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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Hochschuldidaktische Qualifizierung in der Medizin III: Aspekte der erfolgreichen Implementierung von Qualifizierungsangeboten: Ein Positionspapier des GMA-Ausschusses Personal- und Organisationsentwicklung für die medizinische Lehre der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung sowie des Kompetenzzentrums für Hochschuldidaktik in Medizin Baden-Württemberg

Faculty development initiatives in Medical Education in German-Speaking Countries: III. Aspects of successful implementation

Positionspapier/position paper Humanmedizin

  • corresponding author Götz Fabry - Albert-Ludwigs-Universität, Medizinische Fakultät, Abteilung für Medizinische Psychologie, Freiburg, Deutschland
  • author Matthias Hofer - Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Arbeitsgruppe Medizindidaktik, Anatomisches Institut II, Düsseldorf, Deutschland
  • author Falk Ochsendorf - Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, Zentrum Dermatologie und Venerologie, Frankfurt/Main, Deutschland
  • author Christian Schirlo - Universität Zürich, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Zürich, Schweiz
  • author Jan Breckwoldt - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Berlin, Deutschland
  • author Maria Lammerding-Köppel - Medizinische Fakultät Tübingen, Kompetenzzentrum für Hochschuldidaktik in Medizin Baden Württemberg, Tübingen, Deutschland

GMS Z Med Ausbild 2008;25(2):Doc84

doi: 10.3205/zma000568, urn:nbn:de:0183-zma0005680

Received: February 14, 2008
Revised: April 7, 2008
Accepted: April 10, 2008
Published: May 15, 2008

© 2008 Fabry et al.
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Zusammenfassung

Eine erfolgreiche Implementierung medizindidaktischer Qualifizierungsmaßnahmen setzt zwingend voraus, dass die Fakultäten nicht nur für entsprechende Angebote, sondern mittelfristig auch für lehrförderliche Rahmenbedingungen sorgen. Dabei müssen sowohl institutionelle Aspekte, die sich aus der Struktur und Funktion der Fakultät als Organisation ergeben als auch individuelle Aspekte der Zielgruppe der Lehrenden berücksichtigt werden. Von institutioneller Seite muss vor allem die für alle sichtbare Unterstützung des Programms sichergestellt werden. Ebenfalls von zentraler Bedeutung ist die Bereitschaft, die medizindidaktische Qualifikation als einen wesentlichen Baustein der akademischen Laufbahn zu bewerten. Im Hinblick auf die Lehrenden geht es vor allem darum, das Angebot bekannt zu machen und seinen Nutzen herauszustellen, was mit Hilfe karrierebezogener Anreize naturgemäß leichter ist.

Schlüsselwörter: Medizindidaktik, Personal- und Organisationsentwicklung, Übernahme von Innovationen, Veränderungsmanagement

Abstract

To implement faculty development programs successfully it is absolutely essential that medical schools do not only provide adequate courses but do also offer surrounding conditions conducive to teaching. Institutional aspects that arise from structure and function of the medical school as an organisation as well as individual aspects that refer to the target group of medical teachers have to be taken into account. Looking at the institutional aspects it is especially important that official support of the program is assured and visible for everybody. Another institutional requirement is that expertise in teaching is regarded as an integral component of academic careers in medical education. Regarding medical teachers it is important to make faculty development programs known to them and to emphasise their benefit which is of course a lot easier by means of career incentives.

Keywords: Medical Education, Faculty Development, Diffusion of Innovations, Change Management


Zielsetzung und Fragestellung

Im ersten Teil dieser Artikelserie wurden die Hintergründe skizziert, die zu einem größeren Bedarf an hochschuldidaktischen Qualifizierungsangeboten in der Medizin geführt haben. Außerdem wurden aktuell bestehende Programme im deutschsprachigen und europäischen Raum orientierend dargestellt [13]. Im zweiten Teil wurde der Frage nach dem grundsätzlichen Ausbildungsbedarf der Fakultäten nachgegangen und Mindestanforderungen an eine strukturierte hochschuldidaktische „Basisqualifikation“ formuliert [12].

Im vorliegenden dritten Teil steht die folgende Frage im Mittelpunkt: Wie lassen sich hochschuldidaktische Qualifizierungsangebote an den Medizinischen Fakultäten erfolgreich implementieren? Ziel dieses Artikels ist es, auf der Grundlage einschlägiger Literatur zur Übernahme innovativer Angebote sowie zum Management von Veränderungsprozessen anhand einiger konkreter Beispiele aus der Praxis Faktoren zu beschreiben, die für die Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten besonders wichtig sind. Wie in den vorangegangenen Artikeln auch beziehen sich die Überlegungen dabei auf die Ebene einer grundständigen medizindidaktischen Ausbildung, wie sie für alle Lehrende an Medizinischen Fakultäten relevant ist.

Die Frage nach der Messbarkeit von Wirksamkeit und Erfolgen solcher Programme wird in einem vierten Teil bearbeitet werden.


Methodik

Ergänzend zu den bereits im ersten Teil genannten Quellen sind zusätzlich die Ergebnisse eines Workshops des GMA-Ausschusses „Personal- und Organisationsentwicklung in der Lehre“ eingearbeitet worden, der im Rahmen der GMA-Tagung in Köln im November 2006 stattfand. Die Ergebnisse liefern daher keinen repräsentativen Überblick zum Stand der Umsetzung medizindidaktischer Qualifizierungsangebote an deutschsprachigen Fakultäten, sie sind vielmehr qualitativer Art und beschreiben typische Aspekte der Implementierung.


