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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Neue Kompetenzen, neue Handlungsfelder und erweiterte Spielräume. Forschungsunterstützende Services an der UB Wien

New competencies, new fields of action and expanded scope. Research support services at the Vienna University Library

Case Report Forschungsnahe Dienste

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  • corresponding author Susanne Blumesberger - Universitätsbibliothek Wien, Abteilung Repositorienmanagement PHAIDRA-Services, Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2023;23(2):Doc18

doi: 10.3205/mbi000568, urn:nbn:de:0183-mbi0005688

Published: December 19, 2023

© 2023 Blumesberger.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Der Beitrag gibt einen Überblick über die Geschichte und den Aufbau der forschungsunterstützenden Services an der UB Wien, der 2008 mit dem Betrieb eines Publikations- und Datenrepositoriums begann. Dabei wird berichtet, wie bereits in der Pilotphase Forschende eingebunden und wie Kooperationen zu anderen Dienstleistungseinrichtungen der Universität Wien aufgebaut wurden, wie sich die Zusammenarbeit mit dem Zentralen Informatikdienst gestaltet und welche Services, wie zum Beispiel ein Data Stewardship-Modell, im Laufe der Zeit entwickelt werden konnten. Die derzeit verwendeten Systeme, die ein breites Anforderungsprofil aus verschiedenen Fachrichtungen zwischen Open Science und sensiblen Daten abdecken müssen, und ihr Zusammenspiel werden kurz beschrieben. Gezeigt werden soll vor allem, wie ein modular aufgebautes Forschungsdatenmanagement an einer großen, international ausgerichteten und heterogen strukturierten wissenschaftlichen Institution funktionieren kann und welche Lektionen dabei gelernt werden konnten.

Schlüsselwörter: Forschungsdatenrepositorium, Open Science, Forschungsdatenmanagement, Data Stewardship, Forschungsunterstützung

Abstract

This article provides an overview of the history and development of research support services at the Vienna University Library, which began in 2008 with the operation of a publication and data repository. It reports on how researchers were already involved in the pilot phase and how cooperations with other service institutions of the University of Vienna were established, how the cooperation with the Central IT Service has developed, and which services, such as a data stewardship model, have been developed over time. The systems currently in use, which have to cover a wide range of requirements from different disciplines between open science and sensitive data, and their interaction will be briefly described. Above all, it will be shown how a modular research data management system can function at a large, internationally oriented and heterogeneously structured scientific institution and what lessons could be learned in the process.

Keywords: research data repository, open science, research data management, data stewardship, research support


