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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Learn, share, act, bridge boarders… Der Blick über den Tellerrand

Learn, share, act, bridge boarders… Think out of the box

Mitteilung AGMB-Jahrestagung in Göttingen 2019

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  • corresponding author Claudia Wöckel - Universitätsbibliothek Leipzig, Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften, Leipzig, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2019;19(3):Doc29

doi: 10.3205/mbi000454, urn:nbn:de:0183-mbi0004549

Published: December 20, 2019

© 2019 Wöckel.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Die Workshop-Tagung der EAHIL bietet durch interaktive Veranstaltungen eine geeignete Plattform zum kollegialem Austausch. In diesem Erfahrungsbericht werden kreative Methoden aus den Workshops dargestellt. Außerdem wird aufgezeigt, wie diese in der bibliothekarischen Arbeit angewendet werden können.

Schlüsselwörter: EAHIL, Publikationsunterstützung, Workshop, kreative Methoden, Erfahrungsbericht

Abstract

The interactive format of the EAHIL workshop conference serves as a valuable platform for collegial advice. This short report describes several creative methods applied in the workshops. It is discussed which applications the methods have in library workspaces.

Keywords: EAHIL, publication services, workshop, creativity, report


Einleitung

Alle zwei Jahre findet die Tagung der European Association for Health Information and Libraries (EAHIL) als Workshop-Tagung statt. Auch 2019 lag der Fokus der Veranstaltung auf dem interaktiven Austausch zu aktuellen Themen in relativ kleinen Runden. Bei der diesjährigen EAHIL in Basel wurde ein breites Spektrum an Themen behandelt, dass in vielen Bereichen Überschneidungen zur Tagung der AGMB zeigt. So ging es auch in der Schweiz um Informationsvermittlung und die Services und Aufgaben von medizinischen Bibliotheken. Der Zusammenarbeit mit den WissenschaftlerInnen, bei beispielsweise der Erstellung von Review-Artikeln, wurde auf der EAHIL allerdings mehr Gewicht gegeben. Dieser Artikel beleuchtet die Eigenheiten der EAHIL Workshop-Tagung aus Sicht einer Workshopleiterin und Teilnehmerin und reflektiert welche Auswirkungen die Teilnahme auf die tägliche Arbeit hatte.


Praktische Erfahrungen

Das Programm der EAHIL ist sehr dicht gepackt. Im Tagungspreis inbegriffen waren u.a. die Workshops am Dienstag und Mittwoch. Für die CEC Sessions am Montag musste jeweils zusätzlich gezahlt werden. In jedem Zeitfenster, in sieben parallel stattfindenden Session, konnten insgesamt ca. 175 Teilnehmenden aktiv werden. Bei einer Gesamtzahl von 330 Teilnehmenden konnte also nicht immer an einem Workshop partizipiert werden. Dieser große Kritikpunkt kann durch die unerwartet große Teilnehmerzahl erklärt werden und wird sicherlich in den kommenden Jahren in dieser Form nicht wieder vorkommen. Einige der Workshops wurden deshalb für mehr als 25 Teilnehmende geöffnet, allerdings bei gleichbleibend kleiner Raumgröße. Dieses Problem stellt gleichzeitig auch meinen einzigen echten Kritikpunkt dar.

Die einzelnen Workshops hatten eine sehr hohe praktische Relevanz und waren sehr unterhaltsam und kreativ gestaltet. Durch die kollaborative Atmosphäre der Veranstaltung war ein Austausch mit den FachkollegInnen leicht möglich, unabhängig vom eigenen Kenntnisstand zu den jeweiligen Themen.

Sowohl inhaltlich als auch methodisch hielten die Workshops spannende Ideen für die tägliche Arbeit bereit. In einem Workshop zum Thema kreative Methoden der Informationsvermittlung wurden unterschiedliche Techniken vorgestellt, um mit den Teilnehmenden in einen Austausch zu kommen. Dabei wurde u.a. das Brain Writing vorgestellt. Bei dieser Methode entwickeln die Teilnehmenden gemeinsam zu einem vorgegeben Thema Ideen ohne miteinander zu sprechen. Jedem Teilnehmenden stehen z.B. drei Zettel für jeweils eine Idee zur Verfügung, die innerhalb von fünf Minuten notiert werden. Danach werden die Zettel im Uhrzeigersinn weitergegeben und die Sitznachbarn ergänzen die Ideen um eigene Aspekte. Dafür stehen wiederum jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn jeder Teilnehmende seine eigenen Zettel wiederbekommen hat. Diese Methode konnte ich im Nachgang bereits anwenden, um gemeinsam mit StudierendenvertreterInnen Ideen für die Weiterentwicklung des Bibliotheksstandortes durchzuspielen. Die Erfahrungen mit dieser Methode sind bisher äußerst erfreulich, da schnell kreative Ideen entstehen.

Ein Workshop zum Forschungsdatenmanagement bot, neben dem interessanten fachlichen Input, auch methodisch einen interessanten Ansatz. Bereits vor Beginn des Workshops lag auf jedem Platz eine ID-Card (also ein Teilnehmerausweis) mit farbigen Klebezetteln aus. Auf diesen mussten einfache Fragen (Herkunft, Jobbezeichnung, usw.) beantwortet werden. Die Antworten wurden innerhalb des Workshops benutzt um Stimmungsbilder oder Erfahrungen auszutauschen. So wurde beispielsweise der Zettel mit dem Herkunftsland verwendet um darzustellen in welchem Land bereits Forschungsdatenmanagementpläne bei nationalen Drittmittelgebern verlangt werden. Diese Methode verwende ich mittlerweile um Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden meiner Schulungen bzw. Feedback zu bekommen. Durch die Kommunikation an den Charts und die Beantwortung der Fragen werden die Kurse aufgelockert und auch die Teilnehmenden können sich besser austauschen als durch einfaches Handzeichen oder Gruppenbefragungen in den Seminaren. Die Rückmeldungen zu dieser Methode sind bisher immer positiv.


