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GMS Zeitschrift für Hebammenwissenschaft

Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V. (DGHWi)

ISSN 2366-5076

Wege der Überwindung des Kaiserschnittwunsches bei Schwangeren, die das erste Kind erwarten: Implikationen für die Beratung in der Geburtsklinik – eine qualitative Studie

Ways of overcoming the wish for a cesarean section in primiparous women: implications for counseling in the obstetrical unit – a qualitative study

Originalarbeit

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GMS Z Hebammenwiss 2014;1:Doc02

doi: 10.3205/zhwi000002, urn:nbn:de:0183-zhwi0000021

Received: July 4, 2014
Accepted: November 23, 2014
Published: December 17, 2015

© 2015 Striebich et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Hintergrund: Frauen mit Kaiserschnittwunsch in der ersten Schwangerschaft werden diesbezüglich in der Geburtsklinik beraten. Manche Schwangere ändert daraufhin ihre Einstellung und strebt eine normale Geburt an.

Ziele / Forschungsfrage: Exploration der Erfahrungen Schwangerer, die den Kaiserschnittwunsch aufgegeben und eine vaginale Geburt erlebt haben, hinsichtlich des Verlaufs der Entscheidungsänderung sowie relevanter Aspekte der Beratung.

Methodik: Fünf narrative Interviews (nach Schütze) 10 bis 24 Monate nach der Geburt. Die Auswertung erfolgte mit der dokumentarischen Methode (nach Bohnsack/Nohl).

Ergebnisse: Die Interviewteilnehmerinnen nannten ausreichend Zeit, eine vertrauensvolle Atmosphäre und Akzeptanz als wichtige Aspekte der Beratung. Zwei Frauen änderten ihre Einstellung grundsätzlich und präferierten die normale Geburt gegenüber dem Kaiserschnitt (subjektive Distanzierung). Dies wurde entweder durch evidenzbasiertes Wissen über Vor- und Nachteile beider Geburtsarten oder durch die gewonnene Überzeugung des Werts und der Chance einer normalen Geburt angestoßen. Drei Frauen wurden durch die Zusicherung individueller Unterstützung bei der Geburt, effektiver Schmerzkontrolle oder durch die ausdrückliche Empfehlung eines vertrauenswürdigen Experten in dem Glauben gestärkt, eine normale Geburt bewältigen zu können (motivierte Distanzierung).

Schlussfolgerung: Durch die Integration der identifizierten Beratungsaspekte und die Kenntnis möglicher Entscheidungswege können Hebammen, Ärzte und/oder Psychologinnen eine gesundheitsfördernde und präventive Beratung für Schwangere mit Kaiserschnittwunsch in der ersten Schwangerschaft sicherstellen.

Schlüsselwörter: Wunschkaiserschnitt, elektive Sectio caesarea, Beratung, Entscheidungsänderung

Abstract

Background: Primiparous women who request an elective cesarean are counseled at the hospital where they want to give birth. As a result some pregnant women change their mind and aim for a vaginal birth.

Objective: Exploration of the experiences of women, who requested a cesarean section but changed their mind and experienced a normal vaginal birth, with regard to the change in the decision making process and to relevant aspects of the professional advice received.

Methods: Using Schütze’s method, narrative interviews with five women were conducted 10 to 24 months after their first labor. The evaluation was performed according to the ("documentary") method by Bohnsack/Nohl.

Results: The participants of this study stated that sufficient time, a trustworthy atmosphere and acceptance were important aspects of the counseling session. Two women completely changed their subjective attitude and decided to attempt a normal birth rather than opt for a cesarean (subjective distancing). This change was brought about either by evidence-based information on the advantages and disadvantages of both modes of birth, or by becoming convinced of the value of experiencing a normal birth. Three women were strengthened in the belief that they were capable of giving birth normally by the assurance of individual support, effective pain control, or the explicit recommendation of a trusted expert (motivated distancing).

Conclusion: Professionals such as midwifes, physicians and/or psychologists can give health promoting and preventive advice to pregnant primiparous women opting for an elective cesarean section by integrating the identified aspects of counseling and knowledge of various options in the decision making process.

Keywords: elective cesarean section, decision change, counseling


Hintergrund

Ein Kaiserschnitt ist heute in Deutschland ein sicheres, routinemäßiges Verfahren. Im Jahr 2012 erfolgten 31,7% aller Krankenhausentbindungen als Kaiserschnitt [7].

Eine Besonderheit ist der „elektive“, also gewählte Kaiserschnitt, der vor Beginn der Geburt bei einer Einlingsschwangerschaft am errechneten Geburtstermin ohne medizinische Indikation auf Wunsch der Frau durchgeführt wird ([11] S. 81) ([26] S. 360). Wegen des Fehlens einer medizinischen Indikation ist auch der Begriff Wunschkaiserschnitt ([26] S. 362) ([39] S. 80) gebräuchlich.