1 Langzeitarchivierung und neue Anforderungen

Die Universität Wien betreibt mit PHAIDRA (Permanent Hosting, Archiving and Indexing of Digital Resources and Assets, https://phaidra.univie.ac.at/) seit 2008 ein für alle Disziplinen und alle Angehörigen der Universität Wien offenes Repositorium [1]. Zwei Jahre davor hatte sich eine Arbeitsgruppe konstituiert, die auf Wunsch des Rektorats Anforderungen an ein Digital Asset Management System, das sich für die langfristige Archivierung von digitalen Objekten aller Art eignen sollte, ausarbeitete. Als das Projekt im April 2007 startete, wurde festgestellt, dass sich keine der am Markt befindlichen Lösungen für die große und heterogene Universität Wien eignete. Die Arbeitsgruppe beschloss die Open-Source-Software FEDORA auszubauen und an die vielfältigen Bedürfnisse der Universität anzupassen. Ein Jahr lang wurde vom Projektteam, das sich an der UB Wien befand, gemeinsam mit einem Team am Zentralen Informatikdienst (ZID) der Universität Wien zahlreiche Gespräche mit Vertreter*innen mehrerer Fakultäten, Institute und Departments geführt, um den diversen Anforderungen an ein Langzeitarchivierungssystem zu entsprechen. Involviert waren dabei unter anderem das Institut für Translationswissenschaft, das Institut für Kunstgeschichte, das Institut für Physik, die Universitätsbibliothek und weitere Stakeholder, darunter natürlich auch der Betriebsrat. Dabei zeigte sich schließlich, wie trotz aller Verschiedenheit der Anforderungen ein gemeinsamer Weg für die permanente Datensicherung aussehen könnte. Im April 2008 wurde PHAIDRA in einer ersten Version gestartet, beworben und mit hohen Erwartungen versehen den Forschenden, Doktorandinnen und Doktoranden sowie den Studierenden und dem allgemeinen Personal übergeben [2]. Doch zunächst blieb die große Nachfrage aus. Zu neu war damals für viele die Idee, die eigenen Daten einem noch unbekannten System anzuvertrauen und sie eventuell auch mit anderen zu teilen, anstatt sie am eigenen Computer zu speichern. Dabei war in diesem Jahr der Vorbereitung nicht nur das technisch Bestmögliche getan worden, sondern auch in juristischen Belangen wurde keine Frage offen gelassen. Es folgten zahlreiche Veranstaltungen, wie PHAIDRA-Roadshows, Vorträge und Gespräche mit potentiellen Nutzenden. Eine erste Lektion musste gelernt werden: Der Aufbau eines gut funktionierenden Systems reicht nicht aus, es braucht Marketing und vertrauensbildende Maßnahmen, um eine gewisse Akzeptanz zu erreichen. Bei all den Aktivitäten rund um PHAIDRA in der Anfangsphase wurde auch gleich Lektion 2 gelernt: Beratungen sollten nicht rein aus bibliothekarischer Sicht erfolgen, sondern auch immer aus technischer. Bis heute ist die enge Zusammenarbeit zwischen UB und ZID, neben all den anderen Akteurinnen und Akteuren unerlässlich. In den Folgejahren stieg die Akzeptanz, es füllte sich nicht nur das Repositorium mit Daten aus unterschiedlichen Quellen, zum Beispiel mit gescannten Büchern, digitalisierten Sammlungsbeständen und Publikationen, sondern auch die Anforderungen veränderten sich, wie beispielsweise der Bedarf nach dem Hochladen ganzer Datensets, statt wie ursprünglich geplant einzelner Objekte. Lektion 3 musste gelernt werden: Das System muss mitwachsen, flexibel bleiben und auf neue Anforderungen reagieren können. PHAIDRA wurde und wird technisch stets weiterentwickelt und an neue Bedürfnisse und Möglichkeiten angepasst. Dadurch wurde es schon sehr früh zu einem Erfolgsmodell, das man auch über die Grenzen Österreichs hinaus einsetzen wollte. Die ersten Kooperationsverträge entstanden und das Netzwerk an PHAIDRA-Anwender*innen erweiterte sich bis heute auf 22 Partner [3], was eine enge Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im Bereich Langzeitverfügbarkeit von Daten zur Folge hat. Mit der Zeit änderte sich auch der Inhalt. Wurden anfangs