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Virtuelle Tour durch die Universitätsbibliothek Medizin Bern
Virtual tour through the medical library of University Library Bern
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Published: | December 19, 2023 |
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Zusammenfassung
„Too long, didn’t read!“ (TLDR): Dieses Wort aus dem Internet-Slang hat für Bibliotheken eine besondere Relevanz: Zu lang, zu langsam und zu langweilig – das sind noch immer Attribute, die mit Bibliotheken assoziiert werden. Ein Fallbeispiel sind Bibliothekseinführungen: In der Bibliothek Medizin in Bern (BibMED) kann eine Tour durch die Räumlichkeiten und Angebote durchaus 30 bis 60 Minuten in Anspruch nehmen. Doch für einzelne Personen im Publikum sind womöglich nur ein paar wenige Minuten tatsächlich relevant. Schließlich wollen nicht alle Ladegeräte ausleihen oder von den Wissenschaftlichen Dienstleistungen Gebrauch machen. Doch werden die Angebote nicht beworben, erlangen sie keine Bekanntheit und werden dementsprechend nicht genutzt. Ein Dilemma, mit dem die BibMED umzugehen versuchte und schließlich mit einer „Virtuellen Tour“ eine Lösung fand: Eine Sammlung von über 25 Videos, welche kurz, schnell und unterhaltsam sind und trotzdem alle relevanten Informationen zusammenfassen. Benutzende können sich so zielgenau über für sie wichtige Angebote ins Bild setzen: Wie reserviert man einen Gruppenraum? Wie funktioniert der virtuelle Seziertisch? Dabei muss nicht an einer ganzen Bibliothekseinführung teilgenommen werden; es kann von zu Hause aus und vor allem zum passenden Zeitpunkt gemacht werden.
Abstract
“Too long, didn’t read!” (TLDR): This word from internet slang has a special relevance for libaries: Too long, too slow, and too boring are still attributes that are associated with libraries. A case in point are library introductions: In the Medical Library in Bern (BibMED), a tour of the premises and services can take 30 to 60 minutes. However, for individual members of the audience, only a few minutes may actually be relevant. After all, not everyone wants to borrow chargers or use the research support services. But if the services are not advertised, they will not gain popularity and will not be used accordingly. This is a dilemma that BibMED tried to deal with and finally found a solution with a “Virtual Tour”: A collection of over 25 videos that are short, fast, entertaining, and yet summarize all the relevant information. Users can thus get a precise picture of the services that are important to them: How to reserve a group room? How does the virtual dissection table work? It is not necessary to participate in an entire library introduction; it can be done from home and especially at a convenient time.
Einleitung
Aus Sicht einer universitären Institution ist ein Studienbeginn geprägt durch eine Fülle an zu vermittelnden Inhalten, während die Erstsemestrigen dagegen einem enormen Berg an aufzunehmenden Informationen gegenüberstehen. Trotzdem bleibt bei den Studierenden nur ein Bruchteil davon als tatsächlich neues und aktives Wissen hängen. Die Angebote der Bibliothek anhand einer klassischen Einführung zu vermitteln, trägt demnach nur zur Vergrößerung dieser Informationsflut bei und ist wenig zielführend. Für eine*n Studienanfänger*in in der ersten Woche des sechsjährigen Studiums sind lange nicht alle Inhalte einer solchen Präsentation der Bibliotheksdienstleistungen relevant. Genau dieses Vorgehen wurde an der BibMED (Bibliothek Medizin Bern) jedoch jedes Jahr angewendet, mit jeweils 45-minütigen Bibliothekseinführungen für 360 Neustudierende der Medizin. Um nicht in das klassische Bild der