Die Prävalenz des Kaiserschnittwunsches wird mit 7,6% in Schweden [20], 8,5-9,8% in Finnland [36], 10% in der Schweiz [42] sowie 13 bzw. 5% (Erst- bzw. Mehrgebärende) in Kanada [34] angegeben. In Deutschland besteht bei 3,8% aller Schwangeren, die das erste Kind erwarten, der Wunsch, per Kaiserschnitt zu entbinden [17].

Gründe für diesen Wunsch sind Ängste der Schwangeren, z.B. vor schmerzhaften Wehen, die Sorge um die eigene unmittelbare oder spätere Gesundheit oder das Wohlbefinden des Kindes ([11] S. 81-2) [12][13][36].

Obwohl kein Zweifel daran besteht, dass aus Gründen der Achtung der Autonomie der Gebärenden die Durchführung einer Kaiserschnittoperation auf mütterlichen Wunsch nicht rechtswidrig ist und demnach grundsätzlich vorgenommen werden darf [2][31], sind bezüglich des Umgangs mit einem Kaiserschnittwunsch Unterschiede erkennbar. So sieht die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe das Vorhandensein von Ängsten bei der Schwangeren als relative medizinische (nämlich psychische) Indikation für einen Kaiserschnitt an [8]. Andererseits betonen Geburtshelfer mit psychosomatischer Ausrichtung, es sei wichtig, vor der Durchführung eines Wunschkaiserschnitts grundsätzlich die zugrunde liegenden Ängste zu identifizieren und zu beeinflussen ([43] S. 117). Dies wird an anderer Stelle ähnlich gesehen [46] .

Kaiserschnitte auf Wunsch werden von Experten als ein medizinisches, finanzielles und ethisches Dilemma bezeichnet, welches ein fundiertes Beratungskonzept erfordert [10]. Aus gesundheits- und hebammenwissenschaftlicher Sicht verdienen Kaiserschnitte ohne medizinische Indikation eine besondere Beachtung, da hierbei vermeidbare Risiken eingegangen werden, die bei einer normalen Geburt als physiologischem Geschehen fehlen. Erstgebärende Frauen stellen dabei eine ausgewählte Gruppe dar. Vermutlich werden in Zukunft Geburtshelfer noch häufiger mit dem Kaiserschnittwunsch Erstgebärender konfrontiert [14].

Gerade den ersten Kaiserschnitt zu umgehen, ist aber vor dem Hintergrund der zahlreichen Risiken und Auswirkungen auf eine spätere Schwangerschaft [18][40] sowie die möglichen Spätfolgen für das Kind [6][4][41] ein vordringliches Ziel.

Die Entwicklung von Strategien zur Vermeidung überflüssiger Kaiserschnitte ist außerdem auch unter gesundheitspolitischem und -ökonomischem Aspekt vordringlich, dabei sind nicht nur die direkten Kosten relevant, auch indirekte bzw. Folgekosten von Kaiserschnittoperationen belasten das Gesundheitssystem [28].

Es ist anzunehmen, dass kulturelle und institutionelle Faktoren sowie das professionelle Setting bei der Entscheidung über einen Kaiserschnitt auf Wunsch eine wichtige Rolle spielen [27]. Aktuell regen deutsche Experten an, spezielle evidenzbasierte Konzepte für die Versorgung von Frauen mit Kaiserschnittwunsch zu entwickeln ([1] S. 119).

Es existieren derzeit in Deutschland keine Leitlinien zu Zeitpunkt, Ablauf und Inhalt der Beratung sowie zur Qualifikation der Berater. Wie eine Schwangere mit Kaiserschnittwunsch beraten wird, hängt also von individuellen und regionalen bzw. strukturell-organisatorischen Gegebenheiten ab und geschieht mutmaßlich uneinheitlich. Gespräche über Fragen zur Geburt sind zwar Gegenstand der Schwangerenbetreuung durch den niedergelassenen Gynäkologen [45], jedoch wird in der Geburtsklinik der endgültige Entschluss über die Art der Geburt gefällt und es findet demnach dort die ausschlaggebende Beratung statt.

Aus entscheidungstheoretischer Sicht wird unter einer Entscheidung grundsätzlich die bewusste Beurteilung von mindestens zwei Optionen und die Präferenz einer bestimmten Option verstanden ([19] S. 7). Als Voraussetzung gilt, dass mögliche Konsequenzen hinsichtlich ihres Nutzen beurteilt werden können (ebenda, S. 48). Darüber hinaus besteht Uneinigkeit, wie eine Entscheidung sinnvollerweise abzulaufen hat. Ein Entscheidungsprozess wird von Jungermann et al. ([19] S. 293) als gut angesehen, „[…] wenn möglichst viel Information gesucht und berücksichtigt worden ist“. Umgekehrt stellen Gigerenzer und Gaissmaier [15] fest, dass „angepasste“, also brauchbare Entscheidungen oftmals unter Berücksichtigung nur einiger weniger besonders hilfreicher Informationen getroffen werden können.

