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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Vom Informationsversorger zum Forschungsdienstleister – Änderung der Wahrnehmung bibliothekarischer Arbeit durch Open Access an der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften der Universität Leipzig

From information provider to research service provider – shifting the perception of library work through open access at the medicine and sciences library of the Leipzig University

Case Report Open Access

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  • corresponding author Astrid Vieler - Universität Leipzig, Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften, Leipzig, Deutschland
  • author Claudia Wöckel - Universität Leipzig, Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften, Leipzig, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2019;19(1-2):Doc14

doi: 10.3205/mbi000439, urn:nbn:de:0183-mbi0004398

Published: September 10, 2019

© 2019 Vieler et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

In diesem Praxisbericht werden aus der Perspektive der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften der Universität Leipzig die Relevanz der verschiedenen Angebote und Dienstleistungen der Universitätsbibliothek zum Thema Open-Access-Publizieren sowie aktuelle und zukünftige Berührungspunkte und Herausforderungen im Zusammenhang mit der Open-Access-Transformation reflektiert. Speziell durch die Publikationsdienstleistungen um den Open-Access-Publikationsfonds konnte sich die Bibliothek in der Wahrnehmung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Dienstleister für die Forschung etablieren. Ebenso wird neben den klassischen Themen der Informationskompetenz die Vermittlung von Kenntnissen zum Publikationswesen und zum Publikationsmarkt zunehmend relevant.

Schlüsselwörter: Universität Leipzig, Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften, Open-Access-Transformation, DEAL, Open-Access-Publikationsfonds, Schulungsangebote, Publikationsservice, PubMed, Informationskompetenz, Erfahrungsbericht

Abstract

This practice report reflects on the relevance of the Leipzig University Library’s various offerings and services in the field of open access publishing as well as current and future points of contact and challenges related to the open access transformation from the perspective of the medicine and sciences library. In particular, the publication services provided by the open access publication fund have enabled the library to establish itself as a service provider for research. In addition to the classical topics of information literacy, the transfer of knowledge about publishing and the publication market is also becoming increasingly relevant.

Keywords: Leipzig University, medicine and sciences library, open access transformation, open access publishing fund, publishing service, PubMed, information literacy, case report


Open Access als Service an der Universitätsbibliothek Leipzig

Die Universität Leipzig verfolgt seit 2013 Open Access (OA) als strategisches Ziel [1]. Die Koordination liegt dabei – ebenso wie die Umsetzung der Strategie und die Entwicklung neuer Serviceangebote – in den Händen des Open Science Office (OSO) an der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL). An der Initiation dieser OA-Strategie war die Universitätsmedizin maßgeblich beteiligt. Dabei war vor allem die Teilnahme am DFG Programm Open Access Publizieren – also die Einrichtung eines zentralen Fonds zur Übernahme von autorenseitigen Publikationsgebühren in OA-Zeitschriften – ein bedeutender Motivator. Parallel zur Etablierung des Publikationsfonds im Jahr 2014 wurde eine Reihe von Angeboten entwickelt, die sich entweder als Publikationsservice oder als Informations- und Beratungsservice beschreiben lassen.

Zu den Publikationsdienstleistungen gehören die Übernahme von Publikationsgebühren durch den Publikationsfonds sowie der Katalogisierungs- und Veröffentlichungsservice auf dem institutionellen Repositorium der Universität Leipzig, Qucosa. Die Katalogisierung wird von einem wachsenden Team an Bibliothekarinnen und Bibliothekaren übernommen, die an verschiedenen Standorten der UBL ihren Arbeitsplatz haben. Daneben bewirbt und verwaltet das OSO den PublikationsfondsPLUS für nachhaltige und verlagsunabhängige Publikationsprojekte; ein komplementäres Angebot zum OA Publikationsfonds, das vorwiegend von den Geistes- und Sozialwissenschaften genutzt wird. Im Zusammenhang damit stehen umfassende Beratungsangebote für verschiedenste Publikationsprojekte. Aktuell ist ein Publikationsservice für Zeitschriftenprojekte auf der technischen Basis von Open Journal Systems als Kooperationsprojekt mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) in Dresden im Aufbau.