langweiligen und langsamen Bibliothek hineinzuspielen, musste somit eine Alternative her, die den Fokus vom Gießkannenprinzip weg und hin zu den individuellen Informationsbedürfnissen lenkt. Ansonsten drohte ein Verpassen der Zielgruppe, welche die Bibliothek aufgrund des ersten Kontaktes mit Zeitverschwendung und langwierigen sowie umständlichen Erklärungen assoziieren könnte. Dabei ist die BibMED das Herz des Medizin-Campus, sie bietet Literatur, Lernplätze, Unterstützungsangebote und diverse Dienstleistungen. Sie ist außerdem der einzige Ort, an welchem alle Jahrgänge des Studiums zusammenkommen. Für Stamm-Studierende ist sie das „home away from home“ oder der in Bibliothekskreisen häufig angesprochene „Dritte Ort“. Neustudierende sollten deshalb keinesfalls aufgrund eines schlechten ersten Eindrucks verpasst werden. Die Lösung für das Problem lautete: Über 25 kurze, unterhaltsame Erklärvideos zu jeweils einem Thema der Bibliothek, die standortunabhängig und zum individuellen Informationsbedarf passend aufgerufen werden können – zum Beispiel Videos zu
- den E-Books (https://www.youtube.com/watch?v=ShLjGhUhkZA&list=PLR6CA6hb03ZSh_wuLM3etjxdpwKTEyULD&index=18&ab_channel=bibmedbern),
- dem Ruheraum (https://www.youtube.com/watch?v=v3E4QOTjKYk&list=PLR6CA6hb03ZSh_wuLM3etjxdpwKTEyULD&index=4&ab_channel=bibmedbern) oder
- den Bücherboxen (https://www.youtube.com/watch?v=eWMY8wMxct0&list=PLR6CA6hb03ZSh_wuLM3etjxdpwKTEyULD&index=13&ab_channel=bibmedbern).
Vorgänger und Prototypen
Nebst der Präsentation für Neustudierende am Einführungstag („E-Day“) bediente sich die BibMED zu früheren Zeiten auch klassischen Führungen durch die Bibliothek mit einer Dauer von 30–60 Minuten. Diese hatten zeitweise den Nachteil von zu großen Gruppen, die wiederum die Einhaltung der (obligatorischen) leisen Gesprächsführung in den Räumlichkeiten der Bibliothek erschwerten. Die lernenden Studierenden dabei nicht zu stören, war so gut wie unmöglich. Eine bessere Alternative stellte Actionbound dar: Ein Rundgang via App auf dem Smartphone, die durch die Bibliothek führte und zu beantwortende Fragen stellte. Allerdings kam auch hier das Problem auf, dass nicht jede Information für eine teilnehmende Person relevant war. Zudem kann es bei den Teilnehmenden ein unangenehmes Empfinden auslösen, in einer voll belegten Bibliothek mit dem Smartphone hin und her zu laufen. Aufgrund geringer Nutzung von Actionbound wurde diese Art des Rundgangs schließlich eingestellt.
Direkter Vorgänger der Virtuellen Tour war ein Dollhouse bei Matterport, das dem Konzept von Google StreetView ähnelt (s. Abbildung 1 [Abb. 1]). Durch Anklicken des Bodens wäre ein virtuelles Bewegen durch die BibMED möglich gewesen, mit mehreren informativen Stationen. Effektiv bewegte man sich von Kreis zu Kreis, da dies die Aufnahmepunkte der Kamera waren. Auch diese Methode brachte jedoch überwiegend Nachteile mit sich:
- Die Bilder mussten aufwendig mit einer gemieteten 360°-Kamera geschossen werden. Die Art der Kamera erforderte ein mühsames Wegrennen und Verstecken vor jedem Auslösen, da die betätigende Person sonst auf dem Bild erschien. Aber selbst dann war noch das Stativ der Kamera auf den Aufnahmen ersichtlich.
- Teilweise visuelle Störungen konnten nicht vermieden werden.
- Die korrekte Verknüpfung der Aufnahmen mit der Fortbewegung war komplizierter als gedacht.
- Es wäre zwar eine „echte“ virtuelle Tour gewesen, die aufgrund dessen allerdings ein Durchklicken durch die ganze Bibliothek erforderte und keinen Überblick über die vorhandenen Informationen bot. Ein schnelles Informieren war also auch hier nicht möglich.
- Eine Einbindung in die Bibliotheks-Webseite gestaltete sich als schwierig.
