestellt werden.

Ergebnisse: Bisher konnte ein Rücklauf von 402 Teilnehmenden erzielt werden. Diese waren im Mittel 49 Jahre alt und zu 49% weiblich. 49% der Teilnehmenden fühlten sich (sehr) durch rechtliche Vorgaben in ihrem ärztlichen Handeln beeinflusst. Bei 27% waren Ängste vor juristischen Konsequenzen „ziemlich“ bis „sehr“ ausgeprägt. 17% wurden bereits berufsbezogen zivilrechtlich verklagt. 54% führten mindestens einmal in der Woche eine Laboruntersuchung durch, für die es keine Indikation gab, gefolgt von 45%, die ohne Indikation eine Überweisung ausstellten. Häufigste Gründe für dieses Handeln waren „sich rechtlich absichern zu wollen“ (38%), „die Angst, etwas zu übersehen“ (35%) und „Zeitmangel“ (33%).

Diskussion: Ängste vor juristischen Konsequenzen spielen eine große Rolle im hausärztlichen Alltag und sind ein Faktor, der Defensivmedizin fördert.

Take Home Message für die Praxis: In die ärztliche Aus- und Weiterbildung sollten der Umgang mit Unsicherheit im diagnostischen/therapeutischen Prozess sowie mit Behandlungsfehlern einbezogen werden, um Sorgen vor juristischen Konsequenzen sachlich entgegenzuwirken.