gms | German Medical Science

GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften: 10 Fragen von Bruno Bauer an dessen Direktor Dietrich Rebholz-Schuhmann

ZB MED – Information Centre for Life Sciences: A 10-question interview with director Dietrich Rebholz-Schuhmann by Bruno Bauer

Interview

Search Medline for

  • corresponding author Bruno Bauer - Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Österreich
  • Dietrich Rebholz-Schuhmann - ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Köln, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2019;19(3):Doc32

doi: 10.3205/mbi000457, urn:nbn:de:0183-mbi0004576

Published: December 20, 2019

© 2019 Bauer et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Im aktuellen Interview informiert Dietrich Rebholz-Schuhmann, seit 2018 wissenschaftlicher Leiter von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, über seine Motive zur Übernahme dieser Aufgabe. Durch eine Intensivierung der Forschung soll die Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft ermöglicht werden. Angesprochen werden die wissenschaftlichen Schwerpunkte, die von ZB MED mittels Professuren an der Universität Köln, der Technischen Hochschule Köln, der Universität Bonn und in Zukunft auch an der Universität Bielefeld betrieben werden. Wichtige Angebote von ZB MED betreffen lebenswissenschaftliche Dienste sowie Open Science. ZB MED hat eine Reihe von Kooperationen entwickelt, hinzuweisen ist vor allem auf die Zusammenarbeit mit dem Bielefeld Institut für Bioinformatik (BIBI). Im Interview thematisiert werden auch die Unterstützung der AGMB durch ZB MED sowie die Perspektive von ZB MED für die nächsten Jahre. Zuletzt gibt Rebholz-Schuhmann eine Einschätzung zur Zukunft von Bibliotheken, in denen er einen entscheidenden Player in der Informationsgesellschaft sieht

Schlüsselwörter: ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften, Medizinbibliothek, Neuausrichtung, Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft, Forschungsaktivitäten, Kooperationen, Universitäten, Netzwerk, Open Science, Forschungsdaten, AGMB, Zukunft von ZB MED, Zukunft von Bibliotheken

Abstract

Since 2018 Dietrich Rebholz-Schuhmann is scientific director of ZB MED – Information Centre for Life Sciences. In this interview he speaks on his motivation for assuming that task and informs about his aims. By intensifying ZB MED’s research activities, the re-admission into the Leibniz Association should be made possible. The scientific priorities at ZB MED are set by professorships at the University of Cologne, the Technical University of Cologne, the University of Bonn and in future also at the University of Bielefeld. Important offers from ZB MED are services to the life science community and support of open science. For this ZB MED has developed a number of collaborations, notably with the Bielefeld Institute for Bioinformatics (BIBI). Furthermore, the interview informs about the support of AGMB by ZB MED and the perspective of ZB MED for the coming years. Finally Rebholz-Schuhmann gives his opinion on the future of libraries, which he sees as decisive players in the information society.

Keywords: ZB MED – Information Centre for Life Sciences, medical library, realignment, resumption into the Leibniz Association, research activities, co-operations, universities, network, open science, research data, AGMB, future of ZB MED, future of libraries


Interview

1. Wissenschaftliche Leitung

B. Bauer: 2016 beschloss die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) auf Empfehlung des Senats der Leibniz-Gemeinschaft, die gemeinsame Förderung der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin – Leibniz Informationszentrum Lebenswissenschaften zu beenden. Mit 1. Mai 2018 wurden Sie zum Wissenschaftlichen Leiter von ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften bestellt. Welche Motive waren für Sie maßgeblich, in der schwierigen Situation von ZB MED diese Herausforderung anzunehmen?

D. Rebholz-Schuhmann: Die Antwort ist ganz einfach: Ich habe ZB MED näher kennen gelernt und sofort verstanden, welch enormes Potential hier vorhanden ist, um einen wichtigen Bedarf für die lebenswissenschaftliche Forschung zu erfüllen. Dennoch: Die Herausforderungen sind tatsächlich sehr hoch und dazu der Zeitrahmen durchaus begrenzt. Ich habe mich entschlossen, die Aufgabe anzunehmen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir sie gemeinsam meistern werden. Auf verschiedenen Ebenen haben schon ausgiebige Vorarbeiten einen vielversprechenden Kurs vorgezeichnet. Hier möchte ich insbesondere die gemeinsamen Berufungen von leistungsstarken professoralen Kolleginnen und Kollegen sowie die Anbahnung von wichtigen Kooperationen mit herausragenden Partnern nennen.