Ergebnisse

Probleme bei der Implementierung von hochschuldidaktischen Qualifizierungsangeboten an den Medizinischen Fakultäten

Die Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten findet in einem komplexen Spannungsfeld statt, dass von verschiedenen Interesselagen und Akteuren beeinflusst wird [13]. Bereits die Rolle der medizinischen Fakultäten in diesem Prozess ist vielschichtig. Sie treten einerseits als Anbieter oder zumindest als Vermittler solcher Angebote auf. Andererseits beeinflussen sie aber auch die Nachfrage, indem sie etwa durch entsprechende Vorgaben in der Habilitationsordnung festlegen, ob und wenn ja in welchem Umfang medizindidaktische Qualifikation für die akademische Karriere obligatorisch sind. In der Praxis zeigt sich, dass die Gesamtstrategie einer Fakultät dabei keineswegs einheitlich und widerspruchsfrei sein muss. So ist durchaus zu beobachten, dass etwa die mit der Gestaltung der Lehre befassten Instanzen (Studiendekan, Studienkommission, etc.) oder auch das Landesministerium eine umfassende Implementierung medizindidaktischer Angebote fördern wollen und bei den Lehrenden entsprechend dafür werben, während andere Instanzen oder Gremien dem unentschiedener oder gar ablehnend gegenüber stehen. Mitunter werden obligatorische didaktische Qualifizierungsmaßnahmen auch als zusätzliche Belastung des ohnehin schon überstrapazierten wissenschaftlichen Nachwuchses empfunden. In einer solch widersprüchlichen Situation spielen individuelle Faktoren auf Seiten der Lehrenden (z.B. primäres Interesse an den Inhalten, positive oder negative Erfahrungen in der Lehre) eine umso größere Rolle für die Frage, ob sie von den Angeboten Gebrauch machen oder nicht. Schließlich wird das Geschehen auch noch von politischer Seite durch Verordnungen und finanzielle Steuerungsinstrumente beeinflusst. Hier wird einerseits die gesellschaftliche Notwendigkeit einer hochwertigen Ausbildung für Ärzte betont, andererseits aber auch das Interesse an international konkurrenzfähigen Universitäten.

Wie lassen sich hochschuldidaktische Qualifizierungsangebote an den Medizinischen Fakultäten erfolgreich implementieren?

Hinsichtlich der Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten müssen daher mindestens zwei Ebenen unterschieden werden: eine institutionelle und eine individuelle. Auf der Ebene der institutionellen Implementierung steht die Frage im Vordergrund, wie es gelingen kann, medizindidaktische Qualifizierungsangebote an einer Fakultät so zu verankern, dass sie als selbstverständliche oder sogar obligatorische Schritte einer akademischen Karriere wahrgenommen werden, wie die wissenschaftliche Qualifikation auch. Auf der individuellen Ebene geht es darum, die Lehrenden dazu zu bewegen, medizindidaktische Qualifikationsangebote in Anspruch zu nehmen. Beide Ebenen sind in vielfältiger Weise miteinander verbunden: Institutionelle Vorgaben, z.B. der Nachweis medizindidaktischer Qualifikation als Voraussetzung für die Habilitation, sind starke Anreize, entsprechende Angebote zu nutzen. Umgekehrt kann aber auch eine „kritische Masse“ an medizindidaktisch ausgebildeten Lehrenden zu einem Bewusstseinswandel in der Fakultät führen, der zu entsprechenden Veränderungen auf institutioneller Ebene führt.

Angesichts dieser komplexen Gesamtsituation ist die Orientierung an Modellen hilfreich. Nachfolgend werden daher zum einen die von Rogers beschriebenen Konzepte zur Übernahme (Diffusion) von Innovationen herangezogen [15]. Zusätzlich wird auf Modelle zurückgegriffen, die sich mit dem Management von Veränderungsprozessen befassen [6] sowie mit erfolgreichen Reformen im Bereich der medizinischen Lehre [2], [3]. Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass sie komplexe Vorgänge stark vereinfachen und jeweils unterschiedliche Aspekte (z.B. das Verhalten potentieller Nutzer, Charakteristika der jeweiligen Maßnahmen, Schlüsselstellen des Prozesses) pointiert herauszuarbeiten versuchen. Sie beschreiben damit die typischen Merkmale komplexer zeitlicher Verläufe und ermöglichen so eine Handlungsorientierung sowie die Vorwegnahme von potentiellen Schwierigkeiten und Konflikten. Ob solche Modelle allerdings in der jeweiligen Anwendungssituation angemessen sind, muss am konkreten Fall überprüft werden. Daher werden die konzeptionellen Überlegungen durch Erfahrungsberichte aus der Praxis an deutschsprachigen Fakultäten ergänzt, die zwar keinen repräsentativen Querschnitt darstellen, aber dennoch auf wichtige Schlüsselstellen und Fallstricke des Implementierungsprozesses hinweisen können.