vor allem Digitalisate aus Sammlungen und Archiven hochgeladen, erkannten bald Forschungsprojekte die Möglichkeiten von PHAIDRA, um dort ihren Forschungsoutput in unterschiedlichen Formaten zugänglich zu machen. Dies geschah jedoch zunächst meist am Ende eines Projekts, als die Finanzierung ausgelaufen war, was nicht selten Probleme hervorrief, wenn es sich um Daten ohne Beschreibungen, ohne Metadaten, oder während der Projektlaufzeit aufgebaute Datenbanken handelte, meist ohne Dokumentation. Immer deutlicher wurde der Bedarf nach projektbegleitenden Lösungen sichtbar, nämlich nach Möglichkeiten, Daten auch bereits während des Forschungsprozesses sicher speichern zu können. Lektion 4 war die Tatsache, dass für eine große heterogene Universität ein einziges System für das Managen von unterschiedlichen Daten in verschiedenen Stadien nicht ausreicht. Neben der zeitlichen Komponente braucht ein umfassendes Datenmanagement auch Anwendungen für eher sensible Daten – etwa aus dem medizinischen Bereich oder für personenbezogene Daten aus Umfragen, die auch wieder gelöscht werden dürfen, was im klassischen Langzeitarchiv PHAIDRA nicht möglich ist und auch nicht sein sollte. Außerdem werden auch fachspezifische anerkannte Repositorien benötigt. Daten, bei denen auch die Beschreibungen nicht nach außen sichtbar sein sollen, können in das interne PHAIDRA geladen werden. Mit diversen Cloudlösungen, Shares, mit GitLAB und AUSSDA (The Austrian Social Science Data Archive, https://aussda.at/) [4] sowie einem Testsystem von PHAIDRA, einer lokalen Instanz, einem den Publikationen gewidmeten Teil von PHAIDRA, das sich u:scholar (https://uscholar.univie.ac.at/) nennt, steht den Forschenden jetzt ein kostenloses Potpourri an unterschiedlichen Angeboten zur Verfügung, das sicher den Anforderungen entsprechend noch weiter wachsen wird. Deshalb sprechen wir jetzt auch von PHAIDRA-Services, einem Bündel an Angeboten, das mehr als nur die Langzeitarchivierung beinhaltet [5]. Spätestens mit der verpflichtenden Einführung eines Datenmanagementplans im Jahr 2019 durch den Wissenschaftsfonds FWF wurde eine weitere Lektion gelernt: Neben gut funktionierenden Systemen bedarf es auch einer umfassenden Beratungstätigkeit auf mehreren Ebenen. Viele Forschende fühlten sich zunächst von den detaillierten Fragen im Datenmanagementplan überfordert. Begriffe wie „Metadatenschema“ oder „Repositorium“ waren nicht oder in einem anderen Zusammenhang geläufig. Die Folge war, dass Projektverantwortliche vermehrt Fragen an die Repositorienbetreiber*innen richteten, mit dem erfreulichen Nebeneffekt, dass diese bereits früh in Projekte Einsicht erhielten und so auch Beratung hinsichtlich der Suche nach Daten oder der Generierung von Daten anbieten konnten. Lektion 6 war damit die Aufforderung den gesamten Forschungsprozess im Auge zu behalten und nicht nur das Endergebnis, also den Forschungsoutput. Daran schließt sich gleich Lektion 7 an, es kommen laufend neue Anforderungen hinzu, die sich aus der Weiterentwicklung der Forschung ergeben. Ein Beispiel dafür ist die ORCID-iD, die auch in die diverse Systemen integriert werden sollte und auf deren Existenz immer mehr Wert gelegt wird [6]. Auf diese Weiterentwicklungen muss flexibel reagiert werden können. Die European Open Science Cloud (EOSC, https://eosc-portal.eu/) spielt im Bereich Forschungsdatenmanagement ebenfalls eine immer größere Rolle. Daten und Metadaten sollen möglichst maschinenlesbar, rasch und barrierefrei zur Verfügung stehen, deshalb wird eine Vernetzung der Repositorien vehement eingefordert. Dazu kommen noch die technischen Weiterentwicklungen, wie etwa der vermehrte Gebrauch von Tablets und Smartphones in der Forschung, aber auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Diese zum Teil raschen Entwicklungen verändern auch stets die Aufgaben im Bereich Datenmanagement.


