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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Eine praktische Methode zur systematischen Literaturrecherche an Medizinbibliotheken

A practical method for systematic searching of literature in medical libraries

Fachbeitrag

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  • corresponding author Maurizio Grilli - Bibliothek der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg, Universitätsmedizin Mannheim, Mannheim, Deutschland External link

GMS Med Bibl Inf 2016;16(1-2):Doc04

doi: 10.3205/mbi000359, urn:nbn:de:0183-mbi0003598

Published: September 23, 2016

© 2016 Grilli.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Systematische Literaturrecherchen an Bibliotheken erfolgen parallel zu vielen anderen Tätigkeiten. Dieser Artikel stellt eine standardisierte Prozedur vor, um die Recherche in verhältnismäßig kurzer Zeit zu erledigen.

Schlüsselwörter: systematische Literaturrecherche, Recherchestrategie, Suchprotokoll, Bibliothek

Abstract

Systematic searching in libraries occurs parallel to many other tasks. This article aims to propose a standardized procedure to conduct the search in relatively short time.

Keywords: systematic literature searching, search strategy, search report


Einleitung

Das Cochrane Handbuch zur systematischen Literaturrecherche [1] ist die allgemein anerkannte Leitlinie für die systematische Literaturrecherche im Medizinbereich. Das Handbuch empfiehlt bei der Erstellung der systematischen Literaturübersichten die Zusammenarbeit mit Fachbibliothekaren. Spezialisierte Medizinbibliothekare haben die Kompetenz um Recherchen zu planen und durchzuführen. Zu ihrer Kerntätigkeit gehört die Unterstützung der Forschung im Rahmen von Übersichtsarbeiten und Hochschulschriften, aber sie haben so gut wie nie ausreichend Zeit zur Verfügung, um eine systematische Literaturrecherche ganz nach den Vorschriften der Cochrane Collaboration durchzuführen.

Campbell [2] schlägt diesbezüglich einige sekundäre Lösungen vor, wie eine zumindest partielle Befreiung von Bibliothekaren, die mit den Recherchen beschäftigt sind, von der Verpflichtung, Informationsdienste zu übernehmen, eine vollständigere Definition der Recherche seitens der Antragsteller oder eine Fortbildung der Antragsteller seitens der Bibliothekare. Dieser Artikel schlägt eine praktische Methode vor, um die folgenden Arbeitsschritte der systematischen Recherche gleichzeitig zu erledigen und damit im normalen Arbeitsalltag Zeit zu sparen:

  • Erstellung eines Rechercheprotokolls für die interne Verwaltung
  • Erstellung eines Rechercheprotokolls für den Antragsteller
  • Erstellung der Recherchestrategie
  • Durchführung der systematischen Recherche

Dieser Beitrag sollte vor allem als Vorschlag für eine Arbeitsmethode in der alltäglichen Praxis verstanden werden. Es geht hierbei außerdem um keine Einführung in die Nutzung der Datenbanken oder in die Prinzipien des Information Retrievals. Diese grundsätzlichen Fachkenntnisse werden vorausgesetzt.


Das Thema verstehen

Das genaue Verständnis des Themas ist Voraussetzung, um mit der Recherche beginnen zu können. Dies erfolgt normalerweise anhand des Titels und einer kurzen Beschreibung seitens der Auftraggeber. Manchmal ist jedoch schon in dieser Phase ein persönliches Gespräch erforderlich. Im Rahmen dieses Gesprächs sollen hauptsächlich das Forschungsvorhaben und die dazugehörige Hintergrundinformation geklärt werden, und ob über das Thema schon viel veröffentlicht wurde oder ob es sich eher um ein neues Forschungsobjekt handelt.


Festlegung der Themenaspekte

Die Festlegung der Themenaspekte und der jeweiligen Suchbegriffe sind die ersten grundlegenden Schritte zur Vorbereitung der Recherche in den Datenbanken. Je sorgfältiger und genauer die Recherche in dieser Phase vorbereitet wird, desto sicherer und schneller wird sie durchführbar sein.

In dieser Phase kann das bekannte Schema P.I.C.O. (patient, intervention, comparison, outcome) [3] hilfreich sein. Allerdings passt das Schema in den meisten Fällen nur teilweise. Der Aspekt O (outcome) fällt z.B. bei der Recherchedurchführung fast immer aus. Dafür gibt es oft den Bedarf, die anderen Aspekte besser zu artikulieren, beispielsweise wenn es bei P nicht nur um eine Pathologie geht, sondern auch um eine besondere Patientenauswahl. Oft sollen auch besondere Aspekte der Intervention hervorgehoben werden. Die Hauptsache ist, das Forschungsobjekt durch alle relevanten Aspekte genau darzustellen. In dem beschriebenen Fall vom gleichzeitigen Auftreten der Aspekte Pathologie und besonderen Patiententyp reicht ein P nicht mehr. Dann muss es beispielsweise jeweils ein P1 und ein P2 geben, die zunächst voneinander getrennt gehalten und recherchiert werden sollten, in der Recherchestrategie aber eine einzige Treffermenge bilden.


Umsetzung

Um die oben genannten Ziele zu erreichen hat sich die tabellarische Form bewährt.

Für jeden Aspekt wird eine zweispaltige Tabelle erstellt. In der Spalte links werden die Suchbegriffe aufgelistet, die bei der Recherche in den Datenbanken in Frage kommen. In der Spalte rechts werden eventuell ausgeschlossene Suchbegriffe eingetragen. Wenn für einen Aspekt mehrere über-, unter- oder gleichgeordnete Begriffe in Frage kommen, wird zur besseren Übersicht für jeden Begriff eine neue Zeile in der Tabelle eingefügt. Die Festlegung der Aspekte und die Auswahl der dazugehörenden Suchbegriffe erfolgt in Absprache mit den Antragstellern.