Der Informations- und Beratungsservice beinhaltet neben der individuellen Beratung – telefonisch, per E-Mail, oder persönlich – vor allem auch ein breites Informationsangebot, das sich vorrangig an den wissenschaftlichen Nachwuchs, aber auch an erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richtet. Die Termine finden in der Regel nach Absprache an den Instituten vor Ort statt. Veranstaltungen mit Vortragscharakter sind für einen Zeitrahmen von mindestens 30 Minuten veranschlagt, die Ausrichtung längerer Veranstaltungen mit mehr Zeit für Fragen und Diskussion oder von Workshops ist zunehmend gefragt. Dabei werden immer thematische Schwerpunkte gesetzt, die mit den Teilnehmenden im Vorfeld abgestimmt und dann gezielt vorbereitet werden. Im vergangenen Jahr fanden insgesamt 18 Veranstaltungen mit über 300 Teilnehmenden statt.

Das OSO ist seit seiner Gründung 2013 – damals als OA Office – stetig gewachsen und besteht heute aus drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des wissenschaftlichen Dienstes, sowie vier Bibliothekarinnen und Bibliothekaren. Das OSO versteht sich als integrale Funktionseinheit der Bibliothek, die nicht nur nach außen mit Service und Beratung wirkt, sondern auch als Schnittstelle und Vermittler innerhalb der Bibliothek fungiert. An der UBL ist das OSO strukturell im Bereich Bestandsentwicklung und Metadaten angebunden, die bibliothekarischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen gleichzeitig Aufgaben in der AG E-Medien. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes sind neben Ihrer Referententätigkeit für das OSO mit Fachreferats- oder Leitungsaufgaben betraut. So ist die OA-Referentin für die Medizin und Naturwissenschaften gleichzeitig die Leiterin der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften.

Die enge Vernetzung mit den Bereichen Erwerbung, E-Medien und dem Standort Medizin/Naturwissenschaften erleichtert den Informationsfluss in viele verschiedene Bereiche innerhalb der Bibliothek. Durch die Beteiligung an internen Arbeitsgruppen und Fortbildungsformaten werden die Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeiter in allen Bereichen regelmäßig für das Thema OA und die damit verbundenen Veränderungen sensibilisiert.

Die Integration von OA in die Erwerbungsabteilung der Bibliothek hat sich insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auf dem Publikationsmarkt als kluge Wahl erwiesen. Bereits durch die Verhandlung von OA-Komponenten in Allianz- und Konsortiallizenzen wurde OA zum Thema in Erwerbungsabteilungen. Diese beliefen sich jedoch zumeist auf ausgehandelte Rabatte auf OA-Gebühren, sei es für Gold oder Hybrid-OA, und auf verbesserte Konditionen für Zweitveröffentlichungen. Durch die Bestrebungen im Projekt DEAL mit den drei größten Anbietern wissenschaftlicher Inhalte – Wiley, Springer Nature und Elsevier – auf nationaler Ebene Transformationsverträge abzuschließen, rückt OA in das Zentrum der Erwerbung in Bibliotheken [2]. Bei der Umstellung der Kostenmodelle hin zu einem publikationsbasierten Berechnungsmodell wird es zwangsläufig zu Veränderungen in den Kostenstrukturen und Budgets kommen. Dabei sind es an vielen Hochschulen insbesondere die Medizinischen Fakultäten und gegebenenfalls Universitätsklinika, die aller Voraussicht nach aufgrund ihres hohen Publikationsoutputs maßgeblich stärker belastet werden.

Im Oktober 2018 wurde die medizinische Bibliothek der Universität Leipzig an einem neuen Standort mit den Bibliotheken für Natur- und Lebenswissenschaften inklusive der Geographie zusammengeführt. Die neue Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften ist ein zentraler Anlaufpunkt auf dem Campus der Universitätsmedizin Leipzig für Studierende und Wissenschaftler aus vier verschiedenen Fakultäten. Sie ist eine selbsterwerbende Bibliothek im einschichtigen Bibliothekssystem der UBL und betreibt eine eigene Fernleihe mit Dokumentenlieferdienst.

In diesem Praxisbericht wird beleuchtet, welche Angebote des OSO für die Universitätsmedizin welche Relevanz besitzen und an welchen Stellen das Thema OA die Arbeit der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften darüber hinaus berührt oder dies in Zukunft tun wird.


