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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Einführung und Etablierung von 3D-Technologie und Equipment in einer (Medizin-)Bibliothek: Erfahrungsbericht der Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen

Introduction and establishment of 3D technology and equipment in a (medical) library

Mitteilung Leuchtturmprojekte

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GMS Med Bibl Inf 2020;20(3):Doc19

doi: 10.3205/mbi000476, urn:nbn:de:0183-mbi0004766

Published: December 22, 2020

© 2020 Härter.
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Zusammenfassung

Seit 2016 gibt es in der Bereichsbibliothek Medizin (BBM) der SUB Göttingen einen kleinen „Makerspace“, der kontinuierlich weiterentwickelt und ausgebaut wird. Den Anfang machte ein Makerbot 3D-Drucker samt Scanner der Firma Grubster, Mitte 2020 haben wir an unserem Standort zwei 3D-Drucker unterschiedlicher Hersteller und zwei 3D-Scanner der Firma Artec, mit denen das neueste Angebot entwickelt wird. Stets darauf bedacht, Bedarfe der Nutzenden zu erkennen und innovative Services bereitzustellen, ist die Nutzung des 3D-Equipments mittlerweile zum erfolgreichsten Angebot geworden.

Schlüsselwörter: Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen, 3D-Druck, 3D-Scanner, Makerspace, Leuchtturmprojekt an Medizinbibliotheken 2020

Abstract

Since 2016 there is a small “Makerspace” in the Departmental Library of Medicine at the SUB Göttingen, which is continuously being developed and expanded. It started with a Makerbot 3D printer and scanner from Grubster. In mid-2020, we have two 3D printers from different manufacturers and two 3D scanners from Artec at our site, which are used to develop the latest offering. Always focused on identifying user needs and providing innovative services, the use of 3D equipment has become the most successful offering.

Keywords: Medical Library of the the SUB Göttingen, 3D printing, 3D scanner, Makerspace, pioneer project in medical libraries 2020


3D-Technologie und Equipment in einer Medizinbibliothek

3D-Druck in einer wissenschaftlichen Bibliothek? Wozu das denn? Wird es da überhaupt Interessenten und Nutzende geben?

Aber ja! Und wie! Knapp vier Jahre nach Einführung dieses Angebotes in der Medizinbibliothek Göttingen können wir – nicht ganz ohne Stolz – sagen, es ist unser erfolgreichstes Angebot.

Die Bereichsbibliothek Medizin ist die größte der naturwissenschaftlichen Bereichsbibliotheken der SUB Göttingen und dient der medizinischen Informations- und Literaturversorgung von Studierenden, Ärzten und Wissenschaftlern im Hinblick auf Studium, Forschung und Lehre. Mit einer Anzahl von ca. 3.500 Studierenden an der Fakultät und einer täglichen Besucherfrequenz zwischen 800–1.500 Personen ist sie eine der am stärksten besuchten Bereichsbibliotheken der SUB Göttingen. Mit knapp 32.000 Print-Entleihungen im Jahr 2019 spielt der gedruckte – vor allem Lehrbuchbestand – noch eine große Rolle und wird von den Studierenden sehr gut genutzt.

Aber der Reihe nach. Die Idee dazu entstand nach einer selbst organisierten Fortbildungsreise im November 2015 an die SLUB Dresden, wo die Leiterin der Bereichsbibliothek Medizin der SUB Göttingen die Gelegenheit bekam, dort deren gewaltigen Makerspace anzusehen und einen Überblick über die enorme Angebotsvielfalt bekam, die man den Nutzenden zur Verfügung stellte. Der Eindruck war überwältigend und unser Team wollte versuchen, so etwas Ähnliches auch in Göttingen zu realisieren, angepasst an unsere Möglichkeiten, an unser Budget und an die räumlichen Rahmenbedingungen.

Nachdem unsere damalige Abteilungsleiterin der Benutzungsabteilung der SUB Göttingen überzeugt war, begannen die Vorbereitungen: Internetrecherchen, Firmenanfragen zu Angeboten und Preisen und ein Besuch in der Abteilung für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), wo Prof. Tobias Moser damals schon über einen 3D-Drucker für den Eigenbedarf verfügte, mit dem er sich auf Operationen vorbereitete. Prof. Moser nahm sich viel Zeit für meinen Kollegen Gerhard Güttlich und mich, zeigte und erklärte uns genau, wie er mit dem Gerät arbeitete und demonstrierte uns auch die dazugehörigen Programme und die Software.

Auf diese Weise informiert, mussten wir uns für ein Gerät entscheiden und die Wahl fiel auf einen Makerbot der Firma Grubster samt einem dazugehörigen 3D-Scanner. Die Firma bot und bietet genügend technische Unterstützung, die Geräte waren bezahlbar und vor allem tauglich für einen öffentlichen, aber begrenzten Raum: Der Druck ist relativ geräuscharm, es gibt keine Geruchsbelästigung und das verarbeitete Filament ist biologisch abbaubar.

Das Projekt konnte glücklicherweise aus Eigenmitteln der Bibliothek finanziert werden, was mehrere Vorteile bot: Wir mussten anfangs niemanden in der Fakultät fragen, ob wir dieses Angebot realisieren dürfen, wir konnten selber entscheiden, welche Geräte wir nehmen und letztlich hatten wir keinen „Erfolgsdruck“ und müssen uns bis heute keiner fakultätseigenen Evaluierung unterziehen.

Natürlich wird eine eigene Statistik von uns geführt und gepflegt, die wir auch gelegentlich im Haus (d.h. in der SUB) offenlegen müssen, aber wir stehen nicht unter Beobachtung, ob wir bestimmte Zahlen erbringen können.

