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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Literaturversorgung im Umbruch – eine Bestandsaufnahme der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz

Supply of academic literature in transition – a case report from the University Library of Graz Medical University

Case Report Medizinische Literaturversorgung im Umbruch

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GMS Med Bibl Inf 2022;22(1):Doc07

doi: 10.3205/mbi000525, urn:nbn:de:0183-mbi0005256

Published: September 16, 2022

© 2022 Grossmaier-Stieg.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Wissenschaftliche Bibliotheken, im Speziellen Medizinbibliotheken, unterliegen bereits seit vielen Jahren einem stetigen Wandel, beeinflusst vor allem von der fortschreitenden Digitalisierung. Dieser Wandel hatte und hat auch Auswirkungen auf das Bestandsmanagement von Bibliotheken. Elektronische Zeitschriften, E-Books und Datenbanken sind seit vielen Jahren „state of the art“ in Bibliotheken. Seit geraumer Zeit drängen neue, digitale, oftmals interaktive Lern- und Lehrplattformen auf den Markt. Der vorliegende Beitrag zeigt eine Bestandsaufnahme der Literaturversorgung an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz, Herausforderungen und Auswirkungen der neuen Formate sowie einen kurzen Ausblick auf weitere Entwicklungen.

Schlüsselwörter: Literaturversorgung, Medizinbibliotheken, Digitalisierung, Lernplattformen, Open Access

Abstract

Academic libraries, in particular medical libraries, have been subject to constant change for many years, primarily influenced by ongoing digitization. This change had, and still has, effects above all, but not only, on the collection management of libraries. Electronic journals, e-books and databases have been state of the art in libraries for many years. New, digital and often interactive learning and teaching platforms have been entering the market for some time. This article shows the status quo of how and which literature is supplied by the University Library at the Medical University of Graz, the challenges and effects of the new formats as well as a brief outlook on further developments.

Keywords: literature supply, medical libraries, digitization, learning platforms, open access


1 Einleitung

Wie an vielen anderen Bibliotheken unterliegt die Literaturversorgung der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Graz (UB Med Uni Graz) einem stetigen Wandel, dessen Intensität und Geschwindigkeit aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und digitalen Transformation sowie der sich ändernden Benutzer*innenbedürfnisse und der neuen Angebote auf dem wissenschaftlichen Informationsmarkt weiter zunehmen wird. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über den Status quo der Literaturversorgung an der Med Uni Graz, rezente Veränderungen und Neuerungen, und einen Ausblick auf künftige Herausforderungen.


2 Profil der UB Med Uni Graz

Die UB Med Uni Graz sieht sich als moderne Wissens- und Informationsorganisation. Sie erwirbt und erschließt digitale und analoge Medien, bietet Lernobjekte und interaktive Lernformen an, stellt eine funktionale Raumausstattung und technische Infrastruktur bereit, vermittelt Informations- und Medienkompetenz und fördert den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information. Durch Kooperationen mit verschiedensten Partner*innen wird das Leistungsspektrum der Universitätsbibliothek stetig erweitert, neue Ideen entwickelt und Projekte umgesetzt.

Die Bestände an der UB Med Uni Graz stellen sich aktuell wie folgt dar:

  • 245 von den Lehrenden empfohlene Titel in der Lehrbuchsammlung (ca. 4.700 Exemplare)
  • 2.000 Nachschlage- und Grundlagenwerke
  • ca 1.200 E-Books, davon ca. 150 aktuelle E-Books aus der Lehrbuchsammlung
  • ca. 5.800 elektronische Zeitschriften
  • 70.000 Zeitschriftenbände
  • 13 Datenbanken
  • 1.600 Hochschulschriften in gedruckter und elektronischer Form
  • 6 Koffer mit anatomischen Knochenmodellen
  • 6 Schädelmodelle
  • 8 mobile Sonographiegeräte

Die UB Med Uni Graz ist bereits seit vielen Jahren eine stark digital geprägte Bibliothek. Jene Ressourcen, die vorwiegend von Wissenschafter*Innen genutzt werden (z.B. Fachjournale) werden bereits seit einigen Jahren ausschließlich in elektronischer Form angeboten. Ressourcen für Studierende werden – auch basierend auf Rückmeldungen von Studierenden bzw. der Studierendenvertretung der Med Uni Graz – weiterhin in gedruckter Form genutzt und deshalb auch in dieser Form angeboten.