2 Prämissen in PHAIDRA

Trotz ständiger Weiterentwicklungen und Veränderungen basiert das Langzeitarchivierungssystem PHAIDRA nach 15 Jahren immer noch auf einigen Grundsätzen, die sich gut bewährt haben und wahrscheinlich auch in Zukunft beibehalten werden. Die in [7] aufgeführten Prämissen gelten deshalb weiterhin.

1.
Das System ist für alle Angehörigen der Universität Wien, Studierende, Doktorand*innen, Forschende, Lehrende und Personen aus der Verwaltung mit dem eigenen Universitätsaccount nutzbar.
Dieser freie Zugang ist durch die Nutzungsbedingungen möglich und soll dazu beitragen, dass keine wertvollen Daten aus Forschung oder Administration verloren werden. Studierende werden als Forschende von morgen gesehen, sie werden angeregt, eigenverantwortlich zu handeln und ihre Daten bewusst anderen zur Verfügung zu stellen.
2.
Es gibt keine inhaltliche Überprüfung der Objekte.
Damit bleibt die Entscheidung, was archiviert wird, bei den Wissenschafter*innen und wird nicht an administratives Personal ausgelagert. Eine fachliche Überprüfung der Daten wäre alleine aus Kapazitäts- und Kompetenzgründen nicht möglich. Die Metadaten werden aus demselben Grund nur formal geprüft.
3.
Die Daten werden langzeitarchiviert, jedes Objekt erhält einen handle-Link, das Löschen ist nicht möglich.
Inzwischen kann für jedes Objekt ein DOI beantragt werden [8]. Aus Gründen der Nachvollziehbarkeit kann ein Objekt nur gesperrt, nicht aber gelöscht werden, wobei die Metadaten auch sichtbar bleiben, wenn die Daten selbst nicht mehr zugänglich sind. Versionierungen sind jederzeit möglich, diese Versionen erhalten aber einen eigenen permanenten Link und können auch individuell mit Beschreibungen versehen werden. Die Versionen sind miteinander verknüpft und werden den User*innen angezeigt.
4.
PHAIDRA folgt grundsätzlich der Open Access Policy der Universität Wien.
Ist Open Access aus rechtlichen oder ethischen Gründen nicht möglich, kann der Zugriff granular (gesamte Universität Wien, Institute, Personengruppen, Einzelpersonen) eingeschränkt und mit einer Embargofrist versehen und von der Person, die das Objekt hochgeladen hat, auch jederzeit wieder verändert werden. Das ermöglicht beispielsweise Projekten die rasche Sicherung der Daten ohne sie sofort für alle einsehbar machen zu müssen.
5.
Die frei zugänglichen Objekte sind automatisch in Suchmaschinen auffindbar. Die beschreibenden Daten, die Metadaten, sind auch dann auffindbar, wenn die Objekte gesperrt sind.
Dies erhöht die Sichtbarkeit der Forschung und der Forschenden und erleichtert die Vernetzung der Wissenschaftler*innen, eignet sich jedoch nicht für sensible, zum Beispiel personenbezogene Daten.
6.
Es müssen acht Metadatenfelder verpflichtend ausgefüllt werden.
Hier gab es kürzlich eine Änderung. Zu den von Beginn an fünf verpflichtenden Metadatenfeldern (Titel, Autor, Beschreibung, Sprache, Lizenz), kamen drei weitere (Stichwort, Schlagwort und Organisationseinheit) hinzu, um einerseits die Auffindbarkeit der Objekte zu erleichtern und andererseits auch die Objekte intern besser zuordnen zu können. Die Pflichtmetadatenfelder haben auch den Vorteil, dass ein Austausch mit anderen Systemen einfacher wird.
7.
Die Metadaten können vom Owner jederzeit verändert oder ergänzt werden.
Damit können Objekte im Nachhinein mit weiteren Informationen angereichert werden, bzw. der beschriebene Kontext aktuell gehalten werden. Die Metadaten werden von den Forschenden selbst eingegeben, damit entsprechen sie den jeweiligen wissenschaftlichen Standards. Die Bibliothek bietet zusätzlich Unterstützung beim Ausfüllen der Metadatenfelder an.
8.
Die Metadaten sind frei nutzbar.
Dies ermöglicht den Austausch mit anderen Systemen, Objekte aus PHAIDRA können beispielsweise in der Europeana (https://www.europeana.eu/de) oder über OpenAIRE (https://www.openaire.eu/) dargestellt werden.
9.
Die Daten können in sämtlichen Formaten in PHAIDRA gestellt werden.
Dabei gibt es allerdings hinsichtlich der Langzeitverfügbarkeit einige Empfehlungen [9]. Datenformate, die diesen Empfehlungen entsprechen, werden im Bedarfsfall, wenn ein Format in der Zukunft von einem anderen abgelöst werden sollte, in aktuelle Formate übertragen. Alle anderen Objekte verbleiben unverändert im System.
10.
Die Objekte sind in unterschiedlicher Art und Weise miteinander verknüpfbar.
Objekte können in Form von Sammlungen („Collections“) miteinander in Verbindung gebracht werden. Dabei muss es sich nicht um eigene Objekte handeln. Jede Collection erhält einen eigenen permanenten Link und eine eigene Beschreibung. Damit kann ein Konvolut an Daten mittels eines einzigen Links zur Verfügung gestellt werden. Eine weitere Möglichkeit ist es, sogenannte Container zu erstellen. Diese enthalten Objekte, die nicht einzeln aufgerufen werden können, da sie in enger Beziehung zueinander stehen, wie zum Beispiel eine Fotoreihe. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, Vorder- und Rückseiten von Bildern zu definieren und miteinander zu verbinden.
11.
Die Wiederverwendbarkeit der Daten wird durch den Einsatz von Lizenzen (CC-BY-Lizenzen, GNU, Public Domain Marke) geregelt.
Diese Lizenzen, die regeln, ob und wie die Objekte genutzt werden dürfen, werden vom Owner pro Objekt festgesetzt und können aus rechtlichen Gründen nach dem Hochladevorgang nicht mehr verändert werden. Es gibt jedoch die Möglichkeit zunächst keine Lizenz zu wählen, dabei greift das Urheberrecht und der Owner kann danach jederzeit einmalig eine Lizenz vergeben. Auch hier bietet die UB Wien Unterstützung an.

