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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Lisando: Ein Service der Krankenhausbibliotheken im Verbund

Lisando: A hospital libraries’ cooperative service

Mitteilung Leuchtturmprojekte

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  • corresponding author Beate Detlefs - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Patientenbibliothek CCM, Berlin, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2021;21(3):Doc16

doi: 10.3205/mbi000505, urn:nbn:de:0183-mbi0005053

Published: December 20, 2021

© 2021 Detlefs.
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Zusammenfassung

E-Medien einfach kostenlos im Krankenhaus nutzen: Das macht der Bibliotheksverbund Lisando möglich. E-Bücher, E-Audios, E-Zeitschriften und Zeitungen bieten Information, Zeitvertreib, Entspannung und Ablenkung für Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeitende der Kliniken.

Schlüsselwörter: Patientenbibliothek, E-Medien, Teilhabe, Leuchtturmprojekt an Medizinbibliotheken 2021, Verbund, Krankenhausbibliothek, Auszeichnung

Abstract

E-Media can be loaned and used in hospitals, free of charge: This is possible due to the Lisando library network. E-books, e-audios. e-magazines and e-papers offer information, relaxation and distraction for patients and employees.

Keywords: patient library, library network, e-media, participation, pioneer project in medical libraries 2021, award, hospital library


Chronik einer Erfolgsgeschichte

Bereits 2015 entsteht die Idee einer E-Medien-Ausleihe im Verbund am Rande der Tagung der Patientenbibliotheken in Hofgeismar. Wie so oft bei guten Projekten entwickelt sich der Gedanke beim Networking in der seminarfreien Zeit. Alle zwei Jahre findet diese Tagung statt, bei der sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Patientenbibliotheken deutschlandweit versammeln. 2021 fand das Treffen unter neuem Namen statt: „Forum für soziale Bibliotheksarbeit“

2017 wird der Verbund mit dem Namen „Lisando“ gegründet. Gründungsmitglieder sind zwei Patientenbibliotheken aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin und die „Klinikbücherei im UKM“, Universitätsklinikum Münster.

2017 erfolgt auch die Initiativbewerbung für ein Förderprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit: „E-Books im Krankenhaus: Aufbau, Erprobung und Evaluierung der E-Book-Ausleihe in Patientenbibliotheken“, das bereits auf einer früheren Tagung der AGMB vorgestellt wurde. Als Partner für die wissenschaftliche Begleitung wurde das Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitation, Bereich Rehabilitationsforschung, der Charité gewonnen.

2018 wird mit der Einrichtung des WLAN für Patientinnen und Patienten in den Kliniken eine wichtige Voraussetzung für das Lisando-Angebot geschaffen. Das erste E-Medien-Angebot durch Patientenbibliotheken im Krankenhaus wird realisiert.

2020 tritt ein weiteres Krankenhaus, das St. Franziskus-Hospital Münster, dem Verbund bei (Abbildung 1 [Abb. 1]).

2021 bewirbt sich der Verbund beim Wettbewerb: „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken“ der Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen e.V. (AGMB).

2021 wird die Veröffentlichung des Projektabschlussberichts durch das Gesundheitsministerium erwartet.


Digitale Strategie

Eingebettet in die digitale Strategie der Krankenhäuser leistet Lisando einen Beitrag zur aktiven Unterstützung der Patient*innen in ihrem Genesungsprozess.

Gelesen wird im Krankenhaus immer, das Angebot bietet eine willkommene Ablenkung vom Klinikalltag. Lesen wirkt sich durch die entspannende Wirkung positiv auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität aus, es ist eine Ressource der individuellen Genesungsförderung und Krankheitsbewältigung. Die Patientenbibliotheken leisten mit ihrer sozialen Bibliotheksarbeit einen wichtigen Beitrag im Heilungsprozess und sichern das Grundrecht auf Information auch während des Krankenhausaufenthalts.

Die Versorgung mit Lektüre, Hörbüchern, Zeitungen und Zeitschriften ist mit Lisando im 21. Jahrhundert angekommen.