Medizindidaktische Qualifizierungsangebote als Innovationen

Da medizindidaktische Qualifizierungsangebote bislang in der Praxis wenig verbreitet waren, können sie durchaus als Innovationen verstanden werden. Für die Frage, wie schnell, wie umfassend und wie nachhaltig Innovationen in die alltägliche Praxis übernommen werden, sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend. Zum einen sind es die Eigenschaften des jeweiligen Angebots selbst, die den Prozess der Implementierung beeinflussen. Zum anderen ist aber auch die Einstellung der potentiellen Nutzer dem Angebot gegenüber von Bedeutung, auf die wiederum individuelle Faktoren sowie Umwelt-Faktoren einwirken. Daher müssen Innovationen nicht unbedingt willkommen sein, selbst wenn ihre Vorteile offensichtlich zu sein scheinen. So müssen sich auch die Organisatoren eines Didaktikprogramms darauf einstellen, dass einige Lehrstuhlinhaber und vielbelastete Fakultätsmitglieder Widerstand gegen das Qualifizierungsprogramm leisten werden (Konflikte um Zeit und Kosten, konkurrierende Interessen der Forschung und der Krankenversorgung, Unerfahrenheit, Widerstand gegen eine nicht-akzeptierte offizielle Anordnung vgl. [14]). Nach dem von Rogers vorgeschlagenen Modell zur Diffusion von Innovationen sind es die in Tabelle 1 [Tab. 1] aufgeführten Eigenschaften eines Produkts oder einer Maßnahme, anhand derer ein Anwender entscheidet, ob er davon Gebrauch machen wird oder nicht. Erfahrungsgemäß spielen für die Implementierung medizindidaktischer Qualifizierungsangebote insbesondere die Vereinbarkeit, der relative Vorteil und die Sichtbarkeit eine entscheidende Rolle.

Vereinbarkeit...

... mit dem Arbeitsalltag

Für die Lehrenden stellt sich zunächst die Frage, in wieweit die Qualifizierung selbst mit ihrem Arbeitsalltag vereinbar ist, wie sich etwa die dazu notwendige Freistellung von der Arbeit, die anteilige Finanzierung etc. gestaltet. Gerade in der Regelung solcher organisatorischer Details drückt sich für viele Lehrende bereits die Wertschätzung aus, die von Seiten der Fakultät den medizindidaktischen Angeboten und damit auch dem Engagement für die Lehre insgesamt entgegengebracht wird. Während bei wissenschaftlichen Veranstaltungen sowie bei CME-Fortbildungsangeboten der persönliche Nutzen unmittelbar ersichtlich ist, wird die medizindidaktische Qualifizierung erfahrungsgemäß eher als Dienst für die Abteilung bzw. die Fakultät verstanden, so dass hier auch die Erwartungen an eine finanzielle Unterstützung größer sind.

... mit der beruflichen Praxis

Zählt man zur Implementierung neben den eigentlichen Qualifizierungsmaßnahmen auch noch die Übernahme der neu erworbenen Kompetenzen in die berufliche Lehrpraxis, dann stellt sich zusätzlich die Frage, in wieweit das Vermittelte mit der Alltagssituation vereinbar ist. Dabei sind vor allem die Rahmenbedingungen von den einzelnen Lehrenden oft nur schwer zu beeinflussen, etwa die Organisation des Stundenplanes, Gruppengrößen in Veranstaltungen, Ausstattung von Seminarräumen usw.

Aber auch andere Aspekte spielen hier eine Rolle, z.B. wie viel Zeit für die Lehrveranstaltung überhaupt aufgewandt werden kann oder ob zeitgleich auch noch andere Aufgaben in der Krankenversorgung abzudecken sind, ob Dienstzeit nicht nur für deren Durchführung, sondern auch für deren Vorbereitung zur Verfügung steht.

Eine erfolgreiche Implementierung medizindidaktischer Angebote setzt also zwingend voraus, dass die Fakultäten nicht nur für die entsprechenden Angebote, sondern mittelfristig auch für angemessene Rahmenbedingungen sorgen.

Aus der Praxis:

  • Baden-Württemberg: Die ersten mehrtägigen Kurse am Kompetenzzentrum Medizindidaktik wurden auf ausdrücklichen Wunsch des Studiendekans von Freitag bis einschließlich Sonntag durchgeführt, um die Störungen des dienstlichen Alltags möglichst gering zu halten. Nachdem einerseits den Kursen zunehmend ein guter Ruf vorauseilte und andererseits der Widerstand der Teilnehmer gegen Wochenendtermine stetig zunahm, konnten mit Zustimmung der Fakultätsleitung die Termine jetzt in die Woche gelegt werden. Jeder spätere Versuch, einzelne Kurse wieder auf das Wochenende zu legen, führte dazu, dass sich für diese Kurse zu wenige Interessenten anmeldeten.
  • Berlin: 2001 wurde die Habilitationsordnung der Charité dahingehend geändert, dass eine 20-stündige medizindidaktische Fortbildung zur Pflicht wurde. Dieser Pflicht-Kurs löste starke Widerstände aus, da er aus Sicht vieler Teilnehmer hinsichtlich der jeweiligen Universitätslaufbahn 10 Jahre zu spät lag. Als Konsequenz wurde dieser Kurs dann als Basis-Training für alle neuen Mitarbeiter verbindlich eingeführt, untermauert durch einen Fakultätsratsbeschluss. Das Basis-Training findet nun an zwei Werktagen statt, für welche die jeweilige Institution die Mitarbeiter aus dem Routine-Betrieb freistellen muss.
  • Düsseldorf: Um die o.g. Wertschätzung und den Stellenwert medizindidaktischer Fortbildungen zu unterstreichen, wurde per Fakultätsratsbeschluss festgelegt, dass die Teilnahme als Dienstzeit zu werten ist, eine vollständige Befreiung von anderen Pflichten (Labor, Klinik, kein Pieper!) erfolgen muss und die zweitägigen Trainings an normalen Wochentagen (meistens Mo/Di oder Do/Fr) stattfinden.
  • Frankfurt: Die ersten Kurse fanden innerhalb der Woche statt. Einzelne Teilnehmer wurden hierzu nicht freigestellt und mussten Urlaub nehmen. Als Kompromiss werden die Kurse jetzt jeweils freitags und samstags durchgeführt, so dass jede Partei einen Teil „ihrer“ Zeit investieren muss. Dies wird bisher gut akzeptiert.
  • Zürich: Bei der Einführung der Qualifizierungsangebote vor allem für die Habilitierenden wurden ebenfalls Kursmodule von höchstens 2 Tagen Dauer durchgeführt und die Termine mit Rücksichtnahme auf den klinischen Betrieb gewählt, d.h. unter Einschluss des „Fortbildungsnachmittags am Donnerstag“. Bei den so genannten Einführungsmodulen für neue Dozierende wird bei einer genügend großen Anzahl von Teilnehmenden der Kurs auch auf Wunsch in den Räumlichkeiten der Klinik, teilweise auch in auswärtigen Spitälern organisiert.
Relativer Vorteil

