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Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Die Folgen von DEAL für medizinische Bibliotheken: Bericht aus der Fishbowl-Diskussion auf der AGMB-Tagung 2024 in Mainz

The consequences of DEAL for medical libraries: Report from the fishbowl discussion at the AGMB conference 2024 in Mainz

Kurzbeitrag AGMB-Jahrestagung in Mainz 2024

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  • corresponding author Petra Labriga - Strategisches Lizenzmanagement, ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2024;24(2):Doc26

doi: 10.3205/mbi000609, urn:nbn:de:0183-mbi0006097

Published: December 18, 2024

© 2024 Labriga.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

In einer Fishbowl-Diskussion auf der AGMB-Konferenz 2024 wurde die Frage diskutiert, ob und wie der deutsche DEAL mit drei Großverlagen Einfluss auf das Publikationsverhalten an medizinischen Einrichtungen nimmt. Das Stimmungsbild zeigt eine starke Kostenbündelung in DEAL, keine Kostenersparnis sowie eine positive Einschätzung besonders des uneingeschränkten Lesezugriffs bei gleichzeitiger Sorge um eine zukünftige Finanzierung.

Schlüsselwörter: DEAL, transformative Verträge, Publikationsvereinbarung, Medizinbibliotheken, Elsevier, Wiley, SpringerNature

Abstract

A fishbowl discussion at the AGMB conference 2024 addressed the question of whether and how the German DEAL with three major publishers influences publication behavior at medical institutions. Participants’ contributions showed a strong bundling of costs in DEAL, no cost savings, and a positive assessment especially of the unrestricted reading access with simultaneous concern about future funding.

Keywords: DEAL, transformative agreements, publication agreement, German medical libraries, Elsevier, Wiley, SpringerNature


Fishbowl: Die Folgen von DEAL für medizinische Bibliotheken

Diskussionshintergrund

Auf der AGMB-Tagung 2024 in Mainz wurden im Fishbowl-Format die Folgen von DEAL für medizinische Einrichtungen und ihre Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Bibliotheken diskutiert. Für die Veranstaltung stellte sich die Frage, ob der deutsche DEAL Auswirkungen auf das Publikationsverhalten von medizinisch Forschenden in Deutschland und somit auf die publizierenden und finanzierenden Einrichtungen hat.

Das Fishbowl-Format erlaubt eine weitestgehend nicht moderierte Diskussion, in der sich Diskutanten im inneren Zirkel (Stuhlkreis) zum Gespräch zusammenfinden, die von Zuhörenden im äußeren Kreis umgeben sind. Freie Stühle im inneren erlauben die Teilnahme für neue Diskutanten aus dem äußeren Zirkel, Sprecherinnen aus dem inneren Kreis können sich in den äußeren zurückziehen. Bereits vorab waren die Chatham House Rules verabredet, die festlegen, dass Äußerungen später zitiert und Inhalte weitergegeben werden dürfen, jedoch keine Zuordnung zu einer Person oder Institution erfolgen darf.

Dieser Bericht gibt dem entsprechend Meinungen und ein Stimmungsbild aus deutschen Medizinbibliotheken wieder.

Die Problematik von DEAL

Konzentration der Publikationen in den DEAL-Verlagen: Während mit Wiley und Springer DEAL bereits Erfahrungen der ersten Jahre mit so genannten Transformationsverträgen vorliegen, könnte sich mit Elsevier, so die Vermutung und erste Erfahrung, das Publikationsverhalten noch weiter auf die drei großen Wissenschaftsverlage im DEAL konzentrieren.

Konzentration der Mittel bei den DEAL-Verlagen: Eine Konsequenz von DEAL scheint schon jetzt zu sein, dass konsortialführende Einrichtungen eine spürbare Zurückhaltung bei der Teilnahme an NON-DEAL Konsortien (z.B. klassischen Subskriptionskonsortien, aber auch Publikationsvereinbarungen) wahrnehmen, da der DEAL kaum Mittel für andere Angebote übrig lässt.

Da es sich bei DEAL um einen Vertrag handelt, der besonders auf das Publikationsvolumen von Universitäten und Hochschulen zugeschnitten ist, ist er für kleinere Institutionen überdimensioniert. Nehmen diese an DEAL teil, wird dadurch sehr viel Budget gebunden und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit für hybride Publikationen in den DEAL-Verlagen geworben.