50% der Patienten sind über 65 Jahre alt und gehören noch einer Generation an, die überwiegend analog liest oder Hörbücher auf CDs hört. Für diese Zielgruppe arbeiten die Patientenbibliothekar*innen weiterhin mit dem Bücherwagen auf Station und verleihen CD- und Video-Player. Der Wandel Richtung digitalen Medienkonsums ist aber spürbar. Schon jetzt findet sich ein Smartphone auf fast allen Nachttischen am Krankenbett, auch Tablets nehmen zu und Patienten*innen haben über das Bedside-Terminal Anbindung ans Internet.

Wahrscheinlich wird es immer Menschen geben, die das gedruckte Buch vorziehen. Aber das Medienverhalten der Patienten ändert sich merklich, und so wie es schon in der nahen Zukunft eine digitale Patientenakte geben wird, auf die auch die Patienten Zugriff haben, wird der digitale Medienkonsum im Krankenhaus zunehmen. Auf diesen Wandel sind die Patientenbibliotheken mit Lisando optimal vorbereitet.


Herausforderungen

Die Digitalisierung bringt in vielen Bereichen des Krankenhauswesens eine größere Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Patient*innen mit sich – so auch in Bezug auf das E-Medienangebot. Das ist eine große Herausforderung für die soziale Bibliotheksarbeit. Bisher bieten die Patientenbibliothekar*innen individuelle Beratung an und versuchen das Medium und den Inhalt zu finden, der zum gegebenen Zeitpunkt am besten zu den Bedürfnissen der Patientin oder des Patienten passt. Für Online-Angebote ist eine andere Art der Vermittlung am Krankenbett notwendig: Bei der Titelauswahl sind die Bibliothekar*innen nicht mehr anwesend und sie liegt überwiegend bei den Patient*innen. Natürlich wird der Bestandsaufbau weiterhin von den Patientenbibliothekar*innen geleistet. Patientenbibliothekar*innen wählen auf Grund ihrer langjährigen Erfahrungen Lizenzen für Medien aus, die sich besonders für den Krankenhausaufenthalt eignen und stellen so auch online ein möglichst breites Angebot bereit. Die technische Begleitung und Befähigung von Patient*innen, das Angebot zu nutzen, wird wichtiger, auch das leisten die Patientenbibliothekar*innen. Aber der direkte Kontakt, das Gespräch über ein gedrucktes, sichtbares Buch fehlt bei dem Angebot von E-Medien.

Geräte wie Tablets und E-Book-Reader können in den Bibliotheken entliehen werden, aber die Tendenz geht eindeutig zum eigenen Endgerät, das viele Patientinnen und Patienten jetzt schon mit sich führen.

Für eine inhaltliche Beratung müssen noch Verfahrensweisen entwickelt werden, denn die Patient*innen wünschen sich Gespräche und Hilfe bei der Auswahl. Hier liegt noch viel Entwicklungspotential und auch technischer Ausstattungsbedarf – z.B. dafür, dass Beratende und Beratene sich auf die gleiche Oberfläche beziehen können.


Was ist der Verbund Lisando?

Lisando ist ein Verbund von Patientenbibliotheken, der die ‚Onleihe‘ als Angebot der digitalen virtuellen Bibliotheken (diviBib) nutzt, um E-Medien im Krankenhaus anzubieten. Mittel für die jährlichen Kosten bei der diviBib und ein Jahresbudget für den Ankauf von Lizenzen werden von den Krankenhäusern bereitgestellt.

Der Verbund Lisando versammelt mit einem Kooperationsvertrag Patientenbibliotheken, die ein gemeinsames Angebot an E-Medien bereitstellen. Der Vertrag regelt die Teilnahmebedingungen am Verbund. Die Einstiegsvoraussetzungen sind sehr niedrig angesetzt, damit auch kleine Patientenbibliotheken Lisando beitreten können. Alle von den teilnehmenden Einrichtungen erworbenen Lizenzen können verbundweit angeboten werden.

Der Erfolg in Zahlen:

  • Bestand elektronischer Medien bis 31.12.2020 im Verbund: 1.900 Medieneinheiten (ME)
  • Ausleihe 2020 im Verbund: E-Bücher: 2.132 ME; E-Audio: 766 ME; E-Magazine/Zeitschriften: 1.224 ME (Abbildung 2 [Abb. 2])

Das inzwischen abgeschlossene Projekt wurde aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Gesundheit finanziell gefördert (Förderkennzeichen ZMVI1-2517FSB223 ). Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation erfolgte durch Elliot Michel, Anna Schlumbohm, Ann-Julie Binder und Martin Bünger aus dem Bereich Rehabilitationsforschung des Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Das Projekt wurde als Pilotprojekt für drei Jahre mit der Klinikbücherei des Universitätsklinikums Münster unter Leitung von Sigrid Audick und den Patientenbibliotheken der Charité – Universitätsmedizin Berlin unter Leitung von Beate Detlefs und Gundula Wiedemann durchgeführt.