Darüber hinaus finde ich es spannend, mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen sich eine Bibliothek im digitalen Wandel behaupten kann. Dieses hochaktuelle und interessante Feld aktiv mitzugestalten, ist eine Aufgabe, der ich mich gerne stelle. Zudem bin ich davon überzeugt, dass ZB MED in den Lebenswissenschaften bereits in der Vergangenheit überaus wertvolle Aufgaben erfüllt hat und in der Zukunft weitere übernehmen wird. Dies ist nur möglich in einem hochprofessionellen interdisziplinären Team mit internationaler Ausrichtung. Unser Ziel ist es, dieses Team zusammenzuschweißen – einerseits aus den engagierten Kolleginnen und Kollegen, die bereits eine solide Basis dafür aufgebaut haben, andererseits mit neuen Kräften. Und wir sind insgesamt auf einem guten Weg und konnten schon einige entscheidende Meilensteine bewältigen.

2. Hoher Stellenwert von Wissenschaft und Forschung

B. Bauer: Erklärtes Ziel aller Maßnahmen im Kontext von ZB MED seit 2016 ist es, die möglichst rasche Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft zu erreichen. Ein zentraler Kritikpunkt der Evaluierung von ZB MED, die dem Beschluss der GWK vorangegangen war, bezog sich auf die mangelnde Forschungstätigkeit von ZB MED. Welche Maßnahmen wurden von ZB MED bisher zur Steigerung der Forschungsaktivitäten gesetzt? Wie lauten die zentralen Punkte Ihrer Forschungsstrategie?

D. Rebholz-Schuhmann: Vordergründig ist klar, dass wir wieder Teil der Leibniz-Gemeinschaft werden wollen. Uns ist aber noch viel wichtiger, dass wir in den Lebenswissenschaften Aufgaben übernehmen, in denen wir einzigartig und unersetzbar sind bzw. es noch werden. Die Forschung spielt hier eine wichtige Rolle. Entscheidend ist aber noch viel mehr die Nutzung von Forschung, um in der Forschungsgemeinschaft und darüber hinaus diese Aufgaben zu erfüllen. Hierzu gehört die Nutzung von semantischen Technologien, um die Literatur- und Datensuche zu optimieren, zum Beispiel mit Terminologien. Weiterhin zählen dazu auch Datenanalysemethoden und neue IT-Infrastrukturen. Wichtig sind zudem neue Formen, Wissen für Lebenswissenschaftlerinnen und Lebenswissenschaftler zu vermitteln, zum Beispiel mit Carpentry Workshops oder Webinaren. Hier spielt die Zusammenarbeit zwischen ZB MED und dem Bielefeld Institut für Informatik – BIBI eine wichtige Rolle. Gemeinsam werden wir mit entsprechenden Trainings Ergebnisse auf höchstem Niveau in die deutschen und europäischen Netzwerke bringen, um Forschende in den Lebenswissenschaften bei ihrer Datenanalyse und somit auf ihren Karrierewegen zu unterstützen.

3. Wissenschaftliche Schwerpunkte bei ZB MED

B. Bauer: Im Bereich der Forschung kooperiert ZB MED mit den Universitäten Köln und Bonn und der TH Köln. Können Sie in aller Kürze die ZB MED-Professuren und auch die bei ZB MED angesiedelten Forschungsgruppen sowie deren Forschungsschwerpunkte vorstellen?

D. Rebholz-Schuhmann: Prof. Juliane Fluck ist an der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn tätig und hat als Schwerpunkt die Nutzung von Text und Data Mining zur Generierung von neuen Erkenntnissen aus lebenswissenschaftlichen Daten und Literatur. Prof. Konrad Förstner konzentriert sich auf Informationsmanagement an der TH Köln und ist sehr aktiv in der Gestaltung von neuen Studieninhalten. So hat er beispielsweise gerade erst die wissenschaftliche und fachliche Leitung des Zertifikatskurses „Data Librarian“ übernommen. Weiterhin verfolgt er seine Forschungsambitionen in der Analyse von genomischen Daten. Meine Professur ist in der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln angesiedelt. Derzeit konzentrieren sich meine Arbeiten allerdings auf den Bedarf bei ZB MED. In meiner Forschung befasse ich mich schwerpunktmäßig mit der Literatur- und Datenanalyse inklusive Standardisierungsverfahren. Langfristig wird sich meine Tätigkeit auf semantische Technologien in der Datenanalyse fokussieren, zum Beispiel die Gewinnung von neuen Erkenntnissen aus biomedizinischen Daten.