Diese Überlegungen führten dazu, dass PHAIDRA heute für sehr viele Zwecke von Forschenden aus unterschiedlichen Disziplinen eingesetzt werden kann und immer stärker für unterschiedliche Datentypen genutzt wird. Neben Digitalisaten aus Sammlungen, Bibliotheken und Archiven wie historische Karten oder Fotosammlungen werden auch audiovisuelle Medien, Publikationen, offene Lehr- und Lernressourcen und Forschungsdaten sowie die Abschlussarbeiten der Universität Wien archiviert. Lektion 8 könnte demnach sein, mutig andere Wege einzuschlagen, aber flexibel genug zu bleiben, um auch immer wieder nötige Anpassungen machen zu können.

Die Wahrnehmung von PHAIDRA hat sich im Laufe der Zeit verändert, was sich an der Art der Anfragen zeigt. Standen zu Beginn des Repositoriums vor allem Fragen zur langfristigen Archivierung, die zumindest 10 Jahre garantiert wird, im Mittelpunkt, verlagerte sich das Interesse der Forschenden bis weit vor den Zeitraum des Hochladens der Daten [10]. Der Bedarf nach Möglichkeiten für eine zeitlich begrenzte Speicherung der Daten wurde immer wichtiger, technische, juristische und zunehmend auch ethische Fragen stehen heute im Vordergrund.

Ein wesentlicher Grund für den neuen Fokus ist die Entwicklung der Technik, wie der Einsatz mobiler Endgeräte oder der Künstlichen Intelligenz. Das Bewusstsein, wie wichtig es für eine nachhaltige Forschung ist, Daten auch anderen Forschenden zur Verfügung zu stellen, entwickelte sich in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich rasch [11]. Die Einführung von verpflichtenden Datenmanagementplänen durch die Fördergeber beschleunigte einerseits den bewussten Umgang mit den eigenen Daten, führte jedoch auch oft zu Unsicherheit und Überforderung auf Seiten der Forschenden. Gleichzeitig schärfte die Datenschutzgrundverordnung den kritischen Blick auf sensible Daten. Zu diesen Veränderungen kamen auch noch die Pandemie und damit die zeitweise Schließung von Bibliotheken und Archiven. Da einige Forschungsdisziplinen immer noch stark von der Zugänglichkeit der analogen Quellen abhängig sind, ist die Frage nach einer raschen Digitalisierung von Objekten nach wie vor akut.

Lektion 9 könnte sein, immer neuen Themen im Bereich Datenmanagement gegenüber offen zu bleiben.

2.1 FAIR und CARE

Die Einhaltung der FAIR-Data Principles [12] erleichtert nicht nur die unmittelbare Nachnutzung des Forschungsoutputs, sondern auch den raschen Austausch der Daten und Metadaten. Das ist nicht nur für die immer internationaler und transdisziplinärer werdende Arbeitsweise der Forschenden wichtig, sondern auch um eine möglichst umfangreiche und qualitätsgeprüfte Datenbasis zu schaffen und somit Fake-News entgegenzuwirken zu können. Die bislang nicht so bekannten CARE-Principles [13] werden derzeit in manchen Forschungsbereichen ebenfalls heftig diskutiert, denn Daten sollten einen Collective Benefit haben, Authority to Control sollte bei den Datenlieferant*innen verbleiben, Responsibility, also die Verantwortung sollte selbstverständlich sein, ebenso wie die Einhaltung ethischer Grundprinzipien.

2.2 Open Access und Open Science

Die Universität Wien verfügt über eine Open Access Policy [14] und auch die Repositorien unterstützen den Gedanken, Daten möglichst offen zu halten, aber das ist nicht immer möglich, wenn es sich beispielsweise um sensible Daten handelt. Eine weitere Lektion war deshalb, dass es auch Bereiche für geschlossene Daten geben muss. 2021 wurde nach einer intensiven Diskussion mit diversen Stakeholdern unter Einbeziehung des Betriebsrates an der Universität Wien die Forschungsdatenpolicy unterzeichnet, die den Umgang mit Daten regelt und auf diverse Services und Tools verweist [15]. Dabei wurde darauf geachtet möglichst viele unterschiedliche Fallbeispiele zu berücksichtigen und die Policy möglichst generisch zu halten, da sich Forschende aller Fachdisziplinen angesprochen fühlen sollen. Zusätzlich werden FAQs (https://rdm.univie.ac.at/rdm-policy-and-faq/) angeboten, die wichtige Begriffe erklären und jederzeit ergänzt werden können, sowie Hinweise auf Unterstützung.