Die Frage, welcher Vorteil mit medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten verbunden ist, stellt sich nicht nur aus Sicht der einzelnen Lehrenden, sondern auch auf der Ebene der Abteilungen und der Fakultät insgesamt. Für die Lehrenden können zu den Vorteilen eine größere Sicherheit und Zufriedenheit mit der Lehre gehören. Neben solchen intrinsischen Faktoren spielen aber auch extrinsische Anreize eine wichtige Rolle, die sich mit der Frage, „lohnt sich der Aufwand für mich?“, zusammenfassen lassen.

Während diese Frage auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Tätigkeit mit Unsicherheiten behaftet ist, ist dennoch der Karriereweg über Promotion, Habilitation und damit die Aussicht auf attraktive Stellen einigermaßen einschätzbar. Für zusätzliches Engagement in der Lehre gilt das bislang noch nicht. Zwar sind an einigen Fakultäten bereits teilweise sogar dotierte Lehrpreise etabliert, aber die wichtige Frage, ob medizindidaktisches Engagement auch karriereförderlich ist, muss derzeit noch mit einem Fragezeichen versehen werden, um es vorsichtig zu formulieren. Eine Berücksichtigung besonderer Lehrqualifikationen für die Anforderungen zur Habilitation wird zwar in immer mehr Fakultäten umgesetzt, attraktive Karriereperspektiven fehlen aber noch. So ist z.B. das „Baden-Württemberg Zertifikat für Hochschuldidaktik“ ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Auch wenn sich sein „Wert“ noch nicht genau beziffern lässt, zeichnet sich bereits ab, dass es bei Stellenbesetzungen und Berufungsverfahren berücksichtigt wird und bei ansonsten ähnlich qualifizierten Bewerbern den Ausschlag geben kann. Die angedachten Lehrprofessuren, die entsprechende Lehrqualifikationen voraussetzen, sind aus Sicht zahlreicher Lehrender hoffnungsvolle neue Perspektiven. Ob sie sich allerdings als gleichwertige oder zumindest akzeptable Alternative zu Forschungsprofessuren durchsetzen werden, bleibt abzuwarten.

Zusätzlich ist für die Implementierung medizindidaktischer Qualifizierungsmaßnahmen wichtig, dass nicht nur die Lehrenden selbst, sondern auch ihre Vorgesetzten bzw. die Fakultät insgesamt Vorteile (z.B. finanzielle, siehe unten) oder zumindest keine Nachteile sehen. Nur bei relativen Vorteilen kann, in Konkurrenz zu Forschung und Patientenversorgung, die Freigabe von Ressourcen für die Lehre bzw. für medizindidaktische Qualifizierung erwartet werden.

Aus der Praxis:

  • Baden-Württemberg: Hintergrund für das Qualifizierungsangebot war zunächst der Tübinger Studienplan 2000, dessen Umsetzung eine entsprechende Schulung der Lehrenden erforderte. In einer Masterthese zum „Master of Medical Education“ Bern (2000) wurden Programm und Umsetzungsstrategien entworfen. Das Wissenschaftsministerium griff das Tübinger Projekt auf, lieferte politische sowie finanzielle Unterstützung und machte eine universitätsübergreifende Umsetzung zur Auflage. Die positive Bewertung durch die landesweite externe Evaluation der medizinischen Lehre (BEMA-Kommission 2001) gab weiteren Auftrieb. Das Programm war damit politisch gewollt, kostete die beteiligten Fakultäten aufgrund der Anschubfinanzierung zunächst einmal fast „nichts“ und unterstützte die angestrebte Studienreform in Tübingen. Außerdem wurde das Projekt als „Experiment“ eingeführt. Experimente können bei Unwirksamkeit beendet werden und lösen somit weniger vorbeugende Ablehnung aus (vgl. „Testbarkeit“, siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Besonders förderlich war die Änderung der Habilitationsordnung, in der die Teilnahme an der medizindidaktischen Basisqualifikation als Voraussetzung für die Habilitation festgeschrieben wurde. Seit 2003 kamen zusätzliche finanzielle Anreize durch die leistungsorientierte Mittelvergabe hinzu: So werden in Baden-Württemberg die „Personentage“, die pro Abteilung in medizindidaktische Qualifizierungsmaßnahmen investiert werden, als Parameter für die externe (d.h. im Vergleich aller fünf baden-württembergischen Fakultäten untereinander), teilweise aber auch für die fakultätsinterne leistungsbezogene Mittelvergabe herangezogen. Auch wenn diese Summen gemessen an manchem Drittmittelaufkommen noch sehr gering sind, so besteht dadurch dennoch ein Anreiz sowohl auf Abteilungsebene als auch auf Fakultätsebene, die medizindidaktische Qualifizierung zu fördern.
  • Berlin: Obwohl das Basis-Training eine Pflichtveranstaltung ist, wurde es von den Teilnehmern extrem hoch geschätzt, mit Gesamt-Evaluations-Ergebnissen um die 90%. Unter den Teilnehmern hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die erworbenen Fertigkeiten auch für andere berufliche Bereiche nutzbar sind, wie Patienten-Kommunikation, Konfliktlösungsstrategien, Präsentationstechniken. Die entsendenden Institutionen werden für jeden anwesenden Mitarbeiter zusätzlich mit einem LOM-Bonus belohnt.
  • Frankfurt: Begonnen wurden die Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen eines vom Fachbereich geförderten „Projekts zur Verbesserung der Lehre“ (= Experiment). Als diese Kurse gut evaluiert wurden, gelang es, die Teilnahme als Voraussetzung für die Habilitation in die gerade neu bearbeitete Habilitationsordnung aufzunehmen. Inzwischen nehmen die Teilnehmer primär wegen dieser Notwendigkeit an den Kursen teil, schätzen aber danach den persönlichen Lernzuwachs. Ein Karrierevorteil wird bisher nicht abgeleitet.
  • NRW: Von den Medizindidaktikern in NRW wurde in Abstimmung mit den Studiendekanen ein Kriterienkatalog mit Mindestanforderungen an medizindidaktische Trainings verabschiedet, der im Rahmen der Landesakademie für Medizinische Ausbildung (LAMA) NRW eine standortübergreifende Anerkennung und Zertifizierung innerhalb NRWs ermöglichen wird. Mehrere Fakultäten in NRW (Düsseldorf, Essen und Köln) erwarten inzwischen die Teilnahme an medizindidaktischen Fortbildungen als Voraussetzung zur Habilitation. Die Studiendekane NRWs haben im Rahmen eines Positionspapiers [9] Kriterien für die leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) für die Lehre vereinbart.
  • Zürich: Neben den bereits genannten Faktoren – insbesondere auch der Berücksichtigung der Lehre in der fakultätsinternen leistungsorientierten Mittelvergabe – war ein wesentlicher fördernder Faktor die Aufnahme einer didaktischen Qualifikation in das Habilitationsreglement und – in größerem Umfang – auch in das Reglement für die neue akademische Laufbahn der „Klinischen Dozierenden“. Von Seiten der Teilnehmenden wurde zudem als Vorteil die spezifische Ausrichtung der durch die medizinische Fakultät organisierten Kursmodule auf das reformierte Curriculum / auf neue Lehrveranstaltungsformate gewertet. Dies führte erfreulicherweise auch dazu, dass nach problematischen Resultaten in der Lehrevaluation Kliniken / Institute fallweise spezifische Kursmodule nachfragen. Als weiterer Vorteil für die einzelnen Dozierenden spielt letztlich auch die Lehrvergütung eine Rolle; hier werden mittlerweile die Klinischen Dozierenden in gleicher Höhe wie die habilitierten Privatdozierenden vergütet.
Sichtbarkeit

Die Darstellung und Kommunikation medizindidaktischer Qualifizierungsangebote und ihrer positiven Konsequenzen innerhalb der Fakultät/Universität aber auch nach außen, spielt zwar insgesamt eine zentrale Rolle für die Implementierung, hinsichtlich der Sichtbarkeit ist sie aber das entscheidende Kriterium überhaupt. Die Sichtbarkeit bezieht sich nicht nur darauf, überhaupt bekannt zu machen, dass es medizindidaktische Qualifizierungsangebote gibt, sondern vor allem auch darauf, dass erkennbar wird, welche Ergebnisse damit auf individueller Ebene, auf Abteilungsebene aber auch für die Fakultät insgesamt verbunden sind. Während es selbstverständlich ist, in entsprechenden fakultäts- oder universitätsinternen Publikationen aber auch allgemein in den Medien auf besondere wissenschaftliche Entwicklungen, Preise und Auszeichnungen hinzuweisen und die daran beteiligten Personen zu porträtieren, gilt das für die Lehre noch nicht gleichermaßen. Und so erfährt man auch über medizindidaktische Qualifikationen zumeist weit weniger als über die wissenschaftlichen Verdienste der Fakultätsmitglieder, was wiederum zu dem Schluss verleiten kann, dass es nur oder überwiegend auf das Letztere ankäme.

Aus der Praxis:

  • Baden-Württemberg: (1) Als überschaubares Pilotprojekt fand der erste Basiskurs im WS 2001/02 mit Teilnehmern aus allen beteiligten Fakultäten in Tübingen statt. Die Kurszahl wurde bis 2005 kontinuierlich entsprechend der Nachfrage gesteigert. Über Verlauf und Ergebnisse wurde jedes Mal ausführlich in Fakultätsgremien und beim landesweiten Tag der Lehre berichtet. Besonders überzeugend waren dabei die Erfahrungsberichte von angesehenen Fakultätsmitgliedern, die an einem Didaktikkurs des Kompetenzzentrums teilgenommen hatten. Die gleich bleibend hohe Qualität der Kursangebote, die Erfahrung des persönlichen Lernerfolgs wie auch der gute Beratungs- und Betreuungs-Service sorgten dauerhaft für eine wirksame Mund-zu-Mund-Propaganda. (2) Die feierliche Übergabe der ministeriellen Baden-Württemberg Zertifikate, die in den letzten zwei Jahren in einer öffentlichen Zeremonie und in Anwesenheit wichtiger Entscheidungsträger der medizinischen Fakultäten, Universitäten und des Landes durchgeführt wurde, sorgte jeweils in den Tagen danach zu einem eklatanten Anstieg der Kursanmeldungen.
  • Berlin: Im Jahres-Lehrbericht werden die am stärksten engagierten Kliniken und Institute bei der Entsendung von Mitarbeitern zum Basis-Training genannt (jeweils bezogen auf ihre Mitarbeiterzahl). Mittelfristig ist ein „Führerschein Lehre“ geplant, ohne den kein Unterricht abgehalten werden darf.
  • Zürich: Die Konzeption der verschiedenen medizindidaktischen Qualifizierungsangebote wie auch deren Begleitung und Auswertung werden in einer offiziellen fakultären Kommission, der Kommission Lehre, wahrgenommen; diese Kommission wiederum berichtet direkt der gesamten Fakultätsversammlung. Die Sichtbarkeit der Qualifizierungsangebote wird auch dadurch verbessert, dass der neue akademische Titel der „Klinischen Dozierenden“, der im Rahmen des vorzulegenden „Educational Portfolio“ explizit eine standardisierte Qualifikation beinhaltet, auf Vorschlag der Fakultätsversammlung durch die erweiterte Universitätsleitung verliehen wird.
Die Einstellung der potentiellen Nutzer

Neben den Faktoren, die sich auf die Angebote selbst beziehen werden auch die Einstellungen der potentiellen Nutzer als ein wesentlicher Faktor dafür angesehen, wie die Implementierung einer Innovation verläuft. Dabei wird angenommen, dass sich Personen, etwa aufgrund ihrer Interessen und Motivation, grundsätzlich darin unterscheiden, ob und wenn ja wie schnell sie von einer Innovation Gebrauch machen. In dem von Rogers entworfenen Modell wird diesbezüglich eine Normalverteilung angenommen, die in Abbildung 1 [Abb. 1] dargestellt ist.

Übertragen auf den Bereich medizindidaktischer Qualifizierungsmaßnahmen lassen sich dazu die folgenden Überlegungen anstellen: Zu den Innovatoren gehören Personen, die sich ohnehin für die Lehre interessieren und diesbezüglich eine hohe intrinsische Motivation haben. Daher sind sie auch bereit, eigene Ressourcen zu investieren, selbst dann, wenn sie zunächst keine weitere Gratifikation (z.B. Karrierevorteile) erwarten können. Auch die Early Adopters sind hauptsächlich intrinsisch motiviert, unter ihnen finden sich nicht selten wichtige Meinungsbildner, die gewissermaßen mit gutem Beispiel vorangehen, um damit dem Prozess zusätzliche Dynamik zu verleihen. Dies können etwa Abteilungsleiter oder mit übergeordneten Lehraufgaben betraute Personen sein, die dann aus eigener positiver Erfahrung andere zur Teilnahme an medizindidaktischen Qualifizierungsprogrammen motivieren.

Diese beiden Gruppen, die bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt bereit sind, innovative Maßnahmen mitzutragen, stellen die sogenannte kritische Masse dar, die erforderlich ist, damit ein Angebot überhaupt Aussicht darauf hat, sich dauerhaft zu etablieren. Denn die „frühe Mehrheit“ ist zwar zu Veränderungen bereit, aber durchaus skeptisch und abwartend. Für diese Personen ist es besonders wichtig, dass sie zusätzlich motiviert werden, indem sie etwa sehen (Sichtbarkeit), welche positiven Konsequenzen (relativer Vorteil) mit einer didaktischen Weiterbildung verbunden sind.

Für die „späte Mehrheit“ reichen solche Anreize allerdings nicht aus. Diese Gruppe kommt nur dann, wenn sie wirklich muss, das heißt, wenn z.B. entsprechende Qualifikationen durch die Habilitationsordnung verlangt werden. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass auch die Angehörigen der „späten Mehrheit“ medizindidaktischen Angeboten nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber stehen, sondern dass sie sich etwa aufgrund konkurrierender Aufgaben nicht in der Lage sehen, solche wahrzunehmen, es sei denn, es gibt wirklich „handfeste“ Argumente dafür. Dies ist insofern wichtig, als diese Personen, wenn sie erst einmal dabei sind, durchaus Interesse und Motivation für die Inhalte entwickeln können und zur Mitarbeit bereit sind, was aufgrund ihrer anfänglichen Zurückhaltung vielleicht zunächst als fraglich erscheinen könnte. Wirklich schwer zu überzeugen, weil sie die vorgeschlagene Veränderung grundsätzlich ablehnen, ist nur eine kleine Gruppe, die etwas abwertend als „Laggards“ – „Zauderer“ beschrieben werden. Besonders wichtig ist es, sich durch diese Begrifflichkeit nicht verleiten zu lassen, die zurückhaltende Einstellung dieser Personen primär negativ zu sehen. Denn möglicherweise artikulieren sie mit ihren Bedenken wichtige Kritikpunkte, die auf bestimmte, bislang vielleicht übersehene Schwierigkeiten hinweisen, die gezielte Lösungsstrategien erfordern [4]. Schon deshalb muss ihnen im Grunde mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden als den Innovationsfreudigeren.