Neben diesen bereits hier tätigen Professuren haben wir gemeinsam mit der Universität Bielefeld eine weitere W3-Professur berufen, mit der derzeit die Verhandlungen laufen. Die Professur wird in Bielefeld das BIBI leiten und schwerpunktmäßig die Bereiche der Hochdurchsatzbioinformatik und der Cloud-basierten Dienste abdecken.

4. Zukunft der traditionellen Bibliotheksaufgaben

B. Bauer: ZB MED hat sich seit der Gründung 1973 als starker und wichtiger Partner für wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland, aber auch darüber hinaus, bewährt – ungeachtet der Evaluierung von 2016. Welche Auswirkungen wird der aktuelle Transformationsprozess bei ZB MED auf klassische Bibliotheksservices, wie Sammlung und Bereitstellung bzw. Verfügbarmachung von wissenschaftlicher Information, mit sich bringen?

D. Rebholz-Schuhmann: Bibliotheken arbeiten schon jetzt in Verbünden, in denen der digitale Datenaustausch sowohl die Arbeitseffizienz in die Höhe schraubt, als auch die Möglichkeiten schafft, existierende Inhalte in sehr kurzer Zeit zu unseren Nutzerinnen und Nutzern zu bringen. Wir stellen uns natürlich vor, dass unsere Vorgehensweisen für andere Bibliotheken eine Art Vorreiterfunktion haben. Mit unseren Kompetenzen können wir komplexe und interdisziplinäre Inhalte so aufbereiten, dass wir Forschende in den Lebenswissenschaften umfassend beim Management von Daten und Literatur betreuen. Zudem haben wir die Möglichkeit, neue Vorgehensweisen zum Beispiel im Forschungsdatenmanagement so vorzubereiten, dass andere Bibliotheken davon profitieren und ähnliche Dienste anbieten können. Natürlich können auch wir nicht die Zukunft vorhersagen, aber wir haben einen größeren Spielraum und auch das richtige Know-how, um alternative neue Ansätze zu testen und auf dieser Basis dann die richtigen weiterzuempfehlen. Unsere Angebote lebenswissenschaftlicher Dienste stehen zudem in der Cloud des Deutschen Netzwerkes für Bioinformatik-Infrastruktur – de.NBI bereit und gehen damit weit über die Angebote anderer Bibliotheken hinaus.

5. Open Access und Forschungsdaten

B. Bauer: Zwei wichtige Themen – Open Access und Forschungsdaten – haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Eine wichtige Rolle kommt dabei auch den Bibliotheken zu. Welche Akzente setzt ZB MED in den Bereichen Open Access und Forschungsdaten? Und welche Maßnahmen sind in naher Zukunft geplant?

D. Rebholz-Schuhmann: Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Entwicklungen rund um Open Access, FAIR Data – insgesamt Open Science – mitzugestalten. Das heißt einerseits, dass wir entsprechende Angebote entwickeln und bereitstellen, andererseits aber auch das Know-how um Management, Kuratierung, Metadatenstandards, Publizieren, Archivieren etc. vermitteln und uns natürlich auch mit anderen Akteuren vernetzen. Dabei ist es unser Ziel, dass wir die positiven Seiten dieser Initiativen vor allem für die Forschenden so herausarbeiten, dass die Forschungscommunity ihnen folgt.

Bei den Forschungsdaten formen wir aktuell im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) Konsortien, die von unserem Know-how profitieren. Auf unserem PUBLISSO-Portal bieten wir rund um Open Access umfassende Lösungen zur Publikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Software und Lehrmaterialien an, die fortwährend erweitert werden. Sehr wertvoll sind unsere Angebote, die Forschungsdaten und Texte gleich mit effizienten Analysemethoden koppeln. Zudem beteiligen wir uns an gemeinsamen Kanälen und betreiben eigene Plattformen. Darüber hinaus halten wir ein umfangreiches Fortbildungsangebot bereit – auch hier sind wir immer am Puls und erweitern das Portfolio um neue Inhalte und Formate. Insgesamt ist es unser Anliegen, eine Nutzungskultur wissenschaftlicher Inhalte mit unserem Know-how zu formen, so dass die Wissenschaftscommunity mit unseren Angeboten und Services einen einfachen Zugang bekommt. Dabei leisten wir Überzeugungsarbeit für die Open-Science-Bewegung!