Eine Hilfe bei der Suche nach der englischen Übersetzung der deutschen Suchbegriffe ist die Datenbank Pubmed. Man sucht den Begriff in der Originalsprache im Feld „Transliterated Titel“ z.B. therapieversagen[tt] und als Treffermenge bekommt man Artikel bei denen im Originaltitel das Wort „Therapieversagen“ vorkommt. Wenn man sich die englischen Titel anschaut, findet man Übersetzungen für das gesuchte Wort.

In dieser Datenbank sind die Begriffe in einer oder mehreren Strukturen eingebettet, aus denen die eventuell noch in Frage kommenden verwandten Begriffe ausgewählt werden können.

Bei der Festlegung der Suchbegriffe wird nicht nur nach Schlag- sondern auch nach Textwörtern bzw. nach Synonymen gesucht. Wenn die Suchbegriffe in der MeSH-Database als Schlagwörter vorhanden sind, befinden sich hier auch die meisten entsprechenden Textwörter als sogenannte „Entry Terms“. Diese sollten als Suchbegriffe mit einbezogen werden, weil die Vergabe der MeSH-Terms zu den neuen Publikationen in PubMed bis zu ca. 6 Monate dauern kann. So lange können diese Publikationen nur über die Textwörter im Titel, Abstract oder unter den Keywords gefunden werden. So würde die Tabelle 1 [Tab. 1] zum Beispiel aussehen.

Wenn man die Suchbegriffe tabellarisch in Cluster einordnet, hat man den zusätzlichen Vorteil, dass man mit einem Mausklick die ganze Spalte kopieren und in die Suchmaschine der Datenbank einfügen kann. Das funktioniert mit dem Browser Firefox.


Testdurchführung in PubMed

Wenn die Treffermenge in PubMed bei der ersten Vorabrecherche zur Orientierung zu gering ist, kann man die Recherche durch folgende Suchmethoden erweitern:

  • Text Word [tw] statt Title/Abstract [tiab] als Feldangabe bei den Textwörtern. So wird auch das Feld „Keywords“ zusätzlich mitdurchsucht.
  • Ausschluss von zu spezifischen Aspekten aus der Recherche. Dadurch wird die Recherche weniger präzise, dafür findet man auch Artikel, in denen das Thema nur marginal abgehandelt wird.

Wenn zu viele Treffer gefunden wurden, kann man die Recherche durch folgende Suchbefehle eingrenzen:

  • Einsatz des Befehls „no explosion“ bei den MeSH-Terms. Dadurch werden aus der Recherche die untergeordneten MeSH-Terms in der jeweiligen Hierarchie ausgeschlossen.
  • Einige der irrelevanten Treffer analysieren um festzustellen, welche Suchbegriffe zu diesen Treffern geführt haben. Man kann sich dann Gedanken darüber machen, ob diese Suchbegriffe von der Recherche ausgeschlossen werden können (in die rechte Spalte der Tabelle verschieben).

Durchführung der Recherche in den Datenbanken

Nach der Testdurchführung in PubMed wird die Recherche in allen vorgesehenen Datenbanken durchgeführt. Dafür müssen wiederum die Suchbegriffe an die jeweilige Datenbank angepasst werden. Diese Anpassung der Suchbegriffe sollte für alle Datenbanken durchgeführt werden, bevor man mit der Recherche anfängt. Dabei fallen manchmal Ungenauigkeiten auf, die so gleich korrigiert werden können.

Vor der Recherchedurchführung wird die Suchstrategie in einer Tabelle festgelegt. Dabei werden alle Schritte dargestellt und nummeriert. Diese könnte z.B. so aussehen, siehe Tabelle 2 [Tab. 2].


Rechercheprotokoll

Es sollte für den Auftraggeber möglich sein, die Suchbegriffe eins zu eins mit Kopieren und Einfügen zu übernehmen und die Recherche in den Datenbanken zu wiederholen. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert die Suchsätze tabellarisch mit den jeweiligen Treffermengen aufzuführen. Für PubMed würde es beispielsweise so aussehen, siehe Tabelle 3 [Tab. 3].

Wie lange man für eine Recherche braucht, hängt von der Komplexität des Themas ab und wie vollständig das Ergebnis sein soll. Bei zwanzig ausgewerteten Recherchen nach dieser Methode betrug die durchschnittliche Dauer der jeweiligen Recherche zirka zehn Stunden Arbeitsaufwand. Diese Zeit bezieht sich auf alle Phasen der Recherche.

Alle Phasen der Recherche werden so nachvollziehbar belegt und vor allem so, dass es für den Nutzer einfach ist, sich zu orientieren. Dieses strukturierte Vorgehen hat sich in der Praxis sehr bewährt.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Der Autor erklärt, dass er keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.


Literatur

1.
Higgins JPT, Green S, editors. Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions. Version 5.1.0 [updated March 2011]. The Cochrane Collaboration; 2011. Available from: http://handbook.cochrane.org/ External link
2.
Campbell S, Dorgan M. What to do when everyone wants you to collaborate: managing the demand for library support in systematic review searching. J Can Health Libr Assoc. 2015;36(1):11-9. Available from: https://ejournals.library.ualberta.ca/index.php/jchla/article/view/24353 External link
3.
University of Oxford, Center for Evidence-Based Medicine CEBM. Finding the Evidence 1 - Using PICO to formulate a search question [video]. Oxford: CEBM; 2016. Available from: http://www.cebm.net/finding-the-evidence-1-using-pico-to-formulate-a-search-question/ External link