- Für gewisse Themen wären trotzdem zusätzliche Videos nötig gewesen, die nicht direkt in das Dollhouse integriert werden konnten.
Als Aufnahme-Versuch diente das Erdgeschoss der Bibliothek. Die Ausarbeitung des Dollhouse blieb allerdings aufgrund der Nachteile ein angefangener Prototyp und wurde nicht weiterverfolgt. Trotzdem gab es den Anstoß zu der Sammlung an einzelnen Kurzvideos, die nun die Virtuelle Tour ausmachen.
Virtuelle Tour
Vier Mitarbeitende der BibMED erstellten im Jahr 2022 über mehrere Monate hinweg einen Großteil der nun verfügbaren Videos, um beim Studienbeginn erstmals eine verkürzte Bibliothekseinführung mit Verweis auf die Virtuelle Tour durchführen zu können („Go Live“). Das Konzept der Videos ist eine unterhaltsame Darstellung von Inhalten mit multimedialen Elementen, die ein einzelnes Thema der Bibliothek zusammenfassend und möglichst nicht monoton oder langweilig erklären. Der Weg dahin war jedoch nicht ohne Stolpersteine: Zu Beginn des Projekts fehlte bei den meisten der vier Projektmitglieder jegliche Erfahrung in der Videoproduktion. Als Starthilfe gaben zwei versierte Studierende, die aufgrund ihres Podcasts „Swissmedtalk“ (https://www.youtube.com/channel/UCPap0kUgtwQ1-JtWv4wpKjQ) über ein breites Multimedia-Wissen verfügen, eine eineinhalbstündige Einführung. Sie vermittelten die wichtigsten Techniken und Vorgehensweisen bei ihrer Videoproduktion und gaben Tipps und Empfehlungen für Plattformen und Programme. Dies bildete die Grundlage für das darauffolgende Ausprobieren und Learning by Doing seitens der Projektmitglieder, ergänzt durch Tutorials auf YouTube und LinkedIn Learning. Da die Universität Bern eine Campus-Lizenz für Adobe-Programme inklusive der Bilddatenbank Adobe Stock besitzt, waren und sind diese noch immer die Mittel der Wahl für jegliche Multimedia-Erzeugnisse – Adobe Premiere Pro für den ganzheitlichen Schnitt der Videos, Animate und After Effects für komplexere Animationen. Swissmedtalk wies damals zusätzlich auf die Plattform Envato Elements (https://elements.envato.com/de/) hin, die ergänzend zu Adobe Stock Bild-, Video- und Tonmaterial enthält. Gerade für Soundeffekte erwies sich Envato Elements als unverzichtbar.
Mit einer vorgängig festgelegten Vorgabe von ungefähr 30 bis 90 Sekunden pro Video sind bisher 29 Videos erstellt worden. Diese wurden auf
- Youtube (https://www.youtube.com/playlist?list=PLR6CA6hb03ZSh_wuLM3etjxdpwKTEyULD),
- Instagram (https://www.instagram.com/bibmedbern/) und
- der Webseite der BibMED (https://www.ub.unibe.ch/teilbibliotheken/medizin/bibliothek_medizin/virtuelle_tour/index_ger.html)
veröffentlicht. Die Streuung der Publikation auf diese unterschiedlichen Orte geschah bewusst: Youtube dient einerseits simplen Archivierungszwecken, andererseits lassen sich diese Links am einfachsten verbreiten und in die Webseite einbinden. Zusätzlich kann auch auf die ganze Playlist mittels eines einzelnen Links verwiesen werden. Die Aufrufzahlen und Like- und Kommentar-Möglichkeiten geben Auskunft über die Nachfrage und Beliebtheit einzelner Themen, was wiederum auf Unklarheiten oder Probleme in einem Prozess hinweisen kann. Instagram dagegen soll keine ordentliche Übersicht aller Videos bieten, sondern primär eine größere Reichweite pro Thema erzielen. Die Chancen stehen somit besser, dass Studierende beispielsweise über die Bücherboxen Bescheid wissen, als wenn die Veröffentlichung nur auf Youtube und der Webseite stattfände. Die generellen Vorzüge von öffentlichen und von überall aus zugänglichen Videos, die in sich geschlossen ein Thema kurz und bündig behandeln, liegen auf der Hand: Der Abruf von Informationen geschieht „on demand“, eine Informationsflut wird vermieden, Bibliothekseinführungen können drastisch verkürzt werden, die Einbindung und Verbreitung geschieht mit einfachen Links und mehrere der Videos weisen eine UB-weite Relevanz auf (und sind somit auch für andere Teilbibliotheken der Universitätsbibliothek Bern nutzbar, z.B. jene zu VPN, E-Books und Kurier). Das Corporate Design – „BibMED-Blau“, das Logo und die Frutiger-Schrift der UniBE – und die einheitliche Gestaltung der Videos schaffen zudem einen Wiedererkennungswert und spiegeln sich in allen Auftritten der BibMED wider, online sowie vor Ort.