6. Change Management bei ZB MED

B. Bauer: Die bereits eingeleitete bzw. in Umsetzung begriffene Transformation von ZB MED von einer klassischen Bibliothek zu einem modernen forschenden Informationszentrum für Lebenswissenschaften – mit neuen Strategien, Strukturen und Prozessen – hat auch weitreichende Auswirkungen auf deren Organisation. Was sind die besonderen Herausforderungen dieser Entwicklung? Können Sie uns einen Einblick geben, wie die Verzahnung der neuen Forschungsaufgaben mit den etablierten bibliothekarischen Routineaufgaben erfolgt?

D. Rebholz-Schuhmann: Im Vorfeld hat die neue Ausrichtung neben Hoffnungen auch Anspannung bei den Mitarbeitenden generiert: Die Anforderungen verändern sich, die Sprache, das Profil der Belegschaft und vieles mehr. Wir setzen uns sehr intensiv damit auseinander, wo der Weg hinführt und wie wir ihn gestalten können, so dass neben den neuen Entwicklungen auch die langjährig gepflegten, erfolgreichen Teile von ZB MED den digitalen Wandel mitgestalten. Die Forschenden haben neue Sichtweisen mitgebracht und neue Aufgaben und Arbeitsinhalte in Aussicht gestellt. Innerhalb der letzten 18 Monate hat sich bereits gezeigt, dass die Hoffnungen für zukünftige Entwicklungen berechtigt sind. Es ist so ähnlich wie bei einem Frühjahrsputz: Vorher sieht man manchmal nicht so richtig, warum er nötig ist. Und hinterher hat man ein gutes Gefühl und ist stolz auf das, was man geschafft hat. Unsere Kolleginnen und Kollegen bei ZB MED sind sehr motiviert. Die neuen Forschenden bringen frische Ideen ein. Zusammen gehen wir in die neue Richtung.

Im konkreten Fall der bibliothekarischen Routineaufgaben gibt es beispielsweise den Ansatzpunkt, mit einer effizienteren IT-Infrastruktur als leistungsstarker Motor einzelne Arbeitsbereiche dabei zu unterstützen, sich den neuen Anforderungen zu stellen. Ganz konkret: Die Kolleginnen und Kollegen haben Pythonkenntnisse aus den Library Carpentry Workshops genutzt, um eigene Programme zu schreiben, die die Datenauswertung bei der Entwicklung unserer Versorgungsstrategie extrem vereinfacht haben. Hier ist der Erfolg unseres Ansatzes direkt sichtbar! Menschen, die beim Begriff Python früher nur an eine Schlange gedacht haben, arbeiten jetzt eigenständig mit dieser Programmiersprache und wenden sie auf aktuelle Fragestellungen in ihrem Arbeitsumfeld an.

7. Kooperationen von ZB MED

B. Bauer: Traditionell hat ZB MED viele wissenschaftliche Bibliotheken, insbesondere Medizinbibliotheken, als verlässlicher Kooperationspartner bei ihrer Aufgabe der Literatur- und Informationsversorgung unterstützt. Mit dem neuen Aufgabenfeld im Bereich der Forschung wird sich die Bandbreite der Kooperationspartner von ZB MED wohl deutlich erweitern. In welchen Bereichen wurden bereits neue Kooperationen geknüpft und angebahnt?

D. Rebholz-Schuhmann: Es gibt verschiedene Schwerpunktgebiete, die sich herauskristallisieren. Rund um epidemiologische und klinische Studien haben wir eine große Forschungsgruppe zusammengebracht – das Lob gebührt hier meiner Kollegin Prof. Juliane Fluck und ihrem Team, das im Rahmen der NFDI-Initiative das Konsortium NFDI4Health zusammengebracht hat. Unsere Hauptkooperationspartner sind hier das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) und das Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie an der Universität Leipzig. Ziel des Konsortiums ist es, aus Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen – sofern der Antrag von der DFG bewilligt wird.