Verlauf und Dynamik des Implementierungsprozesses

Neben den Charakteristika einer Innovation und der individuellen Neigung potentieller Nutzer, Innovationen zu übernehmen, ist noch ein drittes Element zum besseren Verständnis der Implementierung hilfreich, nämlich der Verlauf und die Dynamik des Prozesses selbst. Hier lassen sich typische Stadien oder Stufen beschreiben, die jeweils durch andere Aspekte charakterisiert sind und daher unterschiedliche Handlungsstrategien erfordern. Für den Kontext der Implementierung medizindidaktischer Qualifikationsmaßnahmen sind neben den von Rogers formulierten Stufen insbesondere die von Hall und Hord [8] beschriebenen Stadien bedeutsam, aus denen sich bereits konkrete Interventionsstrategien für den Implementierungsprozess ableiten lassen (siehe Tabelle 2 [Tab. 2]). Die Übersicht macht unmittelbar deutlich, welche zentrale Bedeutung der Information im gesamten Prozess zukommt. Zu Beginn sind es vor allem allgemeine Informationen, mit denen auf den Bedarf für Veränderungen bzw. den Nutzen, die Vor- und Nachteile des Angebots aufmerksam gemacht werden muss. Je weiter der Prozess fortschreitet, umso spezifischer wird auch der Informationsbedarf, der sich jetzt häufig auf aktuell bei der Umsetzung in der Praxis erfahrene Schwierigkeiten bezieht. Daher sind zu diesem Zeitpunkt sogenannte „Change agents“ – „Veränderungsmakler“ besonders wichtig [7], [11]. Ihre Aufgabe ist es, konkrete Anleitung und Hilfestellung bei der Umsetzung in den Alltag, in die Praxis zu geben. Aus dieser Überlegung ergibt sich, dass es von Vorteil ist, wenn eine Fakultät, die selbst keine medizindidaktische Qualifizierungsangebote macht, zumindest lokale Ansprechpartner hat, die für solche Aufgaben qualifiziert sind, z.B. durch einen Master in Medizinischer Ausbildung (MME, MME-D).

Aus der Praxis:

  • Baden-Württemberg: Unterstützt durch Programmleitung und -beauftragte informierten die Studiendekane an den beteiligten Fakultäten Tübingen, Freiburg und Ulm über die Entwicklung des Projektes und die nächsten notwendigen Schritte. Die Form der Kommunikation wurde dem Usus an den verschiedenen Fakultäten angepasst: schriftliche und mündliche Informationen, ad hoc Diskussionen, regelmäßige kurze Berichte in Fakultätsgremien und Fakultätsmedien (Klinikumsjournal, „Newsletter“, „Offener Brief aus dem Studiendekanat“ usw.). Flächendeckende Informationsvermittlung durch Email und Internet wurden überlegt eingesetzt, um Übersättigung zu vermeiden. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, die Informationen praxisrelevant, möglichst kurz und prägnant zu präsentieren. Mit zunehmender Konsolidierung des Programms gewann neben dem hohen Standard der Angebote zunehmend auch die bedarfsorientierte individuelle Beratung an Bedeutung. Vor allem die zuverlässige Erreichbarkeit und Qualität der zentral am Kompetenzzentrum durchgeführten persönlichen Beratung sowie der informelle Austausch mit den Trainern während der Kurse waren für Nachhaltigkeit und Marketing des Programms wichtig. (Vgl. Schöll: „Auch wenn das Internet zunehmend mengenmäßig unbegrenzte Auskunftsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, so ist die persönliche Auskunft über Telefon oder im direkten Gespräch immer noch diejenige, die eine direkte Interessentenbindung ermöglicht. Um dese Bindung aber auch dauerhaft wirksam werden zu lassen, muss die Beratungsqualität möglichst umfassend sein.“ [16])
  • Düsseldorf: Die Teilnehmerzahlen an den medizindidaktischen Trainings sind sprunghaft angestiegen, als nicht nur die Kliniks- und Institutsleiter, sondern alle akademischen Lehrpersonen Jahresprogramme mit den Terminen und Schwerpunkten der einzelnen Trainings in ihre Postfächer gelegt bekamen. Eine weitere Steigerung des Bekanntheitsgrades wurde durch Artikel und Berichte in der Uni-internen Zeitschrift erzielt. Als wesentliches Informationsmedium hat sich die kursbegleitende Website erwiesen, die detaillierte Informationen zu Lernzielen, Schwerpunkten, Vor- und Nachbereitung der Workshops mit anschließenden, bewerteten Lehrhospitationen liefert.
  • Zürich: Auch in Zürich spielte und spielt die Kommunikation mit den Instituten und Kliniken wie auch mit den vielen in den klinischen Studienjahren involvierten Spitälern und in eigener Praxis niedergelassenen Lehrbeauftragten eine wesentliche Rolle. Die Informationen über die medizindidaktischen Qualifizierungsangebote werden jedes Semester neu breit kommuniziert; gerade auch im Bereich der niedergelassenen Lehrbeauftragten führte dies dazu, dass hier eigene, spezifisch auf den Praxisbereich ausgerichtete Qualifizierungsangebote durchgeführt wurden. Als weiterer Hinweis auf die sich positiv entwickelnde Dynamik der Implementierung mag gewertet werden, dass bei Berufungen von Lehrstühlen, die maßgeblich in der Lehre beteiligt sind, nach einem erfolgreichen Pilotprojekt neu auch neben der eigentlichen Probevorlesung eine kurze Lehrveranstaltungssequenz von allen Kandidatinnen und Kandidaten durchgeführt werden muss. Die Qualität der Lehrveranstaltung und die didaktische Kompetenz wird durch Studierende und das Studiendekanat evaluiert und eine Empfehlung zuhanden der Berufungskommission abgegeben.

