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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

E-Learning: Aktueller Stand und Chancen in der Allgemeinmedizin

Editorial Humanmedizin

  • author Andreas C. Sönnichsen - Abteilung für Allgemeinmedizin, Präventive und Rehabilitative Medizin, Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland
  • author Uta-Maria Waldmann - Abteilung Allgemeinmedizin, Universität Ulm, Ulm, Deutschland
  • author Horst Christian Vollmar - Medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de, Kompetenzzentrum für Allgemeinmedizin und ambulante Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland External link
  • corresponding author Jochen Gensichen - Institut für Allgemeinmedizin, Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main, Deutschland External link

GMS Z Med Ausbild 2005;22(3):Doc61

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/zma/2005-22/zma000061.shtml

Received: June 8, 2005
Published: August 15, 2005

© 2005 Sönnichsen et al.
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Editorial

Hinter dem Begriff E-Learning ("elektronisches Lernen") verbirgt sich eine Vielzahl unterschiedlichster Lehr- und Lernformen, die elektronische Medien einsetzen. Während ursprünglich lokal installierte Computerprogramme zum Einsatz kamen (Computer-assisted Learning [CAL]), findet E-Learning heute meistens im Internet oder in einem Intranet statt (Web-based Learning [WBL]). Die Bandbreite der E-Learning-Angebote erstreckt sich dabei von der einfachen, über das Internet aufrufbaren Textseite bis zum didaktisch optimal durchstrukturierten, interaktiven Lernprogramm. Da es sich beim WBL um einen zukunftsträchtigen Markt handelt, sieht man sich als Anwender mit einer zunehmend unüberschaubaren, wachsenden Anzahl von Produkten und Dienstleistungen konfrontiert, deren Qualität und Preis ein weites Spektrum umfassen.

Das Verlockende an der Lehrmethode ist, dass Lerninhalte zeitlich und räumlich unabhängig vermittelt werden können. Die persönliche Anwesenheit des Lehrenden ist nicht mehr erforderlich. Fragen und Probleme der Studierenden werden in einem Forum behandelt, in das Lernende und Lehrende vom häuslichen Computer aus Fragen und Antworten einstellen können, entweder per E-Mail oder direkt online. Auch die Lernenden können bequem vom eigenen Schreibtisch aus die Lerninhalte zu einer frei gewählten Zeit abrufen und bearbeiten. Hierdurch können vor allem die Lehrenden zeitlich erheblich entlastet werden. Bei engen Stundenplänen ist die freie Zeiteinteilung allerdings auch für die Studierenden von erheblichem Vorteil. Darüber hinaus kann durch Hyperlinks auf web-basiertes Wissen außerhalb des unmittelbaren Kurses zurückgegriffen werden [1].

Während E-Learning in der Erwachsenenbildung, der betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung und im schulischen Bereich bereits relativ regelmäßig eingesetzt wird, ist WBL in der universitären medizinischen Ausbildung eher noch eine Ausnahme. Allerdings ist eine stark steigende Tendenz in der Entwicklung universitärer Lernplattformen und Kursangebote zu verzeichnen. Insgesamt handelt es sich jedoch bisher um überwiegend punktuelle Angebote, denen der konsequente systematische Zusammenhang einer strukturierten medizinischen Ausbildung fehlt. Dies ist natürlich einerseits dadurch bedingt, dass in den klinischen Fächern der direkte Patientenkontakt nicht durch E-Learning-Module ersetzt werden kann. Zum anderen spielt aber sicherlich auch eine gewichtige Rolle, dass die Entwicklung von WBL eher auf Einzelinitiativen interessierter und motivierter Dozenten basiert als auf einer strukturierten Integration in das medizinische Curriculum insgesamt.

Der Kongress „E-Learning - Aktueller Stand und Chancen in der Allgemeinmedizin" in Frankfurt vom 8. und 9. Juli 2005 hat dazu beitragen, E-Learning als systematischen Bestandteil in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung zu etablieren. Dies ist zum einen wünschenswert, um die traditionelle universitäre Präsenzlehre durch interaktive, problem-orientierte Lehre zu ergänzen. Zum anderen besteht auch eine zwingende Notwendigkeit, weil die Lehrerfordernisse mit der neuen Approbationsordnung besonders in der Allgemeinmedizin dramatisch zugenommen haben, ohne dass die ökonomischen Mittel zur Verfügung stehen, die für eine entsprechend verbesserte Ausstattung der Abteilungen mit Lehrkräften erforderlich wären. Im Gegenteil kämpfen an vielen Universitäten in Deutschland nach wie vor lehrbeauftragte niedergelassene Allgemeinärzte mit knappen Ressourcen ohne eigene universitäre Abteilung für die Realisierung einer Lehre, die den wachsenden Anforderungen gerecht werden soll. Die Kurzfassungen der Beiträge zu diesem Symposium finden sich in diesem Heft der GMS Z Med Ausbild nach dem Beitrag von Öchsner, Gelzenlichter und Schirmer.