3 Vernetzungen

Lektion 11 bestand darin, die Wichtigkeit von Netzwerken auf verschiedenen Ebenen zu erkennen.

3.1 Interne Netzwerke

3.1.1 Vernetzung von Services

PHAIDRA und u:scholar sind ein Teil der forschungsunterstützenden Services (https://bibliothek.univie.ac.at/forschungsunterstuetzung/) an der UB Wien. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl an Angeboten, die den gesamten Projektlebenszyklus umfassen, von der Recherche über die Archivierung bis zur Nachnutzung der Daten. Der Fokus liegt dabei auf den Bedürfnissen der Forschenden, die derzeit folgende kostenlose Angebote zur Verfügung haben:

1.
Literaturrecherche: Datenbanken, Suchmaschinen, Kataloge, Fernleihe von gedruckten Werken
2.
Datenrecherche: PHAIDRA, AUSSDA, Sammlungen der Universität Wien (https://bibliothek.univie.ac.at/sammlungen/)
3.
Unterstützung bei der Durchführung von Forschungsprojekten: Digitalisierungsservice (https://bibliothek.univie.ac.at/digitalisierung.html), Forschungsdatenmanagementberatung, Beratung bei der Erstellung von Datenmanagementplänen, Beratung bei EU-Projekten (https://bibliothek.univie.ac.at/openaire.html)
4.
Unterstützung bei der Archivierung der Daten: PHAIDRA und AUSSDA
5.
Publikationsunterstützung durch das Open Access Büro (https://openaccess.univie.ac.at/), u:scholar (https://uscholar.univie.ac.at/), Publikationsfonds (https://openaccess.univie.ac.at/foerderungen/oa-publikationsfonds/), Open Journal System
6.
Unterstützung bei der Sichtbarmachung der eigenen Forschung: Bibliometrische Services (https://bibliothek.univie.ac.at/bibliometrie/), ORCID-ID (https://bibliothek.univie.ac.at/bibliometrie/orcid.html), DOI-Dienst, Forschungsinformationssystem u:cris (https://ucrisinfo.univie.ac.at/)
7.
Open Science Support (https://bibliothek.univie.ac.at/forschungsunterstuetzung/open_science_support.html): Die Universität Wien unterstützt durch mehrere Aktivitäten, unter anderem auch durch die Zurverfügungstellung von Repositorien Open Science, die UB Wien und der ZID sind an mehreren nationalen und internationalen Projekten beteiligt.
3.1.2 Zusammenarbeit mit dem Zentralen Informatikdienst

Fast alle dieser Angebote sind nur in Verbindung mit der IT denkbar, deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit dem Zentralen Informatikdienst der Universität Wien essentiell. Zwischen dem ZID und der Universitätsbibliothek findet ein regelmäßiger Austausch auf allen Ebenen statt, beide Dienstleistungseinheiten unterstehen dem Vizerektorat für Digitalisierung und Wissenstransfer.

3.1.3 Zusammenarbeit mit den Forschenden

Der ständige Kontakt mit den Forschenden ist ebenfalls unverzichtbar, denn nur so kann erkannt werden, welche Angebote im Rahmen des Datenmanagements wirklich benötigt werden und wie diese stets aktuell gehalten werden können. Dieser Kontakt wurde durch den Start der Datastewards an derzeit drei Fakultäten intensiviert. Durch die fachliche Expertise der Datastewards kann noch spezieller auf Anforderungen eingegangen werden.

3.1.4 Forschungsunterstützende Services

Um reibungslos zusammenarbeiten und rasch auf unterschiedliche Anfragen von Forschenden reagieren zu können, wurde eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe gegründet, die sich aus Personen der UB Wien, des ZID, dem Center for Teaching and Learning, den Datastewards und einigen weiteren Personen zusammensetzt. Die Webseite https://rdm.univie.ac.at/de/ bündelt all diese Services, eine Servicemailadresse, ein gemeinsames Wiki sowie ein Ticketsystem regeln die Kommunikation. Außerdem finden regelmäßige Treffen statt, bei denen aktuelle Fragen diskutiert werden.