Eine Schwangere, bei der ein Kaiserschnittwunsch besteht, kann grundsätzlich nur auf der Basis vollständiger und vor allem richtig verstandener Informationen selbstbestimmt entscheiden, ob sie bei dieser Wahl bleibt oder ihre Meinung ändert. Demzufolge hat die Qualität der Beratung in diesem Feld eine wesentliche Bedeutung. Die endgültige Entscheidung hängt zweifelsohne von der Art der gegebenen Informationen bzw. der Gesprächsführung ab ([25] S. 17).

Die Entscheidung einer Frau bezüglich der Geburtsart, die sie favorisiert, bildet sich als Resultat von Prozessen der individuellen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Urteilsbildung heraus, ist komplex und kann sich im Laufe der Schwangerschaft ändern [20][22]. Hierbei sind auch sozio-kulturelle Einflüsse maßgeblich, wie zum Beispiel Darstellung des Themas Geburt in Familie, Freundeskreis, Medien und Gesellschaft [30][42]. Einen wichtigen Einfluss üben auch die Einstellung der betreuenden Ärzte und Hebammen sowie Art, Umfang und Qualität der Beratung aus [16][35][42]. Kingdon folgend möchten Schwangere zwar prinzipiell eigene Entscheidungen treffen, sehen den Begriff der Wahlfreiheit in Zusammenhang mit der Art der Entbindung jedoch als problematisch an. Für Schwangere sind gesundheitliche Belange hinsichtlich der Frage der Geburt vorrangig. Sie betrachten das Fachpersonal als Experten, denen sie sich anvertrauen, und sie erwarten, dass diese zu ihrem Besten handeln [22].

Karlström [20] stellt fest, dass jede fünfte Frau mit Kaiserschnittwunsch anhaltende ambivalente Gefühle hat und sich nur schwer für eine Geburtsart entscheiden kann. Die Frauen geben an, nicht genug über die Vor- und Nachteile des Kaiserschnitts zu wissen. Sie äußern erhebliches Vertrauen in die geburtshilflichen Betreuungspersonen und geben großen Gesprächsbedarf über die Art der Entbindung an (ebenda). Dabei spielen die bessere Planbarkeit eines Kaiserschnitts sowie Terminwünsche keine große Rolle [34].

Einzelne Studien aus Norwegen und Finnland zeigen, dass 86 % [32] bzw. 82,4% [38] der Schwangeren nach spezieller Beratung zum Kaiserschnittwunsch in der Geburtsklinik ihre Meinung ändern und dann eine natürliche Geburt anstreben. Dies offenbart ein hohes präventives Potenzial derartiger Beratung. In einer Berliner Klinik legen etwa 50% der Schwangeren nach der dort obligatorisch durchgeführten Beratung ihren Kaiserschnittwunsch ab [9]. Angaben aus anderen deutschen Kliniken liegen nicht vor.

Demzufolge ist es aktuell ein aussichtsreiches Forschungsziel, zu untersuchen, wie Schwangere den Verlauf der Abkehr ihres ursprünglichen Kaiserschnittwunsches erleben und welche Aspekte der Beratung sie als wesentlich ansehen. Dies könnte die Grundlage eines gesundheitsfördernden Beratungskonzeptes in deutschen Geburtskliniken darstellen.

Es gibt bereits Studien, in denen Frauen während ihrer ersten Schwangerschaft zu ihrem Kaiserschnittwunsch befragt wurden [37] oder in welchen sie im Nachhinein über diesen Wunsch Auskunft gaben [12][30].

Diese Arbeit soll den Fokus des Forschungsinteresses dagegen auf dem Prozess der Veränderung des ursprünglichen Geburtswunsches legen und somit die Perspektive der deskriptiven Entscheidungstheorie einnehmen. Dies wurde bisher noch nicht untersucht.

Diese Arbeit knüpft im weitesten Sinne an Studien an, die Strategien zum Gegenstand haben, wie die aktuell hohen Kaiserschnittraten generell gesenkt werden könnten [5][21][44].


Ziel

Diese Arbeit hat zum Ziel, die Ansichten und Erfahrungen von Frauen zu beleuchten, die in ihrer ersten Schwangerschaft aufgrund des Kaiserschnittwunsches eine spezielle Beratung erhalten, den ursprünglichen Kaiserschnittwunsch daraufhin abgelegt, sich auf eine normale Geburt eingestellt und diese auch erlebt haben. Es stellt sich die Frage: Wodurch wird der Prozess der Entscheidungsänderung angestoßen und wie verläuft er? Welche Aspekte sind für die Um-Entscheidung ausschlaggebend?