Adaptierbarkeit und Zukunftsperspektive
Ein Projekt im Stil der Virtuellen Tour ist grundsätzlich sehr gut adaptierbar für andere Bibliotheken. Selbst mit wenig Erfahrung im Team kann mit Motivation, Kommunikation und Leistungsbereitschaft ein Angebot gestaltet werden, das die eigene Bibliothek gegenüber Benutzenden zugänglicher und moderner auftreten lässt. Auch wenn die Videos alleine das Bild einer Bibliothek vermutlich nicht komplett umzuschwenken vermögen, so bewegt sich das Image doch in Richtung Kundenorientierung und einem Gespür für die sich immer verändernden Bedürfnisse. Bibliotheken sollen nicht träge auf solche Veränderungen reagieren, sondern aktiv mitgestalten und ausprobieren, was den Benutzenden – und im Setting der BibMED vor allem auch den Medizinstudierenden – im Prozess der Informationsbeschaffung dienlich sein kann. Trotzdem muss auch eine Abwägung des entstehenden Aufwands miteinberechnet werden, der sich bei einem Projekt wie der Virtuellen Tour auf die jeweiligen Vorkenntnisse der Mitarbeitenden konzentriert. Je geringer die Kenntnisse, desto höher die Einarbeitungszeit. Zu berücksichtigen sind in erster Linie die Auswahl der Verarbeitungsprogramme, der Umgang mit Video- und Audiomaterial (sowohl in Produktion als auch im Schnitt) und die Entwicklung eines Flairs für den gewünschten Stil der Videos. Wie das Beispiel der BibMED aufzeigt, muss die Einarbeitung nicht von Null auf geschehen, sondern kann durch eine erste gemeinsame Schulung ins Rollen gebracht werden. Sollte der Ausblick auf den Aufwand zu groß sein, kann zum Beispiel auch das Engagieren von Studierenden mit Multimediaaffinität eine Option sein, die die Videos für die Bibliothek produzieren oder sie maßgebend beim Prozess unterstützen.
Für die BibMED – und potenziell auch für weitere Bibliotheken, die diesen Ansatz zu adaptieren gedenken – hat die Virtuelle Tour sowohl in der aktiven Projektphase als auch nach dem Go Live einen unschätzbaren Wert erlangt. Sie schafft die Brücke zwischen Bibliothek und Benutzenden, indem sie die Zielgruppe virtuell an deren belebtestem Aufenthaltsort abholt: den sozialen Medien. Dem veränderten Informationsverhalten mit zunehmender Schnelllebigkeit und abnehmender Online-Aufmerksamkeitsspanne wird durch die kurze Dauer und unterhaltsamen Elemente der Videos Rechnung getragen, während die Angebote der Bibliothek innovativ und kreativ beworben werden. Gleichzeitig stellt ein solches Projekt eine enorme Chance dar, die digitalen Fähigkeiten und Kenntnisse der Mitarbeitenden zu fördern und entscheidend zu verbessern. Schließlich soll eine Bibliothek nicht nur in deren Auftritt gegen außen mit Veränderungen mithalten können, sondern auch im Back-Office frisch bleiben.