3.2 Nationale Netzwerke

Mit den vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) initiierten und finanzierten Projekten „e-infrastructures“ (https://e-infrastructures.univie.ac.at/) (2014–2016) und „e-infrastructures plus“ (https://forschungsdaten.info/fdm-im-deutschsprachigen-raum/oesterreich/projekte/e-infrastructures-austria-plus/) (2017–2019) startete eine enge Zusammenarbeit mehrerer Österreichischer Hochschulen, um gemeinsam in Arbeitsgruppen an Fragen rund um das Datenmanagement zu arbeiten. Auch das Projekt „FAIR Data Austria“ (https://forschungsdaten.at/fda/) (2020–2022), das zur Stärkung des Wissenstransfers zwischen Universitäten, Wirtschaft und Gesellschaft beitragen sollte, unterstützte die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Einrichtungen. Dieses war Teil des Digitalisierungs-Clusters „Forschungsdaten“, finanziert durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und ermöglichte unter anderem auch die Entwicklung von Tools wie zum Beispiel den machine-actionable Datamanagement Plan, den mehrere Universitäten einsetzen. 2023 schloss das Projekt „Shared RDM Services“ (https://forschungsdaten.at/sharedrdm/) daran an. Ziel ist es, einen Rahmen zu schaffen, um ausgewählte Tools und Infrastrukturen im Bereich FDM als Shared Services für österreichische Universitäten und Forschungseinrichtungen anzubieten.

Mit der Gründung des Netzwerks für Repositorienmanager*innen (RepManNet, https://datamanagement.univie.ac.at/forschungsdatenmanagement/netzwerk-fuer-repositorienmanagerinnen-repmannet/) 2016, das gemeinsam mit dem Forum Universitätsbibliotheken Österreichs (ubifo, https://ubifo.at/) betrieben wird, entstand ein Freiraum für einen regen Austausch mit allen an Repositorien interessierten Personen aus ganz Österreich. Das Netzwerk kann mittels Mailingliste genutzt werden um rasch Fragen abzuklären oder sich über Neuigkeiten zu informieren, es besteht jedoch auch die Möglichkeit, gemeinsam in Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Themen zu arbeiten und darüber zu publizieren.

3.3 Internationale Netzwerke

International ist die Abteilung Repositorienmanagement PHAIDRA-Services an mehrere Netzwerke angebunden und in diversen Arbeitsgruppen tätig, unter anderem in COAR (https://www.coar-repositories.org/) und OpenAIRE. Eine weitere Community ist durch die insgesamt 22 PHAIDRA-Kooperationspartner entstanden. Institutionen in Österreich, Serbien und Italien verwenden ebenfalls das System [3]. Es findet regelmäßig ein Austausch über technische Fragen, aber auch über andere Themen statt. Es findet jährlich eine PHAIDRACon (https://phaidracon.univie.ac.at/) statt, bei der es neben dem fachlichen Austausch der Kooperationspartner auch einen Tag mit Vorträgen und mehrere Podcasts gibt.

Die European Open Science Cloud (EOSC), die derzeit im Entstehen ist und Forschungsdatenmanagementaktivitäten international verknüpfen wird, wird natürlich ebenfalls große Auswirkungen auf die Tätigkeiten der nationalen und lokalen Institutionen und ihre forschungsunterstützenden Services haben.


4 Fazit und Ausblick

Die technischen aber auch strukturellen Entwicklungen der letzten Jahre haben die Landschaft rund um das Datenmanagement wesentlich verändert. Verpflichtende Datenmanagementpläne, die Implementierung diverser Services wie auch Forschungsdatenrepositorien und die Verabschiedung von Forschungsdatenpolicies an mehreren Universitäten [16] schärften das Bewusstsein für ein nachhaltiges Datenmanagement und erhöhten zugleich den Bedarf an diversen Unterstützungen. Größere Universitäten reagierten darauf unter anderem mit dem Aufbau von so genannten Datastewards, die als Forschende, die sich für den administrativen Bereich entschieden haben, andere Forschende bei der Bewältigung des Datenmanagements unterstützen. An der Universität Wien wurde ein Zertifikatskurs „Data Stewardship“ [17] eingerichtet, der sehr gut angenommen wird. Damit kann die Unterstützung im Bereich Datenmanagement fachspezifisch angeboten werden. In Zukunft sollen die Datastewards aus unterschiedlichen Universitäten enger und vernetzter zusammenarbeiten. Auch Schulungsmaterialien sollen barrierefrei gestaltet sein und rasch mit anderen Personen geteilt werden können, wie es bei den Open Educational Ressources der Fall ist. Damit haben Bibliotheken in Zusammenarbeit mit den IT-Abteilungen eine neue wichtige Aufgabe erhalten, die neue Expertisen und eventuell auch neue, den Wissenschaftler*innen angepasste Arbeitsrahmenbedingungen benötigt. Lektion 12 könnte deshalb sein zu erkennen, dass manchmal auch Strukturen verändert werden müssen, um kommende Herausforderungen gut meistern zu können.