In dem Symposium geht es auch darum, die Grenzen von E-Learning aufzuzeigen. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass E-Learning der Präsenzlehre bezüglich des Wissenszuwachses allenfalls ebenbürtig ist [2]. Auch gegenüber dem Lernen aus schriftlichem Lehrmaterial zeichnet sich keine signifikante Überlegenheit für E-Learning-Module ab [3], wenn auch der gleiche Lernerfolg möglicherweise mit WBL in kürzerer Zeit erreichbar ist [4]. Darüber hinaus hängt die Effektivität von E-Learning-Einheiten nicht nur von der Qualität des Lernmoduls ab, sondern auch vom cognitiven oder Lerntyp des Lernenden sowie seinen Vorerfahrungen und Kenntnissen im Umgang mit web-basierter und Computertechnologie [5]. Und es bleibt natürlich das Manko, dass im E-Learning-Kontext weder ein direkter Patientenkontakt hergestellt werden kann, noch die Möglichkeit zur Übung ärztlicher Gesprächs- und Untersuchungstechnik besteht.

Aus diesen Gründen werden in der klinischen Ausbildung fast ausschließlich Lerneinheiten eingesetzt, die auf der Basis von "Blended Learning" aus (ergänzenden) WBL-Modulen und herkömmlicher oder interaktiver Präsenzlehre bestehen.

Das Symposium zum E-Learning in der Allgemeinmedizin versucht, einen Überblick über das momentane Spektrum an WBL-Modulen und -Initiativen im weitesten Sinne zu geben. Dies spiegelt sich in den Kongress-Abstracts in diesem Heft wider, die thematisch sowohl generelle Informationen zum Thema E-Learning als auch die universitäre medizinische Ausbildung, die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin und die berufsbegleitende Fortbildung mit einschließen. Auf dem "Markt der Möglichkeiten" werfen wir zudem einen Blick über den Zaun: Welche Möglichkeiten des WBL werden in anderen medizinischen Disziplinen genutzt? Welche Plattformen für die Präsentation von WBL-Modulen werden angeboten? Wie erfolgt die Integration von WBL in bestehende Curricula? Wie werden die WBL-Module evaluiert? Gerade bezüglich der Evaluation konkreter (qualitätsbezogener) Aspekte von WBL-Modulen im unmittelbaren Vergleich zu WBL-Modulen ohne das zu untersuchende Qualitätsmerkmal ist unser Wissen bisher nur lückenhaft [6]. Für die zukünftige Planung von WBL-Projekten in der Allgemeinmedizin ist es daher von großem Interesse, hier von bereits anderweitig erprobten Lehr- und Evaluationsstrategien zu profitieren.

Nach der Bestandsaufnahme sollen die zukünftigen Chancen des E-Learnings in der Allgemeinmedizin und in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung generell beleuchtet werden. Hier geht es zum einen um die Qualitätssicherung bei der Erstellung entsprechender Lernmodule, da der erfolgreiche Einsatz von WBL-Modulen unter anderem von der Beachtung einiger wichtiger Regeln beim Design der Lerneinheiten abhängt [7]. Zum anderen stellt ein weiterer wichtiger Kernpunkt der Diskussion die Systematisierung und Koordinierung der diesbezüglichen Aktivitäten an deutschsprachigen Hochschulen dar, mit dem Ziel, als Ergebnis des Symposiums ein breites kreatives Netzwerk zur Bewerkstelligung dieser anstehenden Aufgaben zu gründen.


Literatur

1.
McKimm J, Jollie C, Cantillon P. ABC of learning and teaching: Web based learning. BMJ 2003; 326(7394):870-873.
2.
Chumley-Jones HS, Dobbie A, Alford CL. Web-based learning: sound educational method or hype? A review of the evaluation literature. Acad Med 2002; 77(10 Suppl):S86-S93.
3.
Cook DA, Dupras DM, Thompson WG, Pankratz VS. Web-based learning in residents' continuity clinics: a randomized, controlled trial. Acad Med 2005; 80(1):90-97.
4.
Bell DS, Fonarow GC, Hays RD, Mangione CM. Self-study from web-based and printed guideline materials. A randomized, controlled trial among resident physicians. Ann Intern Med 2000; 132(12):938-946.
5.
Cook DA. Learning and cognitive styles in web-based learning: theory, evidence, and application. Acad Med 2005; 80(3):266-278.
6.
Cook DA. The research we still are not doing: an agenda for the study of computer-based learning. Acad Med 2005; 80(6):541-548.
7.
Cook DA, Dupras DM. A practical guide to developing effective web-based learning. J Gen Intern Med 2004; 19(6):698-707.