OA-Publikationsservice für die Universitätsmedizin

Der Publikationsfonds spielt mit einem Anteil von 64% der geförderten Artikel insbesondere für die Universitätsmedizin eine wichtige Rolle – bei stark steigender Nachfrage: 2014 gehörten 45 der geförderten Artikel zum Medizinbereich, 2018 bereits 97 Artikel. Die Ausgaben für OA-Artikel aus der Medizin beliefen sich seit Einführung des Fonds auf rund 500.000 EUR. Nur etwa jeder zweite Artikel, für den Mittel aus dem Fonds beantragt werden, kommt in einem OA-Journal zur Publikation. Das Verhältnis administrativer Vorgänge zu publizierten Artikeln liegt somit etwa bei 2:1. Konkret steht das OSO damit fast (arbeits-)täglich in Kontakt mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Ärztinnen und Ärzten. Damit wird eine Zielgruppe erreicht, die den Service der Bibliothek lange Zeit vorrangig als die – überwiegend digitale – Bereitstellung von Informationen wahrnahm und diese am Arbeitsplatz, im Labor oder von Zuhause aus nutzte [3]. Der Publikationsfonds ist daher weit mehr als ein finanzielles Förderinstrument für das OA-Publizieren, sondern hat sich als Türöffner erwiesen, um mit den Angehörigen der medizinischen Fakultät als einer wichtigen Nutzergruppe wissenschaftlicher Bibliotheken in den Dialog zu treten. Dabei wird nicht selten zu angrenzenden Fragen rund um das digitale Publizieren (Bibliometrie, Qualitätssicherung, etc.) beraten oder der Publikationsservice auf dem Publikationsserver der Universität Leipzig beworben.

Bisher wird der Publikationsserver von der Universitätsmedizin vorrangig für die Veröffentlichung von Dissertationen genutzt. In den Jahren 2015 und 2016 wurden 62% bzw. 68% der insgesamt rund 200 medizinischen Doktorarbeiten OA auf dem Publikationsserver der Universität Leipzig veröffentlicht. Darüber hinaus ist die Nutzung des Publikationsservers für Zweitveröffentlichungen vonseiten der Universitätsmedizin eher punktueller Natur. Um die Möglichkeiten des grünen OA konsequenter voranzutreiben hat sich eine Kooperation mit Lehrstühlen oder Forschergruppen wie beispielsweise Sonderforschungsbereichen als hilfreich erwiesen. Als zentrales Ergebnis eines Pilotprojekts des OSO mit einem Lehrstuhl der medizinischen Fakultät, in dem seit 2016 38 Artikel zweitveröffentlicht wurden, lässt sich festhalten, dass es – insbesondere um die adäquate Aufbereitung der Autorenmanuskripte zu gewährleisten – von Vorteil ist, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine verantwortliche Person aus ihren Reihen mit der Koordination beauftragen. Diese kann auch in einem Sekretariat oder in der Forschungskoordination tätig sein. Derzeit wird innerhalb eines Kooperationsprojektes mit der SLUB an der Funktionserweiterung und Optimierung der Nutzer-Usability gearbeitet. Auch wenn versucht wird, bis zum Projektabschluss die gegenwärtigen funktionalen Einschränkungen (etwa die Notwendigkeit einer handschriftlich unterzeichneten Einverständniserklärung) durch Dienstleistungen des OSO zu reduzieren, hängt der Veröffentlichungserfolg stark vom Engagement der einzelnen Autorinnen und Autoren ab. Gleichwohl nutzt das OSO vielfältige Gelegenheiten und Kontakte mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um auf den Zweitveröffentlichungsservice aufmerksam zu machen.

2014 konnte das digitale Archiv der „Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V.“ [4] in Kooperation mit den Herausgebern retrospektiv zusammengeführt und digital über den Publikationsserver der Universität Leipzig bereitgestellt und stabil nachgewiesen werden. Während solche retrospektiven Zeitschriftenprojekte – ebenso wie der Betrieb von Zeitschriften in Eigenregie – in den Geistes- und Sozialwissenschaften einen nennenswerten Anteil der OA-Aktivitäten ausmachen, stellen sie in der Medizin eher die Ausnahme von der Regel dar.