Anstieg der Kosten: Gleichzeitig besteht das Bewusstsein, dass der DEAL nur die bereits erfolgreichen Großverlage fördert, die weiterhin sehr viel Geld an der Wissenschaft verdienen und – so eine Aussage – leider keinen verbesserten Service anbieten. Es wird auch bestätigt, dass an zahlreichen Einrichtungen weniger bis keine Gelder mehr für kleinere Verlage eingesetzt werden können.

Durch die DFG Förderung werden Publikationen momentan noch mit bis zu 1.400 EUR bezuschusst. Es bleibe unklar, wie die Publikationen in Zukunft ohne DFG-Förderung bezahlt werden sollen. Eine Ausstiegsoption aus DEAL existiere zwar, es sei aber eher unrealistisch, dass Einrichtungen aussteigen können. Laut der Äußerung einer Einrichtung sei der DEAL letztendlich nicht das, was man sich gewünscht habe, nämlich DIAMOND Open Access.

Die Vorteile von DEAL

Freie Verfügbarkeit von Forschung und freies Lesen: Die positive Perspektive auf DEAL sieht den großen Vorteil in der weltweit freien Verfügbarkeit und Sichtbarkeit deutscher Artikel. Der freie Lesezugriff, vor allem jetzt auf Elsevier, ist ein großer Fortschritt und wird stark genutzt. Generell sei es zu begrüßen, dass so viel mehr Open Access publiziert wird als zuvor. Nicht nur die DEAL-Verlage, sondern auch große Gold OA-Verlage wie MDPI und Frontiers werden stark genutzt.

Attraktivität der DEAL-Verlage: Wissenschaftlerinnen wollen bei den etablierten legacy publishers veröffentlichen, da die Wissenschaftsbewertung sich immer noch am Impact Factor orientiert. Großverlage haben ihre Marken und Journals über Jahrzehnte aufgebaut und bieten oft das größte Renommee für Wissenschaftskarrieren. Damit ist eine Veröffentlichung bei den Großverlagen von den Autoren und Autorinnen gewünscht und durch DEAL bezahlbarer.

Weitere Auswirkungen von DEAL

Die Hälfte des Budgets für DEAL: Die Kosten für DEAL und für andere Verlage verteilen sich im Bibliotheksbudget, laut einigen anwesenden Institutionen, in deren Einrichtungen jeweils zu 50%. Entsprechend hoch ist die Anzahl der Publikationen in medizinischen Zeitschriften bei den DEAL-Verlagen anzunehmen.

Einführung neuer OA-Titel bei den DEAL-Verlagen: Es besteht der Eindruck, dass die Zahl der Gold OA-Zeitschriften zunimmt. Dies lässt vermuten, dass Verlage auf die Verpflichtung zu OA reagieren und dort auch neue Geschäftsmöglichkeiten sehen. Es fördert jedoch auch den Verdacht, dass wiederum Modelle geschaffen werden, die Bibliotheken nicht sofort durchschauen können, und so die Kosten nach oben getrieben werden.

Anstieg der Publikationen bei DEAL-Verlagen: Wie bereits oben erwähnt, stellt sich der DEAL als eine für Autoren und Autorinnen bequeme und attraktive Lösung dar, was den Anstieg an Publikationen in den DEAL zugehörigen Zeitschriften begründen mag. Auf die Frage, ob Bibliotheken in die Richtung einer Publikation in den DEAL-Verlagen beraten, wird dies teilweise bejaht, teilweise aber auch verneint, da aufgrund von Wissenschaftsfreiheit keinem Forschenden ein bestimmter Publikationsort vorgeschrieben werden kann.

Ausblick

Mit Spannung werden die Zahlen des ersten Jahres erwartet, die dann einen Vor- und einen Nach-Elsevier-DEAL-Zustand beschreiben werden. Auf jeden Fall kommen schon jetzt auf die Medizinbibliotheken beachtliche zusätzliche Kosten zu. Dies war stets voraussehbar, aber das damit zusammenhängende Finanzierungsproblem ist bislang nicht gelöst.


Anmerkungen

ORCID der Autorin

Petra Labriga: 0000-0001-9892-652X

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.