Methodik

Zur Untersuchung dieser Fragen wurde ein Forschungsansatz gewählt, der auf die Erfassung der Perspektive der betroffenen Frauen abzielt. Mit Hilfe der rekonstruktiven Sozialforschung ist es möglich, implizite Wissensbestände sichtbar zu machen ([3] S. 140). Sie sind jedoch nicht direkt erfragbar, sondern erfordern ein qualitativ-empirisches Untersuchungsdesign, welches durch Offenheit und Flexibilität gekennzeichnet ist und welches die Frauen in die Lage versetzt, in ihren eigenen Worten und ihrer individuellen Orientierung folgend die Zusammenhänge des eigenen Handelns darzulegen ([3] S. 141). Das narrative Interview ist in besonderer Weise geeignet, frühere Handlungs- und Entscheidungsabläufe nachzuvollziehen ([24] S. 329). Nur in der Erzählung wird das implizite Wissen einer Person sichtbar, welches nach Bohnsack handlungsleitend ist (s. Anmerkung 1).

Setting

Die Studie wurde durch Kontaktaufnahme zum DRK Klinikum Westend / Berlin realisiert. Dort werden nach psychosomatischem Konzept alle Schwangere mit Kaiserschnittwunsch routinemäßig und ausführlich durch eine Psychologin beraten. Das Konzept sieht vor, dass jede Schwangere, die bei der telefonischen Terminvergabe zur Geburtsanmeldung einen Kaiserschnittwunsch äußert, einen kurzfristigen Termin für ein einstündiges Gespräch sowie zur Vorbereitung dazu eine schriftliche Entscheidungshilfe per Post oder Email erhält. Der Termin zur Beratung richtet sich danach, wann die Schwangere sich anmeldet; im Konzept ist kein bestimmter Zeitpunkt innerhalb der Schwangerschaft vorgesehen. Die Schwangere wird dazu angehalten, die Entscheidung über den gewünschten Geburtsmodus erst nach einer Bedenkzeit von einigen Wochen nach dem Gespräch der Psychologin mitzuteilen.

Sample

Die Studienteilnehmerinnen stammten aus einem Kollektiv von 33 Frauen, die in ihrer ersten Schwangerschaft ein Beratungsgespräch zum Kaiserschnittwunsch zwischen März 2010 und Oktober 2012 wahrgenommen hatten. Von diesen hatten 17 Frauen letztlich per primärem und sechs per sekundärem Kaiserschnitt geboren. Eine Identifikation des ursprünglich von diesen sechs Schwangeren geplanten Geburtsmodus war anhand der vorhandenen Daten nicht möglich. Deshalb wurde entschieden, sie nicht in die Studie einzuschließen. Zehn Frauen, die laut Klinikdokumentation normal oder vaginal-operativ geboren hatten, wurden angeschrieben, fünf Frauen erklärten sich zur Teilnahme bereit. Zum Zeitpunkt der Interviews lagen die Geburten zwischen 10 und 24 Monaten zurück. Die Teilnehmerinnen waren zwischen 32 und 40 Jahre alt und lebten alle in einer festen Partnerschaft. Drei Frauen hatten Abitur, zwei von diesen verfügten zusätzlich über einen Universitäts- bzw. Hochschulabschluss. Zwei Frauen hatten den mittleren Schulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Datenerhebung

Die Interviews wurden im Februar und März 2013 jeweils in der Wohnung der Interviewteilnehmerin geführt. Die Teilnehmerinnen wurden vor Beginn des Interviews über das Interesse der Forscherin an den individuellen Ansichten und persönlichen Erfahrungen, sowie über die Audioaufzeichnung, Aufbewahrung und Verarbeitung der Interviewdaten aufgeklärt und es wurde Anonymität zugesichert. Die Frauen gaben schriftlich ihre informierte Zustimmung.

Der Erzählimpuls wurde im Vorfeld der Interviews sorgfältig formuliert und bei allen Interviews identisch verwendet [23]. Er lautete: „Frau …, erinnern Sie sich zurück an die Zeit, als sie schwanger waren. Die bevorstehende Geburt war sicher eine Angelegenheit, die extrem wichtig für sie war. Sie wollten eigentlich per Kaiserschnitt entbinden und haben sich dazu beraten lassen. Im Verlauf der Schwangerschaft haben sie dann aber Ihre Meinung geändert und sich auf eine normale Geburt eingestellt. Erzählen Sie doch mal, wie kam es dazu!

Es war beabsichtigt, bei den Gesprächspartnerinnen eine Rückschau der Gefühle und Gedanken zur Zeit der Schwangerschaft anzuregen. Im Laufe des Interviews wurden angesprochene Themen durch immanente Nachfragen ([23] S. 61) vertieft. Am Ende vervollständigten bei Bedarf exmanente Nachfragen noch offene Aspekte ([23] S. 63-4). Die Interviews dauerten zwischen 45 und 85 Minuten.