Information! Information! Information!

Bei den Beratungs- und Informationsangeboten des OSO stellt in fast allen Fachbereichen der wissenschaftliche Nachwuchs, und hier insbesondere die Promovierenden, die wichtigste Zielgruppe dar. Tatsächlich sind Doktorandenkolloquien eine gute Gelegenheit, sowohl über die angebotenen Serviceleistungen des OSO als auch die Grundlagen des wissenschaftlichen Publikationsmarkts und OA zu informieren. In der Medizin hingegen, wo oftmals die Promotion bereits während des ohnehin zeit- und lernintensiven Studiums bearbeitet wird, sind die Promovierenden eher eine nachgeordnete Zielgruppe und werden lediglich im Rahmen der Promovierendenkurse der Bibliothek für das Thema OA sensibilisiert. Stattdessen bieten hier eher Institutskolloquien oder Arbeitsgruppentreffen ein geeignetes Forum, um mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Dialog zu treten.

Neben den Veranstaltungen des OSO werden Informationen zu OA auch durch Schulungen und Veranstaltungen der Fachreferate aufgegriffen. Von der Fachreferentin für Medizin und Tiermedizin werden sowohl Wissenschaftler als auch Studierende in verschiedenen Formaten in den Räumen der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften informiert, beraten und geschult.

In den regelmäßig stattfindenden, 120-minütigen Schulungen PubMed und Co. werden allen Interessierten, also vor allem Forschenden und Promovierenden, neben den klassischen Werkzeugen zur Literaturrecherche auch Tipps und Tricks zur Recherche von OA-Quellen vermittelt. Großes Interesse besteht hier vor allem an Browser Plugins wie Unpaywall oder dem Google Scholar Button, um OA-Versionen mühelos zu finden. Unpaywall selbst ist mittlerweile auf allen Benutzeroberflächen an den PCs der UBL installiert, um die Nutzung von OA-Ressourcen zu unterstützen. Im Pflichtmodul Infektiologie und Immunologie (Problem Orientiertes Lernen) im 6. Semester des Humanmedizinstudiums findet ebenfalls ein Seminar zur Literaturrecherche statt. Ziel des Seminars ist die Vorbereitung der Studierenden auf die Literaturarbeit während der Doktorarbeit, die sich häufig ab dem 7. Semester anschließt. Die Sensibilisierung für OA und Zweitveröffentlichungen als Ressource wissenschaftlicher Forschung ist curricularer Teil dieser Veranstaltung.

Seit dem Wintersemester 2018/19 wird ein neues Format in der Bibliothek Medizin/Naturwissenschaften erprobt. Im MINT Spezial werden in einer Zusammenarbeit der UBL und des Academic Lab der Universität Leipzig Themen wie Literaturrecherche, Zweitveröffentlichung und Literaturverwaltung, Academic English, wissenschaftliches Schreiben u.a. in ca. 60 Minuten in Workshop-Atmosphäre vermittelt. Eine Anmeldung ist für dieses Angebot nicht notwendig, wodurch eine spontane Teilnahme ermöglicht werden soll. Besonders gefragt sind bislang die Angebote der Veranstaltungen zu Lernstrategien, Statistik und dem Schreiben von Abstracts. Damit begegnet die UBL dem Wunsch der Promovierenden in der Medizin nach mehr Unterstützungsangeboten in diesen Bereichen. Bis zum Wintersemester 2019/20 wird das Format verstärkt zielgruppenspezifisch fokussiert und erweitert sowie das Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit für diese Zielgruppe optimiert.

Ab dem Wintersemester 2019/20 wird erstmals im Rahmen einer curricularen Veranstaltung im Masterstudiengang Biochemie eine Einheit zum Thema Wissenschaftskommunikation angeboten, in der auch OA eine wichtige Rolle spielen wird. Ziel ist es, die Studierenden optimal auf ihre erste wissenschaftliche Arbeit, die Masterarbeit, vorzubereiten und dabei auch grundlegendes Verständnis für Mechanismen und Funktionsweise des Publikationsmarktes herzustellen. Bei einem erfolgreichen Verlauf wird das erarbeitete Schulungskonzept auch für Studierende anderer Studiengänge und vor allem auch den Promovierenden der Medizin als fakultatives Angebot der Bibliothek angeboten.