Publikationsunterstützung für WissenschaftlerInnen und Innovationdigging

Bereits acht Monate vor der Tagung lag die Deadline für den Call for Abstracts und damit die Einreichungsfrist für die geplanten Workshops. Neben Zielgruppe und Vorbildung der Teilnehmenden werden hier die Methoden und Zielsetzungen des Workshops beschrieben. Anhand dieser Angaben entschied das Organisationskomitee bis Anfang Dezember welche Beiträge ausgewählt wurden.

Mein eigener Workshop am Mittwochnachmittag trug den Titel: Support services for scientists – a brainstorming session. Er richtete sich an BibliotheksmitarbeiterInnen, die in Kontakt mit FachwissenschaftlerInnen sind und Ideen für Services und Angebote entwickeln möchten. Ich habe damit den Inhalt meiner Masterarbeit im MALIS Studium an der TH Köln aufgegriffen (Thema: Publikationsunterstützende Dienstleistungen wissenschaftlicher

Bibliotheken für Mediziner). Ziel der EAHIL-Veranstaltung war es neue Ideen zu generieren und dabei auch außerhalb der „klassischen“ Bibliotheksservices zu stöbern. Für meine Masterarbeit habe ich in zahlreichen Interviews klinische und nicht klinische WissenschaftlerInnen der Universitätsmedizin Leipzig befragt, welche Services sie vermissen und bei welchen sie sich die Bibliothek als Servicepartner vorstellen könnten. Alle Vorschläge lassen sich auf dem Publikationslebenszyklus einordnen und fallen in die sechs Bereiche: Erzeugung (Schreiben von Anträgen, Experimente, usw.), Evaluierung (u.a. Peer Review-Verfahren), Publikation (Formatierung der Manuskripte u.ä.), Verbreitung (Print-/Online-Veröffentlichung), Erhaltung (z.B. Langzeitarchivierung) und Nutzung (Volltexte, Zitationen usw.). Dabei sind bibliothekarische Services vor allem in den letzten drei Bereichen bereits gut etabliert. In den ersten Schritten der wissenschaftlichen Veröffentlichungen spielen Bibliotheken noch kaum eine Rolle. Allerdings gibt es auch hier viele kleine Schritte, in denen wir unterstützen können. Um diese Schritte zu identifizieren wurde im Rahmen des Workshops die Methode Innovationdigging nach van Aerssen und Kemeröz [1] angewendet.

Die Methode dient dazu Ideen zu entwickeln, die außerhalb der klassischen Betätigungsfelder liegen, und kreativ an Services heran zu gehen. Durch eine einfache Matrix können schnell Ziele identifiziert werden, die dann mit anderen kreativen Methoden bearbeitet werden können.

Konkret werden auf einem Flipchart in einer Tabelle zunächst einzelne Schritte des wissenschaftlichen Arbeitens als „Touchpoints“ definiert und als Zeilenköpfe eingetragen. Anschließend werden „Dimensionen“ als Spaltenköpfe festgelegt. Diese können positive oder negative Werte sowie Adjektive sein – im Workshop z.B. einfach, benutzerfreundlich, zeitsparend, kosteneffizient, einschränkend, aufwändig, innovativ, achtsam und erfolgreich. Aus diesen Zeilen- und Spaltenköpfen ergibt sich eine Matrix mit Feldern, die jeweils einen Touchpoint und eine Dimension repräsentieren. Zur Bestimmung des aussichtsreichsten Feldes kam ein Dot-Voting zum Einsatz. Jeder Teilnehmende konnte mit fünf Klebepunkten für das „Lieblingsfeld“ abstimmen. So erhält man eine repräsentative Meinung und sieht gleichzeitig, welche Felder neben dem „Golden Quadrat“ noch relevant sind. Innerhalb des Workshops wurde nach der Abstimmung mit den Feldern „Creating graphs – visual“, „Create a reference list – thorough“ und „Finding a database – user friendly“ gearbeitet.

Um nun ebenfalls kreativ mit diesen Themen umzugehen und nicht direkt auf eingefahrene Wege zu gelangen, wurden in einem nächsten Schritt Vorschläge gemacht, die Services auf den jeweiligen Gebieten noch zu verschlechtern. Mit der sogenannten Kopfstandmethode generiert man schneller Ideen, als wenn man an etwas Positives denken muss. Dadurch kann man sich selbst aus den Denkmustern befreien und unbefangen an Themen herangehen. Auf diesen verschlechternden Vorschlägen basierend wurden dann Vorschläge gemacht, wie man die Aspekte tatsächlich verbessern könnte.

Die Methode lässt sich einsetzen, um Services weiter zu entwickeln, bei denen man mit klassischen Methoden nicht mehr weiterkommt. Außerdem können durch die Matrixmethode Felder aufgezeigt werden, an die man im ersten Schritt nicht gedacht hätte. Durch die schriftliche Matrix kann man später ebenfalls auf die anderen Felder zurückgreifen und auch dort weiterarbeiten. Es bleibt nun abzuwarten, welche Support Services für WissenschaftlerInnen in Zukunft durch diese oder andere Methoden entstehen werden.


Anmerkungen

Danksagung

Ich bedanke mich herzlich bei der AGMB für die finanzielle Unterstützung in Form des Reisestipendiums. Ohne diese Beihilfe wäre meine Teilnahme an der Veranstaltung nicht möglich gewesen.

Interessenkonflikte

Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
van Aerssen B, Kemeröz T. Innovationdigging. Norderstedt: Books on Demand; 2013.