3 Printbestand an der UB Med Uni Graz

Nach Studienplanänderungen 2018/2019 wurden die gedruckten Bücher der Lehrbuchsammlung der UB Med Uni Graz einer Revision unterzogen und neu organisiert. Ziel des Projekts war es, das Literaturangebot der Lehrbuchsammlung mit den Literaturempfehlungen der Lehrenden abzustimmen sowie auch Literaturwünsche der Studierenden bestmöglich zu erfüllen. Basierend auf einer quantitativen und qualitativen Analyse der bisherigen Inhalte sowie Rückmeldungen seitens der Lehrenden und der Studierenden wurde die Lehrbuchsammlung mit nunmehr 245 Titeln und fast 5.000 Stück neu aufgestellt. Veraltete Lehrbücher, wenig entlehnte Werke und nicht mehr von der Lehre empfohlene Titel wurden durch empfohlene, aktuelle Titel ersetzt. Bei Schlüsselwerken mit hoher Ausleihfrequenz wurden Ausleihen und Vormerkungen ausgewertet und entsprechende Stückzahlen erworben. Als Ergänzung zu den gedruckten Exemplaren wurden – sofern verfügbar und wirtschaftlich sinnvoll – die jeweiligen elektronischen Ausgaben lizensiert (fast zwei Drittel der gedruckten Lehrbücher sind inzwischen auch als E-Book verfügbar). Zudem wird durch das Bibliotheksteam laufend sichergestellt, dass sämtliche Lehrbücher ausschließlich in der jeweils aktuellen Auflage zur Verfügung stehen. Neben der Aktualisierung der Lehrbuchsammlung war ein weiteres Ziel des Projekts, den Grundstein für nachhaltige Kommunikationswege und Arbeitsprozesse zwischen der Bibliothek und den Instituten und Kliniken aufzubauen, um einerseits die vorhandenen Mittel auch künftig ziel- und bedarfsgerecht, aber auch wirtschaftlich einzusetzen und andererseits das Literaturangebot der Lehrbuchsammlung in regelmäßigen Abständen mit den Literaturempfehlungen der Lehrenden abzustimmen. Seit 2019 erhalten Lehrende auf Wunsch einen Neuerscheinungsdienst, mit dem sie über aktuell in ihrem Fachgebiet erschienene Bücher informiert werden. Dieser Neuerscheinungsdienst wurde mit April 2021 um E-Books erweitert. Die Kosten pro Ausleihe liegen über die gesamte Lehrbuchsammlung hinweg im niedrigen einstelligen Eurobereich, wobei es hierbei – in Abhängigkeit vom Fachgebiet und dem Zeitpunkt der Aufnahme in die Lehrbuchsammlung – zum Teil starke Schwankungen gibt. Die Nutzung der nicht entlehnbaren Nachschlagewerke, Grundsatzwerke und Fachbücher wird zwar erhoben, aber nicht als repräsentativ erachtet, da vor Ort verwendete Bücher auch oft direkt von Besucher*Innen genutzt und wieder zurückgestellt werden, diese Nutzungen jedoch nicht ersichtlich sind. Ein damit in Zusammenhang stehendes kurzfristiges Ziel der Universitätsbibliothek ist es, möglichst alle gedruckten Bestände für alle Besucher*innen der Bibliothek entlehnbar zu machen.


4 Elektronische Ressourcen an der UB Med Uni Graz

Angehörige der Med Uni Graz haben über die Universitätsbibliothek Zugang zu mehr als 5.800 elektronischen Zeitschriften, ca. 150 aktuellen E-Books und 13 Datenbanken. Die jährlich auf Titelebene durchgeführte Bestandsevaluierung stellt den Kosten einer lizensierten Ressource deren Nutzung gegenüber. Diese Bestandsevaluierungen dient als Basis für Ankaufs- und Lizenzentscheidungen für das Folgejahr mit dem Ziel, das Medienangebot bedarfsorientiert, aber auch den Maßgaben der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität entsprechend zu optimieren und Studierenden, Lehrenden und Wissenschafter*innen ein möglichst umfassendes Angebot zu bieten. Die Kosten pro Download bei elektronischen Zeitschriften und bei Datenbanken bewegen sich im niedrigen einstelligen Eurobereich, bei den E-Books liegen die Werte sogar deutlich unter einem Euro. Während sich bei den E-Books und Datenbanken Schwankungen bei den Kosten pro Download in Grenzen halten, sind diese bei Journals durchaus vorhanden. Deshalb gibt es beim Bestand an Datenbanken und E-Books eine weitestgehende Kontinuität, während bei Journals wenig genutzte Titel regelmäßig durch stark nachgefragte Titel ersetzt werden.