Datenauswertung

Nach Volltranskription des Audiomaterials wurden die Daten nach Bohnsack [3] und Nohl [33] ausgewertet. Im Arbeitsschritt der formulierenden Interpretation wurden diejenigen Themen identifiziert, die von allen Interviewteilnehmerinnen angesprochen wurden und die für die Fragestellung relevant waren, weil sie eine Vergleichbarkeit zu den anderen Interviews versprachen ([3] S. 135) ([33] S. 46). Dabei wurde der Textsortendifferenzierung folgend die Erzählungen und Beschreibungen identifiziert, da sich vor allem dort die unmittelbar erlebten Handlungs- und Geschehensabläufe ausdrücken ([33] S. 46 ff.). Im anschließenden Arbeitsschritt der reflektierenden Interpretation wurden die Interviews unter formalen und semantischen Gesichtspunkten weiter erschlossen. In der ausführlichen, nachvollziehbaren Beschreibung des Einzelfalles in den Fallbeschreibungen zeigte sich der Orientierungsrahmen jeder Interviewpartnerin ([3] S. 139-40). In der anschließenden komparativen Analyse wurden durch den Fallvergleich generalisierende Aussagen möglich ([3] S. 137) ([33] S. 12; 54-5). Die Auswertungsergebnisse und insbesondere der Fallvergleich sowie die daraus resultierende Typenbildung der Entscheidungswege wurden von den Autorinnen im Sinne einer kommunikativen Validierung intensiv diskutiert.


Ergebnisse

Als Ursache für den Kaiserschnittwunsch werden von den Teilnehmerinnen dieser Studie Versagensangst, Angst um das Wohl des Kindes, vor Kontrollverlust und Angst vor Schmerzen angegeben. Grundsätzlich benennen sie die Gelegenheit zu schriftlicher Information im Vorfeld und während des Gesprächs die Vermittlung von Offenheit und Akzeptanz durch die Beraterin und die ausreichend bemessene Zeit als positiven Rahmen für die Beratung.

Die Abkehr vom Wunsch nach einem Kaiserschnitt erfolgt auf zwei unterschiedlichen Wegen die in den folgenden Abschnitten als Falldarstellungen präsentiert werden: Zwei Frauen präferieren die normale Geburt gegenüber dem Kaiserschnitt infolge einer veränderten inneren Einstellung. Diese Entscheidungsvariante wurde unter der Überschrift „subjektive Distanzierung“ zusammengefasst. Bei den anderen drei Frauen führen konkrete Zusicherungen oder Empfehlungen besonders vertrauenswürdiger Experten dazu, dass sie sich, trotz grundsätzlich weiter bestehender Bedenken, auf eine normale Geburt einlassen können. Für diesen Entscheidungsweg wurde die Bezeichnung „motivierte Distanzierung“ gewählt (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]).

Subjektive Distanzierung: Resultat einer Einstellungsänderung

Nach der Beratung wird eine normale Geburt aufgrund einer veränderten Einstellung gegenüber dem Kaiserschnitt präferiert. Dies kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen.

Rationale Pro- und Kontra-Abwägung (Frau B)

Frau B ist eine gebildete Frau, planvoll und kontrolliert. Eine autonome Entscheidungsfähigkeit zu besitzen, ist für sie ein wichtiger Teil ihres Selbstbildes. In der Beratung wird ihr dies uneingeschränkt zugestanden. Anschließend trifft sie auf der Basis von ihr bisher unbekannten, aktuellen, wissenschaftlich fundierten und neutral präsentierten Informationen eine selbstständige, verantwortungsvolle Entscheidung. Dabei wägt sie Kosten und Nutzen beider Geburtsmodi ab und kalkuliert rational mögliche Auswirkungen. Zum Beispiel wägt sie die unvermuteten Vorteile fürs Kind ab: „[…] was es mit dem Kind macht. wenn man (3) per Kaiserschnitt entbindet. Dass es für das Kind (3) nicht unbedingt der Königsweg ist. (3) und das war`n Aspekt den ich bis dato noch gar nicht auf der Rechnung hatte“ (B. 91 – 93). Frau B entscheidet sich für eine normale Geburt auf dem Wege des rationalen Abwägens von Vor- und Nachteilen beider Geburtsarten für sich und ihr Kind.

Plötzliche Kehrtwendung im Sinne einer „kognitiven Umstrukturierung“ (Frau D)

(Der Begriff kognitive Umstrukturierung stammt aus der Verhaltenstherapie und bezeichnet die Korrektur eines dysfunktionalen Denkmusters ([29] S. 549)). Für Frau D ist vom Jugendalter an der Gedanke an eine natürliche Geburt unvorstellbar, nicht vereinbar mit ihren Ansichten über die eigene Person. Sie erhält in der Beratung neben neuartigen Informationen, die ihr Wissen erweitern, auch die Gelegenheit, sich selbst genauer kennen zu lernen. Sie reflektiert, dass der Wunsch nach Kontrolle für ihren Kaiserschnittwunsch verantwortlich ist. „[…] also sie sagte es nicht aber wir sind da irgendwie zusammen drauf gekommen, dass ich ein sehr, ein Kontrollmensch bin (2) also jemand der alles unter Kontrolle haben muss, was auch tatsächlich stimmt“ (D. 49-51). Durch diese Erkenntnis gehen ihre Überlegungen in neue Richtungen: „[…] das hat mich irgendwie total überzeugt, und da habe ich vielleicht auch`n bisschen gedacht, da muss ich halt mal loslassen. vielleicht ist das auch mal wichtig für mich“ (D. 100 – 102). Die Schilderung der Gefühle von Stärke und Stolz nach einer bewältigten Geburt durch eine Freundin ordnet sie anders ein und denkt nun: „[…] das würde ich auch ganz gerne mal erleben“ (D. 170 f.). Die Entscheidung für eine natürliche Geburt erfolgt bei Frau D als plötzliche Kehrtwendung im Sinne einer kognitiven Umstrukturierung. „[…] und ich weiß auch nicht, es war plötzlich wie, völlig klar dass ich auf natürliche Geburt gehe. es war genauso extrem wie das vorher war […] hat es gewechselt“ (D. 21 f.).