Die Bewilligung des Projekts durch das Gesundheitsministerium erfolgte nach einer Initiativbewerbung der Patientenbibliothekar*innen, die sie mit Unterstützung der Referentin für EU- und Drittmittelberatung beim Deutschen Bibliotheksverband (dbv) Carina Böttcher erarbeitet hatten.

Da für den Projektantrag eine wissenschaftliche Begleitung mit einer höheren Eingruppierung nötig war, konnte die Rehabilitationsforschung der Charité – Universitätsmedizin gewonnen werden. Die Projektphasen wurden dann von verschiedenen wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen erfolgreich begleitet, die Ergebnisse evaluiert und ein umfassender Abschlussbericht erstellt [1].

Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden allen interessierten Kliniken und Krankenhausbibliotheken, die in Zukunft dem Verbund beitreten, zu Gute kommen, denn es wurden ein Manual, ein Corporate Design und Werbematerialien erarbeitet [2].


Der Leuchtturm-Wettbewerb

Im Jahr 2021 bewirbt sich der Verbund beim Wettbewerb: „Leuchtturmprojekte an Medizinbibliotheken“ der Arbeitsgemeinschaft für medizinisches Bibliothekswesen e.V. (AGMB) und gewinnt. Das Preisgeld soll zum Ankauf fremdsprachiger Lizenzen für Lisando verwendet werden.

Die Anzahl der fremdsprachigen Titel im bisherigen Online-Angebot ist sehr gering (fremdsprachige Titel: 44 ME). Das liegt u.a. an den sehr hohen Preisen für fremdsprachige E-Medien-Lizenzen.

Wir bieten bereits gedruckte Bücher in 20 Sprachen an, nun soll dieses Angebot auch elektronisch ergänzt werden. Hierzu als Beispiel Zahlen aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin 2019: Von 100 Patientinnen und Patienten haben 25 eine andere Nationalität als die deutsche. Ähnliche Zahlenverhältnisse finden sich auch in anderen Kliniken.

Wir haben eine Sprachen-Übersicht exemplarisch anhand der Herkunftsländer der Charité-Patientinnen und -Patienten errechnet (Abbildung 3 [Abb. 3]). In 20 Herkunftsländern wird arabisch gesprochen – damit ist Arabisch die meistgesprochene Sprache der fremdsprachigen Patient*innen in der Charité, gefolgt von Türkisch, Polnisch und Russisch. Auch hier gibt es ähnliche Zahlen in anderen Kliniken, vielleicht mit einer etwas anderen Gewichtung.

Wir möchten mit dem Preisgeld eine Grundlage an fremdsprachiger Literatur schaffen, zu der wir im Laufe der Zeit mehr Sprachen ergänzen können, wenn die Lizenzen dafür erhältlich sind. Lisando ist ein Angebot für alle Patient*innen, das nicht nur auf die deutschsprachigen Nutzer*innen beschränkt bleiben darf.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.

Ansprechpartnerin Verbund

Sigrid Audick
Klinikbücherei im UKM, Universitätsklinikum Münster, Waldeyerstr. 12–14, 48149 Münster
Tel.: 0251/83-52084


Literatur

1.
Michel E, Binder AJ, Schlumbohm A, Brünger M. E-Books im Krankenhaus: Aufbau, Erprobung und Evaluierung der E-Book-Ausleihe in Patientenbibliotheken. Abschlussbericht. Charité – Universitätsmedizin Berlin; 2021. DOI: 10.5281/zenodo.4953823 External link
2.
Detlefs B, Michel E. Lisando: Neuester Meilenstein in der Geschichte der deutschen Patientenbibliotheken. BuB – Forum Bibliothek und Information. 2019;(06):325. Verfügbar unter: https://b-u-b.de/fileadmin/archiv/jahrgang_2019/2019-06.pdf External link