5 Lernobjekte an der UB Med Uni Graz

Seit Jänner 2022 werden – um das Angebot der physischen und elektronischen Lehrbuchsammlung optimal zu ergänzen – den Studierenden Lernobjekte in der Bibliothek zur Verfügung gestellt. Die UB Med Uni Graz stellt in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Makroskopische Anatomie sechs Koffer mit anatomischen Modellen zur Verfügung. Die Modelle wurden so gut angenommen, dass dieses Angebot mit dem Wintersemester 2022 um sechs Schädelmodelle erweitert wird. Die Benutzung ist vorerst nur vor Ort vorgesehen, wobei diese Modelle dennoch entlehnt werden müssen, bevor sie verwendet werden können. Bislang wurden die Koffer insgesamt fast 100 Mal entlehnt. Dank einer Kooperation mit Sono4You, dem Verein zur Erweiterung der Ultraschallausbildung für Studierende an der Medizinischen Universität Graz, und der ÖH Med Graz (der Studierendenvertretung) können Studierende seit Jänner 2022 auch mobile Sonographiegeräte zum Selbststudium entlehnen. Derzeit stehen insgesamt 8 mobile Geräte für die Ausleihe zur Verfügung. Auch dieses Angebot ist bei Studierenden auf große Begeisterung gestoßen. Insgesamt wurden die Geräte fast 200 Mal entlehnt, zusätzlich erfolgt eine Ausleihe für Lehrveranstaltungen an der Med Uni Graz. Mit Beginn des Wintersemesters 2022/2023 wird die UB Med Uni Graz weitere Lernobjekte (Modelle von Gehirn, Kehlkopf, Zellen u.a.) zur Verfügung stellen.


6 Lernplattformen an der UB Med Uni Graz

Um das Angebot für Studierende und Lehrende weiter auszubauen, werden aktuell die Lern- und Lehrplattform Amboss und die Plattform ekg.training lizensiert. Bei diesen neuen digitalen, interaktiven Lern- und Lehrformaten wird besonderes Augenmerk auf die Qualitätssicherung der Produkte (Redaktionsarbeit, Mehraugenprinzip, Kontrollstufen, didaktische Aufbereitung der Inhalte, Quellenangaben), Aktualität und mobile Anwendungen (App, Podcasts u.ä.), technische Anbindungsmöglichkeiten mit einer maximalen IT-Sicherheit und Möglichkeit der Integration in bestehende E-Learning-Systeme gelegt. Produkte, die sich von klassischen Medientypen wie Büchern, Zeitschriften und Datenbanken abheben, werden ausschließlich in enger Absprache mit Lehrenden und Expert*innen an der Med Uni Graz lizensiert, mit dem Ziel, diese Produkte aktiv in die Lehre der Med Uni Graz zu integrieren.

Diese Vorgehensweise hat sich bei der Lizenzentscheidung für ekg.training als sehr erfolgreich herausgestellt. Nach einer mehrmonatigen Evaluierungsphase unter Einbeziehung von Fachexpert*innen aus dem klinischen Bereich der Med Uni Graz wurde mit 2022 die Plattform ekg.training lizensiert. Diese Plattform umfasst Videotutorials, anhand derer verschiedene EKG-Kurse erlernt werden können, die Befundung und Interpretation der EKGs erfolgt in einem umfassenden Trainingsteil. Der Vorteil liegt natürlich in der Möglichkeit, jederzeit flexibel, zeit-und ortsungebunden zu lernen und zu üben. Die Nutzung kann über Computer, Tablet oder Smartphone browserunabhängig erfolgen. Frau Professor Regina Roller-Wirnsberger, Professor of Geriatric Medicine and Competence Based Curricular Development an der Medizinischen Universität Graz: „Die Lizensierung von ekg training stellt aufgrund der sehr guten Kursstruktur, der hohen Qualität der Inhalte und der hervorragenden Vortragenden ein sinnvolles Komplementärangebot zu den bereits vorhandenen Ressourcen dar. Die Plattform soll in ein Gesamtkonzept mit geführtem Lernen in die Lehre eingebettet werden, sodass Studierende durch die Lehrenden an der Medizinischen Universität noch besser unterstützt werden können“. Lernplattformen bieten im Vergleich zu Fachbüchern, Zeitschriften und teilweise auch medizinischen Fachdatenbanken den Vorteil, den gesamten Fächerkanon (Vorklinik bis klinischer Bereich) in der Humanmedizin abzubilden, sozusagen als One-Stop-Shop für nahezu alle für das Studium relevante Inhalte. Zusätzlich kann durch die Anreicherung mit multimedialen Inhalten vielfältiger gelernt werden, Multiple-Choice-Fragen können zielorientiert auf Prüfungen vorbereiten und Quizfunktionen den Lernvorlieben von Studierenden (Gamification) entgegenkommen. Wichtige Kriterien für die Lizensierung von Lernplattformen an der Med Uni Graz sind: zeit-und ortsunabhängige Verwendung, inhaltliche Abdeckung der gesamten Medizin, systematische und thematische Verknüpfung der Lerninhalte, Freitextsuche über alle Inhalte, der einheitliche Aufbau von Lernkapiteln und möglichst tägliche Aktualisierung. Zusätzliche wichtige Kriterien sind visuelle Anreicherungen (Grafiken, Tabellen, Diagramme, Bildbefunde, Lernkarten, Videos) oder etwa auch die Verwendung der lizensierten Inhalte in Forschung und Lehre ohne weitere rechtliche Einwilligungen und Lizenzzahlungen. Ein weiteres Desiderat wäre die Möglichkeit zur inhaltlichen Erweiterung einer Plattform durch Verlinkungsmöglichkeiten (freie Quellen und von der Med Uni Graz lizenzierte Ressourcen) – dies wurde jedoch bislang noch nicht umgesetzt.