Dann ging es los. Im Sommer 2016 war es dann soweit: nach entsprechender Bewerbung über den bibliothekseigenen Newsletter, einer kleinen Schulung für die Fachschaftsvertreter der Humanmedizin und Meldungen auf der Homepage der SUB warteten wir auf Kundschaft! Und die kam relativ schnell und in zunehmender Menge: Denn wir entschieden uns bewusst für ein sehr niedrigschwelliges Angebot, das allen Interessierten offenstehen sollte, die einfach mal testen und ausprobieren wollen, wie das so funktioniert mit 3D. Niemand sollte Angst haben müssen, etwas falsch zu machen und niemand soll von dem Angebot ausgeschlossen werden, weil es zu teuer ist. Denn das Einzige, was wir den Kunden in Rechnung stellen, sind die Materialkosten für die gedruckten 3D-Modelle, die wir mit 10 Eurocent pro Gramm Material abrechnen.

Im Vorfeld mussten sich Gerhard Güttlich und ich natürlich selber in die Bedienung des 3D-Druckers und -Scanners einarbeiten, um den Nutzenden Hilfestellung geben zu können. Das erforderte ein gewisses Maß an Zeit und die Erfahrung zeigt auch, dass man ständig „dranbleiben“ muss, um selber immer genügend Praxiserfahrung und Routine zu haben, um auch bei kleinen Problemen eigenständig eine Lösung finden zu können. Das Projekt fand dann sehr bald Aufmerksamkeit in der örtlichen Presse und nach einigen Monaten „Anlaufphase“ hatte es auf eine Art Fahrt aufgenommen, die wir uns nicht hätten träumen lassen und die uns dazu bewog, bereits wenige Monate später einen zweiten Makerbot-Drucker zu kaufen (Abbildung 1 [Abb. 1]) und im Jahr 2019 noch einmal technisch aufzustocken mit dem Kauf eines Ultimakers der Firma Your Own Products, der qualitativ noch bessere Modelldrucke ermöglicht.

Das Angebot wird so gut genutzt, dass Gerhard Güttlich mittlerweile zur wichtigsten Ansprechperson für unseren kleinen Makerspace (Abbildung 2 [Abb. 2]) geworden ist und sich autodidaktisch immer weiter fortbildet. So konnten wir das Angebot sogar auf weitere Standorte der SUB Göttingen ausweiten und stellen seit 2019 in den Bereichsbibliotheken Physik und Forstwissenschaften ebenfalls ein 3D-Druckangebot zur Verfügung.

Als Highlight konnten wir Ende 2019 noch zwei 3D-Scanner der Firma Artec anschaffen, die es benutzerfreundlich ermöglichen, auch größere Objekte (selber) einzuscannen und sich auf die Art und Weise in die Bedienung und Funktion eines 3D-Scanners einzuarbeiten. Hier ist das Makerspace-Team der BBM noch dabei, Routine und Praxis zu bekommen, um auf dieser Basis ebenfalls souveräne Ansprechpersonen für Nutzende zu werden.

Die Einrichtung eines Makerspace und die Etablierung von 3D-Equipment benötigt nur etwas Platz, Strom und Personal, das eine gewisse Technikaffinität besitzt und auch gewillt ist, sich in diesem Bereich immer weiter zu entwickeln, denn es genügt nicht, die Geräte einfach nur hinzustellen und die Kunden machen zu lassen, da es eigentlich immer Nachfragen oder Bitten um Hilfe/Unterstützung gibt.

Die Einführung der 3D-Technologie hat uns in der Bibliothek ein völlig neues Arbeitsfeld erschlossen, das uns sogar ermöglicht hat, neues Personal einzustellen, um die Qualität der Beratung kontinuierlich aufrechterhalten zu können. Außerdem wurde aufgrund der hohen Nachfrage noch ein neues Kursangebot aufgebaut: ein „3D-Workshop: von der Idee zum Modell“, der im Februar 2020 das erste Mal durchgeführt wurde und gleich ausgebucht war.

Coronabedingt konnte bisher leider kein weiterer Präsenzworkshop durchgeführt werden, aber das Makerspace-Team der BBM hat ein Selbstlernskript dazu konzipiert, das demnächst auf unserer Homepage für Tüftler und Nachnutzer zur Verfügung gestellt wird.

Überhaupt hat uns der Lockdown in Bezug auf die 3D-Angebote sehr zurückgeworfen und die Nachfrage kommt nur langsam wieder in Schwung. Das liegt daran, dass ein Großteil der Studierenden, die zur wichtigsten Klientel zählen, eben noch nicht wieder physisch vor Ort ist, und dieses Angebot lebt nun einmal von Präsenz und persönlicher Beratung und Austausch. Doch wir sind zuversichtlich, dass in diesem Bereich die Normalität zeitnah wieder zurückkehrt. Parallel arbeiten die Makerspace-Kolleg*innen an virtuellen Beratungsformen und nutzen die Zeit, um sich in die Bedienung der neuen 3D-Scanner einzuarbeiten, um hier sehr rasch einen weiteren attraktiven und interessanten neuen Service zu schaffen.

Und doch konnten wir auch in der Krise mit unserem Equipment produktiv sein und die Fakultät unterstützen: wochenlang druckten wir Schutzequipment für das Personal der UMG (Abbildung 3 [Abb. 3]), vorzugsweise Nackenschoner für die Gesichtsmasken und Halterungen für Schutzvisiere, und wurden so einmal mehr positiv wahrgenommen.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.