Auch Prof. Förstner setzt sich mit seinem Team in der NFDI-Initiative ein. Er hat das Konsortium NFDI4Microbiota geformt. Hier sind die wichtigsten Partner die German Collection of Microorganisms and Cell Cultures (DSMZ), das European Molecular Biology Laboratory (EMBL), de.NBI, das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und das Center for Biotechnology der Universität Bielefeld (CeBiTec). Die Vision dieses Konsortiums ist es, die Analyse von Multi-Omics-Daten zu mikrobiellen Arten und verschiedenen Mikrobiomen konsistent, reproduzierbar und für alle Bereiche der lebenswissenschaftlichen Forschung zugänglich zu machen. Auch hier läuft der DFG-Antrag.

Unser Kollege Prof. Konrad Förstner engagiert sich grundsätzlich in der bakteriellen Bioinformatik und arbeitet dabei eng zusammen mit Prof. Alfred Pühler vom CeBiTec. Mit der Kooperation streben wir an, die medizinische Mikrobiom-Forschung voranzubringen. Darüber hinaus wollen wir auch noch weitere Ziele erreichen, wie zum Beispiel die Optimierung von bioinformatischer Algorithmik für Cloud-Lösungen.

Ich selbst bin aktiv in verschiedenen Initiativen im Bereich der semantischen Standardisierung von Datenquellen, konkret kommt das unserer Suchmaschine LIVIVO zugute, die wir damit auf ein neues Niveau heben werden.

Zweifellos unsere wichtigste Kooperation ist die mit dem bereits erwähnten Bielefeld Institut für Bioinformatik (BIBI). Neben der gemeinsamen Berufung einer W3-Professur arbeiten wir zusammen beim Angebot von Trainings im de.NBI-Netzwerk. Außerdem halten wir gemeinsame interne Workshops ab, um uns gegenseitig zu befruchten. Das BIBI selbst arbeitet sehr effizient und leistungsstark mit anderen Zentren zusammen und bringt diese in unsere Kooperation ein. Wir werden sie in Zukunft weiter intensivieren. Hier rechnen wir mit einem sehr hohen Beitrag zur lebenswissenschaftlichen Forschung in Deutschland.

8. AGMB & ZB MED

B. Bauer: Die Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB), 1970 in Köln gegründet, wurde traditionell sehr stark von zwei Direktoren von ZB MED geprägt. Franz Josef Kühnen war Mitinitiator und erster Vorsitzender, Ulrich Korwitz, auf dessen Initiative die AGMB im Jahr 2000 in einen eingetragenen Verein übergeleitet wurde, wiederholt Vorsitzender. Seit 2006 erscheint die Zeitschrift der AGMB unter dem Titel GMS Medizin – Bibliothek – Information auf dem von ZB MED in Kooperation mit DIMDI und AWMF betriebenen Open-Access-Publikationsportal German Medical Science. Darf die AGMB auch in Zukunft auf die Unterstützung von ZB MED bzw. deren Leitung bei der Umsetzung ihrer Ziele – Förderung des medizinischen Bibliotheks- und Informationswesen, Unterstützung der Kooperation zwischen den medizinischen Bibliotheken auf nationaler und internationaler Ebene und Initiierung von Gemeinschaftsprojekten sowie Veranstaltung von Fortbildungstagungen – bauen?

D. Rebholz-Schuhmann: Ganz klar: Die Unterstützung von ZB MED ist ungebrochen!

Wir bringen uns seit langem sehr stark bei den Jahrestagungen der AGMB ein und werden das Archiv des Schatzmeisters der AGMB übernehmen. Außerdem engagieren wir uns seit diesem Jahr mit meiner Kollegin Dr. Elisabeth Müller wieder im Vorstand der AGMB. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal bei den Mitgliedern für das bei den Vorstandswahlen erwiesene Vertrauen bedanken. Darüber hinaus ist unsere Vereinbarung mit der AGMB zur Archivierung medizinischer Print-Zeitschriften richtungsweisend. Wir beabsichtigen, unser Engagement auf allen diesen Ebenen fortzusetzen. Für meine Begriffe besteht aber noch Potential und „Luft nach oben“.

Ebenfalls wichtig ist für uns das Engagement in der European Association for Health Information and Libraries. Hier bin ich selbst Mitglied im Council und vertrete dort die Interessen der deutschen Mitglieder.

9. Zukunft von ZB MED

B. Bauer: ZB MED hat in den letzten Jahren sehr viel geleistet, um die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft zu erfüllen. Wie schätzen Sie den bisherigen Prozess ein? Welche Schritte sind noch zu setzen, um ZB MED in eine Zukunft führen zu können, in der sie nachhaltig bestehen kann?