Anmerkungen

ORCID der Autorin

Susanne Blumesberger: 0000-0001-9018-623X

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Blumesberger S. PHAIDRA. Digitale Langzeitarchivierung an der Universität Wien. In: Fennesz-Juhasz C, Fröschl G, Hubert R, Lechleitner G, Steinlechner S, Hrsg. Digitale Verfügbarkeit von audiovisuellen Archiven im Internet-Zeitalter. Beiträge zur Tagung der Medien Archive Austria und des Phonogrammarchivs der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dietrich Schüller zum 70. Geburtstag. Berlin: LIT; 2010. p. 77-84.
2.
Blumesberger S. Digitale Objekte sichern, beschreiben, archivieren und rasch verbreiten. Wie das digitale Langzeitarchivierungssystem PHAIDRA an der Universität Wien eingesetzt werden kann. In: Missomelius P, Sützl W, Hug T, Grell P, Kammerl R, Hrsg. Medien – Wissen – Bildung. Freie Bildungsmedien und Digitale Archive. Innsbruck: Innsbruck University Press; 2014. p. 127-41.
3.
PHAIDRA Partners. University of Vienna; [zuletzt aufgerufen am 21.11.2023]. Verfügbar unter: https://phaidra.org/community/phaidra-partners/ External link
4.
Heider V. AUSSDA – Das sozialwissenschaftliche Datenarchiv mit europäischer Komponente. Mitteilungen der VÖB. 2018;71(1):181-9. DOI: 10.31263/voebm.v71i1.1996 External link
5.
Universität Wien. Repositorienmanagement PHAIDRA-Services. Verfügbar unter: https://datamanagement.univie.ac.at/ External link
6.
Universität Wien. ORCID ID in PHAIDRA. Verfügbar unter: https://datamanagement.univie.ac.at/forschungsdatenmanagement/orcid-id/ External link
7.
Blumesberger S. Forschungsdatenmanagement gestern, heute und morgen zwischen FAIR, CARE und EOSC. Ein Praxisbericht der Universität Wien. b.i.t. online. 2020;23(5):500-8.
8.
Universität Wien. DOI Service der Universität Wien. Verfügbar unter: https://doi-service.univie.ac.at/ External link
9.
Universität Wien. PHAIDRA: Unterstützte Formate. Verfügbar unter: https://datamanagement.univie.ac.at/ueber-phaidra-services/formate/ External link
10.
Blumesberger S, Ganguly R. Der Umgang mit heterogenen (Forschungs-)daten an einer wissenschaftlichen Bibliothek – Use Cases und Erfahrungen aus technischer und nicht technischer Sicht an der Universität Wien. In: Forschungsdaten – Sammeln, sichern, strukturieren. 8. Konferenz der Zentralbibliothek, Forschungszentrum Jülich, WissKom 2019; 2019 Jun 4-6; Jülich, Germany. Jülich: Verlag des Forschungszentrums Jülich; 2019. p. 193-200. (Schriften des Forschungszentrums Jülich Reihe Bibliothek/Library; 23). Verfügbar unter: http://hdl.handle.net/2128/22274 External link
11.
Hagmann D. Überlegungen zur Nutzung von PHAIDRA als Repositorium für digitale archäologische Daten. Mitteilungen der VÖB. 2018;71(1):53-69. DOI: 10.31263/voebm.v71i1.1974 External link
12.
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13.
Global Indigenous Data Alliance. CARE Principles for Indigenous Data Governance. Verfügbar unter: https://www.gida-global.org/care External link
14.
Open Access Policy der Universität Wien. 2014. Verfügbar unter: https://openaccess.univie.ac.at/oa-basisinfos/oa-policy-der-uni-wien/
15.
Universität Wien. Research Data Management Policy at the University of Vienna. Verfügbar unter: https://rdm.univie.ac.at/rdm-policy-and-faq External link
16.
Forschungsdatenpolicies. In: Forschungsdaten.info. Verfügbar unter: https://forschungsdaten.info/fdm-im-deutschsprachigen-raum/oesterreich/fdm-policies/
17.
Universität Wien – Postgraduate Center. Data Steward. Verfügbar unter: https://www.postgraduatecenter.at/en/programs/communication-media/data-steward/ External link