Herausforderungen der Open-Access-Transformation

Die OA-Transformation verändert das Selbstverständnis von Bibliotheken grundlegend. Die Umstellung eines Kostenmodells weg von Kauf- und Lizenzierung von Leserechten hin zu einem am Publikationsaufkommen orientierten Modell und die damit verbundene Umnutzung der Erwerbungsetats hin zu (OA-)Publikationsmitteln fordern dabei die gängige Interpretation des Auftrags zur Informationsversorgung heraus (mehr dazu siehe [5], [6], [7]). Die Universitätsmedizin ist die publikationsstärkste Einheit der Universität Leipzig [8]. Mit Inkrafttreten der ersten Transformationsverträge stellt sich automatisch die Frage nach den Auswirkungen auf die Kosten- und Budgetverteilung. Gängige Praxis ist die Verteilung der Erwerbungsbudgets für subskriptionspflichtige E-Medien nach mehr oder weniger unflexiblen Schlüsseln. Dabei ist es nicht nur, aber insbesondere bei den großen elektronischen Datenbanken und Zeitschriftenpaketen im STM-Bereich besonders herausfordernd, die Anteile an den Paketen nach einem realen Schlüssel abzubilden. Inwiefern sich diese Schlüssel mit der tatsächlichen Nutzung aus den verschiedenen Fachbereichen decken, lässt sich in den meisten Fällen nicht empirisch ermitteln. Bei publikationsbasierter Kostenmodellierung ist eine Umlegung der Kosten nach dem Verursacherprinzip dagegen naheliegend. Dabei wird es zwangsläufig zu Verschiebungen in den Budgets kommen. Das Publikationsaufkommen und die damit verbundenen Kosten werden – im Vergleich zur Planung von Kauf und Lizenzierung – deutlich mehr Schwankungen unterworfen sein. Hier ist die Bibliothek in der Pflicht, Sorge zu tragen, dass die Mittelverteilung dennoch möglichst fair erfolgt und allen Bedürfnissen gerecht wird.

Im Rahmen der Verwaltung des OA-Publikationsfonds wurde die Erfahrung gemacht, dass die korrekte Zuweisung von Publikationen zu Einrichtungen der Universität die Bibliothek als Verwalterin des Fonds vor eine schwierige Aufgabe stellt [9]. Eine besondere Herausforderung birgt dabei die Differenzierung zwischen den Universitätsangehörigen der Medizinischen Fakultät einerseits und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Universitätsklinikums andererseits. Es ist daher unabdingbar, frühzeitig und transparent mit den Beteiligten in den Dialog zu treten und die Übergangszeiten der Verträge zu nutzen, um den Mitteleinsatz zu diskutieren und Workflows zu erproben. Aufgabe der Bibliothek ist es, die nachhaltigen Veränderungen im Publikationsmarkt so im Wissen und Verständnis der Publizierenden zu kontextualisieren, dass diese die OA-Transformation als informierte Protagonisten aktiv begleiten können.

OA-Dienstleistungen und die OA-Transformation stellen Bibliotheken vor große Herausforderungen, bieten aber gleichzeitig neue Aufgaben und Betätigungsfelder, auch und vielleicht insbesondere für medizinische Fachbibliotheken. Dabei bildet die strukturierte und regelmäßige Mitarbeiterinformation und Weiterbildung die Grundlage. Dieses Wissen kann idealerweise im Kontakt mit dem Nutzer angewendet werden, dabei spielt nicht nur das Auffinden von OA-Versionen eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der Bewertungskriterien für OA-Quellen, der mittlerweile zahlreichen Geschäftsmodelle oder der wichtigsten fachspezifischen Repositorien, sei es für Pre- oder für Postprints. Wenn sich die Informationsversorgung einer wissenschaftlichen Bibliothek über die Erwerbung und Lizenzierung hinaus mehr und mehr auf OA-Quellen ausdehnt, wird es umso wichtiger, dass die Informationsspezialisten in den Bibliotheken auskunftsfähig über diese Quellen sind.