D. Rebholz-Schuhmann: Es ist immer schwierig, die Zukunft vorherzusagen, aber ZB MED hat ein paar Trümpfe in der Hand, die wesentlich sind:

1.
Sehr motivierte Mitarbeitende auf allen Ebenen
2.
Ein absolut beeindruckendes Know-how über verschiedene interdisziplinäre Ebenen hinweg
3.
In der Kooperation mit BIBI eine leistungsstarke Cloud-Infrastruktur gepaart mit sehr starken Partnern und Forschungsinhalten auf höchstem Niveau
4.
Eine machbare Herausforderung, die der Vernetzung von lebenswissenschaftlichen Inhalten über verschiedene Disziplinen hinweg bedarf – Stichwort Interoperabilität
5.
Aktive Netzwerkstrukturen, die die Bedienung des Bedarfs unterschiedlicher „Communities“ ermöglichen
6.
Unerschrockenes Führungspersonal auf verschiedenen Ebenen, das unbedingt zeigen will, was ZB MED kann

Die nächsten wichtigen Schritte bestehen darin, unsere Ziele und Maßnahmen für die kommenden fünf Jahre noch genauer auszuformulieren, um uns auf die Entwicklungen vorzubereiten. Dazu ist es erforderlich, dass wir klar definieren, welche Anspruchsgruppen von uns profitieren. Schließlich müssen wir uns mit einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen den Aufgaben stellen, die sich andere noch nicht so richtig zutrauen, zum Beispiel alle Informationen offen zu machen, die wir anbieten können, die effiziente Datenanalyse mit den Inhalten eng koppeln und unsere Kompetenz in alle Kanäle fließen zu lassen, an die wir denken können.

10. Bibliotheken

B. Bauer: Sie haben viele Jahre in der Welt von Wissenschaft und Forschung gearbeitet. Welchen Eindruck haben Sie – nach nunmehr zirka 500 Tagen in der Funktion als wissenschaftlicher Leiter von ZB MED – von der „Bibliothekswelt“ gewonnen? Wie stellen Sie sich „Bibliotheken“ (in) der Zukunft vor?

D. Rebholz-Schuhmann: Wissenschaftliche Bibliotheken sind und bleiben Orte, an denen Menschen sich darüber austauschen, was die Wahrheiten, also die Fakten in unserer Welt sind. Es ist und bleibt eines unserer Grundbedürfnisse, unser inneres Verständnis mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit abzugleichen. Und die Wissenschaft lebt davon, dass der eine Forschende früher als ein anderer einen neuen Fakt herausgefunden hat. Jetzt und in Zukunft bilden Bibliotheken die Grundlage, um den Zugang zu diesen Fakten – ob digital oder analog – einfach zu gestalten und damit einem Forschenden eine neue Tür aufzumachen. Auch wenn sich das Format geändert hat, gilt dies nicht für das Prinzip. Das bedeutet, dass eine Bibliothek Informationen nicht einfach in einem bestimmten Format als einzigem Zugangsweg in ein Regal stellt, sondern dass sie alle alternativen Zugangsformen ermöglicht und so eine zielorientierte und hypothesengetriebene Nutzung der Daten erlaubt. Ich stelle mir vor, dass Bibliotheken (und Informationszentren!) mehr als in der Vergangenheit durch die Zusammenarbeit von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren mit anderen Mitarbeitenden in interdisziplinären Teams geprägt werden. Unser Vorgehen bei ZB MED besteht darin, die Kompetenzen unserer Kolleginnen und Kollegen auf einem hohen Niveau weiterzuentwickeln. So können wir Dienste für die Nachnutzung von Inhalten bereitstellen, damit Informationssuchende davon profitieren. Wir leben schon längst in der Informationsgesellschaft, die uns Vorteile durch umfangreiches und interdisziplinäres Wissen in digitaler Form verschafft und die Inhalte in viele Kanäle weiterleitet. Bibliotheken sind in dieser Gesellschaft ein entscheidender Player.