Motivierte Distanzierung: Resultat von Zusicherungen oder Empfehlungen

Die Zusicherung bestimmter Bedingungen während der stationären Entbindung oder eine verbale Bekräftigung führen dazu, dass die Schwangere sich anschließend auf eine normale Geburt einlässt, ohne dass sich ihre Einstellung z.B: zu möglichen Schmerzen geändert hätte.

Zusicherung von Hilfe und Unterstützung (Frau C)

Für Frau C ist eine vaginale Geburt grundsätzlich unvorstellbar und in der Schwangerschaft verweigert sie über lange Zeit jeden Gedanken daran, über eine Alternative zu einem Wunschkaiserschnitt nachzudenken. Sie steht der Beratung ablehnend gegenüber, weil sie nicht „bekehrt“ werden möchte. In der Beratung erfährt sie Rücksicht und Anerkennung. Sie spürt, dass man ihr helfen möchte, den richtigen Weg für sich zu finden. Im Gespräch erlebt sie, dass ihre Ängste akzeptiert werden und die Psychologin und auch der Chefarzt, mit dem sie auf eigenen Wunsch zusätzlich spricht (C. 158 f.), ihr Unterstützung anbieten (C. 85 – 89; 205 – 208). Das erleichtert sie, denn „man hätte ja auch sagen können, friss oder stirb(.) bei uns macht man das nicht“ (C. 209 f.). Der offene Umgang mit ihren Ängsten ermöglicht ein Gefühl der Sicherheit und des Aufgehoben-Seins (C. 97 – 102). Davon ausgehend kann sich Frau C auf den eigenen Weg durch die Geburt einlassen. „[…] irgendwie war das für mich ganz wichtig, dass mir alle gesagt haben also wenn […] in der Geburtssituation was schief laufen sollte oder wenn sie da total am Rad drehen dann […] können wir jederzeit […] das Kind per Kaiserschnitt entbinden“ (C. 215 – 218). Sie fasst Vertrauen, sich der unbekannten Herausforderung zu stellen und entwickelt eine offene Haltung: „[…] und mich dann wirklich auch zum Ende hin ganz bewusst dafür entschieden, ich probier` das jetzt ganz normal und wenn`s nicht gehen sollte, dann geht`s halt nicht“ (C. 119 f.). Sie ist bereit dazu, sich in die Hände des Fachpersonals zu begeben, zu dem sie Vertrauen aufgebaut hat. Sie vertraut darauf, das Personal werde ihr bei der Geburt „[…] schon richtig da durch helfen“ (C. 119 – 122). Die Entscheidung für eine natürliche Geburt erfolgt bei Frau C. aus der Zuversicht, die Geburt durch die Akzeptanz ihrer Person und der individuellen Unterstützung durch das Personal bewältigen zu können.

Zusicherung effektiver Schmerzerleichterung (Frau A)

Frau A hat im Rahmen ihrer Berufstätigkeit erlebt, dass Kaiserschnitte auch ohne eindeutige medizinische Indikation durchgeführt werden. Daneben stellen Prominente, die per Kaiserschnitt entbinden, für sie ein Vorbild dar und prägen ihre Vorstellung einer zeitgemäßen Geburt. In ihren Augen ist eine Kaiserschnittentbindung fortschrittlicher, weil „schöner besser schneller toller“ (A. 292), und sie beansprucht dieses Recht auch für sich. Sie unterstreicht: „[…] die Gesellschaft is selber schuld, wenn se des anbietet, wenn des durch die Medien prominent gemacht wird, brauch man sich dann nich wundern, wenn Ottonormalfrau das dann ooch haben möchte“ (A. 280 f.). Bei Frau A liegt der Kaiserschnittwunsch in der Angst vor den Wehenschmerzen begründet (A. 20; 355). Im Gespräch liegt der Fokus auf Möglichkeiten der Schmerzkontrolle: „[…] also sie hat mich dann ich will nicht sagen bearbeitet, hat mir versprochen, dass ich jederzeit `ne PDA krieg“ (A. 19 f.). Dadurch wurde ihre Hauptangst genommen (A. 10; 41 f.; 208 f.) Frau A entscheidet sich für eine natürliche Geburt, weil ihr eine effektive Schmerzerleichterung zugesichert wird und sie dadurch die Zuversicht entwickelte, der Herausforderung einer normalen Geburt gewachsen zu sein.