Die Erwerbsprozesse gestalten sich bei neuen Lern- und Lehrformaten schwieriger und benötigen deutlich mehr Zeit und Ressourcen. Durch die – sehr sinn- und wertvolle – Einbeziehung von Fachexpert*innen an der Universität entsteht ein erhöhter universitätsinterner gegenseitiger Informationsaustausch. Bei neuen Formaten erfolgt nicht mehr nur eine quantitative Analyse, sondern vielmehr auch eine stark inhaltliche, qualitative Bewertung. Hier wird auch verstärkt eine Marktsondierung durchgeführt, um ähnliche Produkte miteinander zu vergleichen. Da Produkte wie Lernplattformen in vielen Fällen sehr hochpreisig sind, müssen aufwändige Vergabeverfahren durchgeführt werden. Wenn es sich zudem um Produkte handelt, die mit Benutzer*innenkonten arbeiten, oder wenn etwa das aktive Einbringen von eigenen Inhalten in die Plattform möglich bzw. sogar erwünscht ist (participatory design), werden nochmals strengere Maßstäbe im Hinblick auf IT-Sicherheit und die Einhaltung der DSGVO oder eigener, zusätzlicher Datenschutzvorgaben angelegt. Ebenso sind Lizenzverträge zum Teil deutlich anders gestaltet als bei Lizenzverträgen für klassische elektronische Ressourcen, wodurch neue Expertise aufgebaut werden musste. Themen wie Langzeitarchivierung sind mangels Archivrechten bei Lernplattformen in den Hintergrund gerückt. Die Verwendung von kommerziellen Lernplattformen auch als Lehrplattform mit Analysefunktionalitäten ist derzeit an der Med Uni Graz noch im Aufbau.


7 Open Access an der Med Uni Graz

Open Access – der kostenlose und uneingeschränkte Zugang zu wissenschaftlicher Information – ist seit vielen Jahren ein relevantes Thema an der Med Uni Graz. Open-Access-Publizieren wird seitens der Bibliothek über Read & Publish-Abkommen mit Elsevier, Karger, Springer, Thieme und Wiley unterstützt. Diese Abkommen haben zum Teil zu Mehrkosten für die Bibliothek geführt. Zusätzlich werden Open-Access-Publikationen im Rahmen eines Publikationsfonds gemäß den Forschungsförderungsrichtlinien der Med Uni Graz gefördert. Obwohl die Finanzierung von Open Access vor allem an forschungsintensiven Einrichtungen mit einem im Vergleich zu anderen Einrichtungen hohen Publikationsoutput aus finanziellen Gründen kritisch gesehen werden kann, nehmen viele Wissenschafter*innen der Med Uni Graz das Angebot, Open Access zu publizieren, an. Der Umstieg auf Open-Access-Modelle wird an publikationsstarken Einrichtungen wie medizinischen Universitäten auch in Zukunft zu höheren Kosten führen, da weiterhin der lesende Zugriff finanziert werden muss, ebenso wie die Publikationen der Angehörigen der Med Uni Graz, wenn sie korrespondierende Autor*innen sind. Ob und wieweit in dieser Hinsicht das Umstellen auf Informationsbudgets unterstützen oder Abhilfe schaffen kann, bleibt abzuwarten. Derzeit besteht zwischen der Finanzierung des lesenden Zugriffs und Open-Access-Publizierens ein hauptsächlich budgetär bedingtes Spannungsverhältnis, das aufgrund des noch nicht absehbaren Endes der vollständigen Transformation zu Open Access wohl noch einige Zeit andauern und schwierige Entscheidungen nach sich ziehen wird.