Kontakt und biographische Daten

Kontaktadresse

[Abb. 1]

Prof. Dr. Dietrich Rebholz-Schuhmann

Wissenschaftlicher Leiter

ZB MED – Informationszentrum Lebenswissenschaften

Gleueler Str. 60, 50931 Köln, Deutschland

E-Mail: rebholz-schuhmann@zbmed.de

Tel.: +49 (0)221 478-7100

Biografische Daten

Dietrich Rebholz-Schuhmann absolvierte sein Medizinstudium in Düsseldorf und das Informatikstudium in Passau. Danach befasste er sich als Senior Researcher am GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München mit der medizinischen Bildanalyse und 3D-Visualisierung. Im Anschluss machte er einen Abstecher in die Industrie und leitete den Gesundheitsbereich eines Heidelberger Informatikhauses, bevor er sich wieder der Forschung zuwandte: Am europäischen Bioinformatikinstitut EMBL-EBI in Hinxton bei Cambridge leitete er eine Forschungsgruppe für semantische Datenanalyse, in Zürich forschte er im Bereich Computerlinguistik. Zuletzt leitete der Arzt und Informatiker die Galway Zweigstelle des Insight Centre for Data Analytics als Professor für Data Analytics an der National University of Galway. Die Wissenschaftliche Leitung von ZB MED hat Prof. Dr. Dietrich Rebholz-Schuhmann am 1. Mai 2018 übernommen.

Publikationen (in Auswahl)

  • Barros JM, Duggan J, Rebholz-Schuhmann D. Disease mentions in airport and hospital geolocations expose dominance of news events for disease concerns. J Biomed Semantics. 2018 06;9(1):18. DOI: 10.1186/s13326-018-0186-9
  • Jha A, Khan Y, Mehdi M, Karim MR, Mehmood Q, Zappa A, Rebholz-Schuhmann D, Sahay R. Towards precision medicine: discovering novel gynecological cancer biomarkers and pathways using linked data. J Biomed Semantics. 2017 Sep;8(1):40. DOI: 10.1186/s13326-017-0146-9
  • Karim MR, Michel A, Zappa A, Baranov P, Sahay R, Rebholz-Schuhmann D. Improving data workflow systems with cloud services and use of open data for bioinformatics research. Brief Bioinformatics. 2018 Sep;19(5):1035-1050. DOI: 10.1093/bib/bbx039
  • Oellrich A, Collier N, Groza T, Rebholz-Schuhmann D, Shah N, Bodenreider O, Boland MR, Georgiev I, Liu H, Livingston K, Luna A, Mallon AM, Manda P, Robinson PN, Rustici G, Simon M, Wang L, Winnenburg R, Dumontier M. The digital revolution in phenotyping. Brief Bioinformatics. 2016 Sep;17(5):819-30. DOI: 10.1093/bib/bbv083
  • Rebholz-Schuhmann D, Grabmüller C, Kavaliauskas S, Croset S, Woollard P, Backofen R, Filsell W, Clark D. A case study: semantic integration of gene-disease associations for type 2 diabetes mellitus from literature and biomedical data resources. Drug Discov Today. 2014 Jul;19(7):882-9. DOI: 10.1016/j.drudis.2013.10.024
  • Oellrich A, Hoehndorf R, Gkoutos GV, Rebholz-Schuhmann D. Improving disease gene prioritization by comparing the semantic similarity of phenotypes in mice with those of human diseases. PLoS ONE. 2012;7(6):e38937. DOI: 10.1371/journal.pone.0038937
  • Rebholz-Schuhmann D, Oellrich A, Hoehndorf R. Text-mining solutions for biomedical research: enabling integrative biology. Nat Rev Genet. 2012 Dec;13(12):829-39. DOI: 10.1038/nrg3337
  • Hoehndorf R, Oellrich A, Rebholz-Schuhmann D. Interoperability between phenotype and anatomy ontologies. Bioinformatics. 2010 Dec;26(24):3112-8. DOI: 10.1093/bioinformatics/btq578
  • Rebholz-Schuhmann D, Jimeno Yepes AJ, Van Mulligen EM, Kang N, Kors J, Milward D, Corbett P, Buyko E, Beisswanger E, Hahn U. CALBC silver standard corpus. J Bioinform Comput Biol. 2010 Feb;8(1):163-79. DOI: 10.1142/s0219720010004562
  • Trieschnigg D, Pezik P, Lee V, de Jong F, Kraaij W, Rebholz-Schuhmann D. MeSH Up: effective MeSH text classification for improved document retrieval. Bioinformatics. 2009 Jun;25(11):1412-8. DOI: 10.1093/bioinformatics/btp249