Ausdrückliche Empfehlung eines vertrauenswürdigen Experten (Frau E)

Das Denken und Fühlen von Frau E ist nachhaltig durch ihre Vorgeschichte des unerfüllten Kinderwunsches geprägt. Sie hat über einen langen Zeitraum schmerzliche Diagnosestellungen und unwirksame Therapieversuche erlebt. Sie wird durch ihre Ängste sehr beherrscht und ist in hohem Maße ambivalent. In der Folge lässt sie sich zusätzlich vom Chefarzt der Frauenklinik beraten, da sie ihn schon lange kennt und zu ihm bereits ein gewachsenes Vertrauensverhältnis besteht (E. 187 – 193; 542 – 547). „[…] weil irgendwie hat er mich die ganze Zeit auch begleitet bei der Entscheidung […] also er war für mich fast wie so`n ich will nicht sagen Vater, aber (3) ja, er hat mir ganz viel Kraft gegeben, ne und irgendwie hab ich ihm total vertraut. und ähm, ich hatte auch das Gefühl er will mir unbedingt helfen“ (E. 155 – 160). Sein Anraten, auf normale Art zu entbinden, hat einen großen Wert für sie: „[…] als Prof. K. meinte nein, (3) brauchte ich gar nicht mehr darüber nachdenken“ (E. 568). Sie akzeptiert und befolgt die Empfehlung des Experten aus der Gewissheit heraus, dass dieser den besten Weg für seine Patientin bestimmen würde. Dies stellt für Frau E die Basis dar, sich für eine normale Geburt zu entscheiden.


Diskussion

Während das Erleben ambivalenter Gefühle bei bestehendem Kaiserschnittwunsch [20] und die Geburtserfahrung bei Wunschkaiserschnitt [12] bereits beleuchtet wurden, beschreibt diese Studie den Verlauf und das Erleben der Entscheidungsänderung hin zur normalen Geburt. Darüber ist bisher nichts bekannt.

Die Befunde dieser Studie zu den Ursachen des Kaiserschnittwunsches sind deckungsgleich mit Befunden aus anderen Studien [12][13][36]. Es werden unterschiedliche Ängste und Sorgen benannt. Bei zwei Frauen bestehen die Ängste bereits lange vor der Schwangerschaft, ein ebenfalls bekanntes Phänomen [30][37]. Es ist ein eindrucksvolles Detail, dass zwei Frauen dieser Studie gezeigt haben, dass selbst bei lange bestehenden Ängsten eine Abkehr vom Kaiserschnittwunsch gelingen kann. Die von den Teilnehmerinnen wertgeschätzte Möglichkeit, sich in schriftlicher Form über das Thema zu informieren, unterstützt existierende Empfehlungen [31]. Auch ist bereits bekannt, dass eine bewältigungsorientierte und unterstützende Gesprächsführung, in der die Kompetenz der Frau betont wird, eine Entscheidungsänderung begünstigt [16]. So ist die von den Teilnehmerinnen dieser Studie hervorgehobene Offenheit und Akzeptanz nachvollziehbar und auch die Betonung der ausreichend bemessenen Zeit ist wenig überraschend.

Das wesentliche neue Ergebnis stellen die zwei unterschiedlichen Entscheidungswege der Überwindung des Kaiserschnittwunsches dar, eine Charakteristik, die im übergreifenden Fallvergleich identifiziert wurden. Einerseits kann sich durch die Beratung die Einstellung der Schwangeren grundsätzlich ändern, so dass die normale Geburt gegenüber dem Kaiserschnitt präferiert wird (subjektive Distanzierung). Dies geschieht zum einen in Form einer rationalen Pro- und Kontra-Abwägung, die durch aktuelle, evidenzbasierte Informationen zu beiden Geburtsarten angeregt wird, und zum anderen in der Art einer inneren Kehrtwendung, die sich durch Korrektur der eigenen Einstellung im Sinne einer kognitiven Umstrukturierung ereignet.

Andererseits kann der Entschluss zu einer normalen Geburt auch ein Resultat äußerer Zusicherungen oder Empfehlungen sein, der in der Schwangeren den Glauben stärkt, eine normale Geburt trotz der Bedenken bewältigen zu können (motivierte Distanzierung). Es kann für drei Aspekte eine derartige Wirkung festgestellt werden: Die Zusicherung persönlicher Hilfe und Unterstützung, effektiver Schmerzerleichterung und die ausdrückliche Empfehlung eines vertrauenswürdigen Experten haben das Potenzial, die Um Entscheidung anzustoßen.