Implementierung als institutioneller Veränderungsprozess

Ausgehend von der Tatsache, dass ein Großteil geplanter Veränderungen in der Praxis scheitert, werden in der aktuellen Literatur Veränderungsprozesse zunehmend als nur bedingt planbare, komplexe Vorgänge verstanden, die mit einfach linearen Modelle nicht zu erfassen sind [5], [10]. Viel sinnvoller erscheint es dagegen, aus empirischen Analysen erfolgreicher Veränderungen pragmatische Maximen abzuleiten, die zwar nicht im eigentlichen Sinn generalisierbar sind, die aber dennoch auf wichtige Schlüsselstellen des Managements von Veränderungsprozesse hinweisen können. Zur Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten ist bislang allerdings sowohl international als auch im deutschsprachigen Raum nur wenig veröffentlicht worden. Eine der wenigen direkten Quellen dazu ist die Monographie zur Personalentwicklung in der medizinischen Lehre von Bland et al. [2]. Für die dort enthaltenen Richtlinien zur Implementierung von solchen Programmen haben die Autoren fünf erfolgreiche Beispiele an US-amerikanischen Fakultäten analysiert. Inhaltlich zeigen sich dabei einige Überschneidungen zu den ebenfalls von Bland et al. [3] publizierten Faktoren für erfolgreiche curriculare Reformen, was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass medizindidaktische Qualifizierungsangebote ein wesentliches Element solcher Reformen sind. Tabelle 3 [Tab. 3] fasst auf der Grundlage dieser Publikationen, die wichtigsten Faktoren für die erfolgreiche Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten zusammen.

Aus der Praxis:

  • Baden-Württemberg: Das Mandat zum Aufbau des universitätsübergreifenden Programms war klar definiert: Programm-/Projektleitung, lokale Programmbeauftragte, Studienleitung und weitere verantwortliche Ansprechpartner wurden eindeutig identifiziert und autorisiert. Mit allen beteiligten Fakultäten wurden entsprechende Kooperationsverträge geschlossen. Viel Zeit wurde speziell in Tübingen darauf verwendet, Dekan, Studiendekan und fakultäre Gremien jeweils bereits im Vorfeld umfassend über das weitere Vorgehen zu informieren und so deren öffentliche Unterstützung zu sichern. Dekan und Studiendekan vertraten dabei eine gemeinsame Linie. Diese Unterstützung konnte auch beim Wechsel der Amtsträger erhalten werden. Lehrstuhlinhaber und Abteilungsleiter wurden in persönlichen Gesprächen um Feedback, Kritik und Änderungsvorschläge gebeten, um so nicht nur potentielle Unterstützer sondern möglichst auch potentielle Kontrahenten in den Prozess einzubinden. Um die Identifikation („Ownership“) mit dem Angebot in der gesamten Fakultät zu fördern wurden so viele Fakultätsmitglieder und Abteilungen wie möglich aktiv in das Projekt miteingebunden. Am Erfolg der Unternehmung konnten somit viele Personen partizipieren, was wiederum den Rückhalt an der Fakultät vergrößerte. Das Programm wurde wiederholt im Sinne einer Kraftfeldanalyse (force field analysis, Lewin 1943) kritisch überprüft, um Stärken und Schwächen sowie Widerstände, Hemmnisse aber auch Unterstützung zu identifizieren. Wichtige Punkte waren dabei zum einen die Frage, ob das Programm für die Lehrenden zumutbar ist und zum anderen die Frage, wie der Nutzen für die Fakultät nicht nur im Hinblick auf die Lehre aussehen und dargestellt werden kann. Auf der Basis dieser Analyse ließen sich Argumentationslinien und wirksame Strategien entwickeln und immer wieder den Erfordernissen entsprechend modifizieren.
  • Düsseldorf: Als erster Standort in NRW bietet Düsseldorf seit 2005 das gesamte Kursspektrum mit sechs verschiedenen Schwerpunkten an, die es den Dozenten erlauben, nach fünf jeweils zweitägigen Workshops das neue „Zertifikat Didaktik NRW“ der LAMA NRW zu erlangen (vergleichbar der Basisqualifikation MQ1 in BW). Die Aufspaltung der verschiedenen Trainingsziele von einer zuvor einwöchigen Didaktikschulung in sechs verschiedene, spezifischere Zielgruppen (POL-Tutoren, Vortragende in Vorlesungen, Seminarleiter, Prüfungsverantwortliche etc.) hat die Teilnahmezahlen an diesen Trainings innerhalb eines Jahres versechsfacht.
  • Zürich: Neben den wesentlichen oben genannten Faktoren wird die erfolgreiche, das heisst auch vor allem nachhaltige Implementierung von medizindidaktischen Qualifizierungsangeboten auch unterstützt durch die institutionellen Rahmenbedingungen, wie sie die Universität vorgibt. Hier war in Zürich sicher auch die Ausrichtung der gesamten Universität auf das Leitmotiv Exzellenz in Forschung und Lehre wichtig. Zudem war gesundheitspolitisch für alle medizinischen Fakultäten die Ausrichtung auf das neue Medizinalberufegesetz, das die universitäre Ausbildung einschließlich einer Akkreditierung und Qualitätssicherung der Ausbildung neu regelt, ein entscheidender Faktor.

Anmerkung

Internetseiten der beschriebenen medizindidaktischen Angebote:


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