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55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM)

Lübeck, 16. - 18.09.2021

Die Pandemie als Katalysator der digitalen allgemeinmedizinischen Lehre – eine qualitative Interviewstudie

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Marie-Theres Steffen - Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland
  • Stefanie Joos - Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland
  • Roland Koch - Eberhard Karls Universität Tübingen, Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung, Tübingen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. 55. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Lübeck, 16.-18.09.2021. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2021. DocV-01-05

doi: 10.3205/21degam005, urn:nbn:de:0183-21degam0058

Published: September 17, 2021

© 2021 Steffen et al.
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Hintergrund: Die allgemeinmedizinische Lehre in Tübingen wurde vor der COVID-19-Pandemie überwiegend in Präsenzform angeboten. Erste digitale Lehrformate sollten im Sommersemester (SoSe) 2020 pilotiert werden. Durch die Hygienebeschränkungen mussten entgegen der Planung viele Lehrveranstaltungen digitalisiert werden.

Fragestellung: Ziel der Studie ist es, diesen durch die Pandemie angestoßenen Veränderungsprozess der Lehre aus Sicht von Teilnehmenden des "multiperspektivischen Qualitätszirkels für die allgemeinmedizinische Lehre in Tübingen zu verstehen. Hieraus sollen Kenntnisse für den digitalen Wandel der Lehre abgeleitet werden.

Methoden: Die Studienteilnehmenden (N=12) wurden leitfadengestützt im SoSe 2019 und SoSe 2020 zum Thema Digitalisierung interviewt. Das vor und nach dem ersten Digitalsemester erhobene Interviewmaterial wurde mit Grounded Theory ausgewertet. Die Transkripte wurden zunächst offen codiert. Anhand systematischer Fragen wurden Phänomene aus dieser Codierung abgeleitet und schließlich in einer selektiven Kategorie zusammengefasst.

Ergebnisse: Alle Teilnehmenden beschrieben vor der Pandemie Defizite in Bezug auf digitale Lehre. Eine Umstellung darauf war nur kleinschrittig vorstellbar. Die Pandemie führte wie ein Katalysator zu einem umfassenden Veränderungsprozess der universitären Rahmenbedingungen. Die Teilnehmenden beschrieben einen Kompetenzgewinn im Umgang mit digitaler Lehre und damit eine veränderte Einstellung. Persönliches Engagement und universitärer Austausch waren für diesen Transformationsprozess förderlich. Soziale Ungleichheit im Studium wurde deutlicher, z.B. in der Verfügbarkeit von Endgeräten. Die digitalen Lerninhalte erfüllten ihren Zweck, wurden jedoch in Bezug auf professionelle Sozialisationsprozesse als begrenzt beschrieben.

Diskussion: Das „Digitale Semester“ wurde als gelungene Notlösung bewertet. Um zukünftig die Qualität digitaler Formate zu sichern und nachhaltig zu etablieren, sollte digitale Lehre gezielt im Rahmen des Curriculums angeboten werden. Es bietet sich die Chance, die gesammelten Erfahrungen in eine strukturierte Organisation digitaler Formate einfließen zu lassen.

Take Home Message für die Praxis:

  • Die Fülle an Erfahrungen aller Beteiligten sollten im Hinblick auf die Zukunft kritisch reflektiert werden.
  • Aufgrund des mangelnden persönlichen Austauschs sind Aspekte der Professionalisierung nur schwer digital abzubilden.
  • Die allgemeinmedizinische Lehre sollte zukünftig eine Mischung aus digitalen und Präsenzveranstaltungen anbieten.