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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Kumulatives Risiko von Sturzverletzungen bei Multimedikation

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Patrick Oehler - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Marietta Rottenkolber - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Annette Härdtlein - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Jonathan Hauff - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Michael Drey - Klinikum der Universität München, Medizinische Klinik und Poliklinik IV, München, Deutschland
  • Jochen Gensichen - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland
  • Tobias Dreischulte - Klinikum der Universität München, Institut für Allgemeinmedizin, München, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-22-04

doi: 10.3205/21degam122, urn:nbn:de:0183-21degam1225

Published: September 17, 2021

© 2021 Oehler et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Der kumulative Effekt von gleichzeitig eingenommenen Fall-Risk-Increasing-Drugs (FRIDs) ist bisher kaum erforscht. Ein vielversprechender Ansatz hierfür ist die Definition von Scores, die auf Patientenebene die Gesamtbelastung mit bestimmten Fall-Risk-Increasing-Adverse-Reactions (FRIARs) quantifizieren.

Fragestellung: Können auf Fachinformationen basierende FRIAR Scores für (1) „Sehstörung“, (2) „Schwindel“, (3) „Vigilanzstörung“, (4) „Hypotension“, (5) „Schwäche“, und (6) „Sturzneigung“ das kumulative arzneimittelbedingte Risiko von Sturzverletzungen abbilden?

Methoden: Datenquelle sind anonymisierte populationsbezogene Daten der Tayside/Fife-Region in Schottland, GB. Das Studiendesign ist eine Fall-Kontroll-Studie, die in einer Kohorte von ≥ 65-jähriger Patienten eingebettet ist. Als Fälle gelten Patienten, die wegen Sturzverletzungen (d.h. Frakturen der Gliedmaßen, des Schulter- und Beckengürtels) hospitalisiert wurden. Kontrollen werden nach Geschlecht, Alter und Datum des Kohorteneintritts gematcht. Die FRIAR-Scores entsprechen der Anzahl gleichzeitig verordneter Wirkstoffe, deren Fachinformation das jeweilige FRIAR als unerwünschte Wirkung listet. Die FRIAR-Scores werden für Fälle und Kontrollen jeweils im Zeitraum von 3 Monate vor Inzidenzdatum ermittelt. Das mit den FRIAR-Scores assoziierte Risiko von Sturzverletzungen wird mittels konditionaler logistischer Regression quantifiziert.

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 13.734 Fälle und gematchte Kontrollen eingeschlossen. In multivariaten Analysen stieg vor allem für die FRIAR-Scores (1) „Sehstörung“, (3) „Vigilanzstörung“ und (6) „Sturzneigung“ das Risiko von Sturzverletzungen parallel zum Score an (Odds Ratio für FRIAR Score ≥2 versus 0: 1,26 (95% KI 1,19–1,34), 1,33 (1,27–1,38) und 1,90 (1,66–2,18)). Im Vergleich hierzu ist die Assoziation mit der Anzahl an Arzneimitteln, die in der Literatur als FRIDs etabliert sind, geringer (OR für Anzahl FRIDS ≥2 versus 0: 1,20 (1,15–1,25)).

Diskussion: Die Studie legt nahe, dass auf Fachinformationen beruhende FRIAR Scores das kumulative arzneimittelbedingte Risiko von Sturzverletzungen abbilden können und in dieser Hinsicht der Identifizierung von als FRIDs etablierten Arzneimitteln überlegen sind.

Take Home Message für die Praxis: Auf Fachinformationen beruhende FRIAR-Scores haben das Potenzial, eine Medikationsoptimierung zur Minimierung des Risikos von Sturzverletzungen zu steuern.