Der methodische Ansatz hat sich als gut geeignet erwiesen, die Forschungsfragen umfassend zu beantworten. Die Untersuchung impliziter Wissensbestände führte zur Identifizierung unterschiedlicher Entscheidungsmodi. Dies ist umso bedeutsamer, da alle Frauen im gleichen Setting nach dem gleichen Konzept beraten wurden.

Das tendenziell höhere Alter aller und der hohe Bildungsstand von drei der interviewten Frauen sind als Limitation zu bewerten. Ob bei sehr viel jüngeren Frauen oder bei Gruppen, die hier nicht berücksichtigt wurden (z.B. Migrantinnen), die gefundenen Entscheidungswege nachvollziehbar sind, wäre zu klären. Anhand des zahlenmäßig kleinen Samples können auch keine Aussagen zur quantitativen Verteilung der gefundenen Entscheidungswege getroffen werden.


Schlussfolgerung

Diese Studie hat die Abkehr vom Kaiserschnittwunsch bei Schwangeren, die das erste Kind erwarten, beleuchtet. Es wurde gezeigt, dass die Um-Entscheidung vom Kaiserschnittwunsch zur Planung einer normalen Geburt auf unterschiedlichen Wegen erfolgen kann, dass aber bestimmte Bedingungen der Beratung von den Schwangeren grundsätzlich als positiv bewertet werden. Anknüpfend an diese Ergebnisse kann folgendes Fazit gezogen werden:

  • Für Beratungsgespräche wegen Kaiserschnittwunsch muss ein ausreichender Zeitrahmen zur Verfügung stehen.
  • Die Haltung der Beraterin sollte grundsätzlich durch Offenheit und Akzeptanz geprägt sein.
  • Neue, evidenzbasierte Informationen bezüglich beider Geburtsarten, sowie über den Wert der normalen Geburt und der ihr innewohnenden Gelegenheit zu persönlicher Reifung können dazu führen, dass sich die Einstellung der Schwangeren ändert. Eine Um-Entscheidung ist selbst bei über Jahren vorhandenen Ängsten möglich.
  • Ein Gespräch über die Gestaltung der stationären Entbindung kann bei Schwangeren die Zuversicht zur Bewältigung einer normalen Geburt stärken. Dabei verweist die Bedeutung des Versprechens, während der Geburt persönliche Hilfe und Unterstützung zu bekommen, auf die Herausforderung, die Betreuungsbedingungen während der Geburt tatsächlich zu verbessern. Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zur Forderung nach Realisierung einer flächendeckenden frauenfreundlichen, 1:1 Betreuung im Kreißsaal mit angemessenem Personalschlüssel, wie sie z.B. Berufsverbände formulieren.
  • Für manche Frauen können konkrete Zusagen das Bedürfnis nach Handlungsfähigkeit und Kontrolle befriedigen. Dies kann die Zusicherung sein, bei Erreichen der persönlichen Belastungsgrenze während der Geburt einen sekundären Kaiserschnitt durchzuführen.
  • Des Weiteren ist die Aussicht, sich auf eine optimale Schmerzkontrolle verlassen zu können, ein zentraler Aspekt für Schwangere mit Angst vor Schmerzen.
  • Wenn die beratende Person aus Sicht der Schwangeren besonders vertrauens-würdig ist, kann deren ausdrückliche Empfehlung einer normalen Geburt eine ausschlaggebende Wirkung haben.

Da im Vorfeld der einzelnen Beratung nicht abzusehen ist, welcher Entscheidungsweg für die betreffende Frau relevant ist, empfiehlt es sich, die verschiedenen Elemente in jede Beratung einzubringen. Entsprechend der durchaus unterschiedlichen Sichtweisen in der Entscheidungstheorie können die beratenden Hebammen, ÄrztInnen und PsychologInnen durch die Unterstützung verschiedener möglicher Entscheidungswege eine Verbesserung ihres Beratungskonzeptes realisieren.

Eine Reihe von Fragen konnte in dieser Studie nicht aufgegriffen werden, z. B. die nach dem günstigsten Zeitpunkt für eine Beratung oder nach dem Einfluss des Partners auf die Entscheidung der Schwangeren. Um das Ziel einer Reduzierung nicht medizinisch indizierter Kaiserschnitte durch Forschung weiter zu verfolgen, empfiehlt es sich daher, weitere Beratungskonzepte und andere Möglichkeiten der Prävention in den Blick zu nehmen und vergleichend zu untersuchen.


Anmerkungen

1. Der empirischen Untersuchung ging eine explorative Literaturrecherche zwischen Oktober und Dezember 2012 in den Datenbanken Cinahl, Pubmed, Medpilot, OvidSP, PychArticles, PsycInfo und in Fachzeitschriften für Hebammen voraus, in welchen unter den Schlagworten elective cesarean section, cesarean section on demand, cesaeran section on maternal request, counsel*, decision-making der Forschungsstand ermittelt wurde.


Interessenkonflikte

Die Autorinnen erklären, dass keinerlei Interessenkonflikte bestehen.


Literatur

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