Bedingt durch die OA-Transformation werden einige klassische Arbeitsfelder in Bibliotheken an Volumen verlieren – wie beispielsweise die Fernleihe. Mit einem steigenden globalen Anteil an OA-verfügbaren Publikationen ist hier im Laufe der nächsten Jahre mit sinkenden Arbeitsaufwand zu rechnen. Sollten zudem die Projektziele im Projekt DEAL erreicht werden – also mit den drei größten Wissenschaftsverlagen deutschlandweite Verträge ausgehandelt werden und so ein flächendeckender Zugriff auf die lizenzpflichtigen Inhalte gegeben sein – entfällt auch für diese Inhalte in weiten Teilen ein Lieferbedarf. Auch dies wird zu einer Verminderung des Fernleihaufkommens für Zeitschriftenartikel beitragen und im Hinblick auf die gebenden Lieferdienste zu einer Verringerung der Fernleih- und Lieferanfragen führen.

Stattdessen werden Dienstleistungen, die den gesamten Forschungszyklus im Blick haben, auch in Deutschland noch weiter an Relevanz gewinnen [10].


Fazit

Nicht nur die Wahrnehmung der Bibliothek durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verändert sich, sondern auch das Selbstverständnis der Bibliotheken hin zu einem Partner der Forschenden im Wissenschaftsprozess. Die Verschiebung weg von einem reinen Informationsdienstleister hin zu einem Partner, der den Forschungsprozess auf verschiedenen Ebenen aktiv unterstützt, ist für die Bibliothek eine außerordentliche Chance, ihr Verhältnis und ihre Bindung zur wichtigen Nutzergruppe der Forschenden, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Ärzte und Ärztinnen, zu intensivieren. Diese Chance sollten Bibliotheken nutzen und ihre Dienstleistungen vermehrt an den Bedarfen der Forschenden messen.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autorinnen erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Schücking BA. Open Access Policy der Universität Leipzig vom 13. Juni 2019. Leipzig: Universität Leipzig; 2019. Available from: https://www.ub.uni-leipzig.de/fileadmin/Resources/Public/Docs/Upload_News/Heft_18_Open_Access_Policy.pdf External link
2.
Holzer A. Wozu Open-Access-Transformationsverträge? o-bib. 2017;4(2):87-95. DOI: 10.5282/O-BIB/2017H2S87-95 External link
3.
Swan A, Brown S, Jubb M, Green R. Researchers’ Use of Academic Libraries and their Services: A report commissioned by the Research Information Network and the Consortium of Research Libraries. 2007. Available from: https://eprints.soton.ac.uk/263868/1/libraries-report-2007.pdf External link
4.
GMDS e.V., editor. GMS Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (MIBE). Available from: https://gmds.de/publikationen/online-zeitschriften/ External link
5.
Rösch H. Open Access als Zumutung für die Erwerbung? Auswirkungen der Open-Access-Transformation auf die Erwerbungs- und Bestandspolitik der Bibliotheken. b.i.t. online. 2019;22(3):213-16. Available from: https://www.b-i-t-online.de/heft/2019-03-fachbeitrag-roesch.pdf External link
6.
Ball R. Die Transformation des Publikationssystems zu Open Access und die Konsequenzen für Bibliotheken und Wissenschaft: Ausgewählte Aspekte. b.i.t. online. 2018;21(1):9-17. Available from: https://www.b-i-t-online.de/heft/2018-01-fachbeitrag-ball.pdf External link
7.
Schimmer R. Open Access und die Re-Kontextualisierung des Bibliothekserwerbungsetats. BIBLIOTHEK Forschung und Praxis. 2012;36(3):293-9. DOI: 10.1515/bfp-2012-0038 External link
8.
Universität Leipzig. Jahresbericht 2017. 2018. Available from: https://www.uni-leipzig.de/fileadmin/ul/Dokumente/2017_jahresbericht.pdf External link
9.
Geschuhn K, Sikora A. Management von Article Processing Charges – Herausforderungen für Bibliotheken. o-bib. 2015;2(1):27-34. DOI: 10.5282/o-bib/2015H1S27-34 External link
10.
Keller A. Research Support in Australian University Libraries: An Outsider View. Australian Academic & Research Libraries. 2015;46(2):73-85. DOI: 10.1080/00048623.2015.1009528 External link