8 Konkurrenzverhältnisse im Medienangebot

An der UB Med Uni Graz stehen elektronische und gedruckte Medien bzw. Lernobjekte nicht in einem direkten Konkurrenzverhältnis. Neben dem elektronischen Bestand wird auch der gedruckte Bestand in Absprache mit der Lehre stetig überprüft und weiter ausgebaut. Bezüglich der Auswertung von Nutzungszahlen wird aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen zur Verwendung klar zwischen gedruckten und elektronischen Beständen unterschieden; innerhalb der gedruckten Bestände erfolgt wiederum eine Abgrenzung zwischen Lehrbüchern und Nachschlage- oder Grundsatzwerken und Fachbüchern. Bei der Analyse von elektronischen Beständen wird nach Medientyp – E-Journals, E-Books und Datenbanken – unterschieden und jede Gruppe getrennt betrachtet. Ankaufentscheidungen werden in der Regel innerhalb der jeweiligen „Bestandsgruppe“ getroffen, wobei Verschiebungen in die eine oder andere Richtung durchaus möglich sind. Ein bisher noch nicht in großen Maßstäben vorhandenes Konkurrenzverhältnis könnte vielmehr innerhalb der digitalen Bibliothek entstehen, wo Lizenzentscheidungen zwischen den klassischen Formen – Zeitschriften, Datenbanken, E-Books – und neuen digitalen, zum Teil interaktiven Lernformaten getroffen werden müssen. Hinzu kommt, dass sich medizinische Universitäten in einer sehr schnelllebigen Wissenschaftsdisziplin bewegen, in der viel und schnell publiziert wird. Der kommerzielle Weg, Open Access über die Finanzierung von Verlagsabkommen, Einzel-APCs und Mitgliedschaften zu fördern, wird damit zu einer weiteren Herausforderung. Bislang und bis auf Weiteres wird seitens der UB Med Uni Graz die Bereitstellung von wissenschaftlicher Fachliteratur für Studium, Lehre und Forschung als primär erachtet. Open Access wird zwar unterstützt und im Rahmen der budgetären Möglichkeiten gefördert, ist aber derzeit noch als „Add-On“ zu sehen.


9 Fazit und Ausblick

Obwohl die UB Med Uni Graz viele Ressourcen online anbietet, wird sie, vor allem von Studierenden, stark frequentiert. Neben den Räumlichkeiten und der Infrastruktur (Lesesaal, Seminarraum, Carrels, PC-Arbeitsplätze, Drucker, Scanner, WLAN u.a.), werden aber auch die gedruckten Bestände und ebenso die physischen Lernobjekte geschätzt. Die UB Med Uni Graz wird daher ihre Strategie als Hybridbibliothek mit Fokus auf digitalen und neuen, interaktiven Lernformaten für Studierende, bei gleichzeitigem Ausbau des Angebots an Printmedien und physischen Lernobjekten beibehalten. Ob und wie sich die Nutzung der Printbestände durch bestehende oder neue digitale Angebote verändert, soll die Evaluierung des Printbereiches für die Jahre 2021 und 2022 zeigen. Während dieser Zeit waren einerseits die Printbestände trotz der COVID-19-Pandemie weitestgehend entlehnbar, andererseits standen zusätzlich zu den bisherigen elektronischen Ressourcen deutlich mehr E-Books zur Verfügung, und es wurden neue Plattformen (Amboss, ekg.training) lizensiert. Derzeit ist durch diese neuen digitalen Lernformate noch kein Umbruch in der Literaturversorgung an der UB Med Uni Graz ersichtlich. Vielmehr werden diese neuen Formate als wertvolles Komplementärangebot der Bibliothek gesehen, die das bisherige Produktportfolio abrunden, der fortschreitenden Digitalisierung und digitalen Transformation Rechnung tragen und die Angehörigen der Med Uni Graz und externe Besucher*innen der Universitätsbibliothek bestmöglich in ihren Aufgaben und Tätigkeiten unterstützen. Die große Herausforderung in den nächsten Jahren wird die Finanzierung aller Desiderate aus den Bereichen Studium, Lehre und Forschung sein: wissenschaftliche Literatur in allen möglichen Medientypen und Aufbereitungsformen bereitzustellen, neue Formen des Lernens und Lehrens zur Verfügung zu stellen und Open Access zu fördern.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.