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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Leistungsorientierte Mittelvergabe an der Medizinischen Hochschule Hannover: Praxisbericht der Bibliothek

Performance-related bonuses at Hannover Medical School: practical experience report of the library

Fachbeitrag

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GMS Med Bibl Inf 2011;11(3):Doc19

doi: 10.3205/mbi000234, urn:nbn:de:0183-mbi0002348

Published: December 29, 2011

© 2011 Schmiel.
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Zusammenfassung

Seit dem Jahr 2008 sammelt die Bibliothek der Medizinischen Hochschule Hannover die Publikationsdaten der Hochschulangehörigen und bearbeitet diese für die Berechnung Leistungsorientierter Mittel für den Bereich Publikationen. Der Praxisbericht schildert die dabei anfallenden Routinen von der Datensammlung bis zur Berechnung der Gelder.

Schlüsselwörter: Medizinische Hochschule Hannover, Leistungsorientierte Mittelvergabe, Praxisbericht

Abstract

Since 2008 the Library of the Hannover Medical School collects and execute the publication data of the scientific staff for calculation of “performance-related bonuses” in the array publications. The practical experience report deals with the incoming routines from the data-collection to the calculation of the funds.

Keywords: Hannover Medical School, performance-related bonuses, practical experience report


Einleitung

Seit dem Jahr 2008 erstellt die Bibliothek der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) eine Hochschulbibliografie, die zugleich die zentrale Datensammlung für die Berechnung Leistungsorientierter Mittel (LOM) darstellt [1]. Inzwischen ist das Prozedere Hochschulbibliografie/LOM-Berechnung in den Routinebetrieb übergegangen. Von einigen Anpassungen und Optimierungen, die sich aus dem Echtbetrieb ergeben haben, konnte das Konzept aus dem Jahr 2008 umgesetzt werden und erreicht heute eine hohe Akzeptanz.


Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) an der MHH

Seit 2005 werden an der MHH 20% des Landeszuschusses leistungsorientiert vergeben, dabei berücksichtigt die MHH im Wesentlichen die Vorgaben der DFG zur „leistungsorientierten Mittelvergabe“ (LOM) an den medizinischen Fakultäten [2]. Zur Leistungsmessung werden die beiden Kriterien Drittmittel und Publikationen herangezogen. Im letzten Jahr wurden somit jeweils 10 Mio. Euro an die Abteilungen entsprechend der eingeworbenen Drittmittel sowie der Publikationstätigkeit verteilt [3]. Die Ermittlung der den rund 80 Abteilungen der MHH zustehenden Anteile findet in der Bibliothek statt.

Die Berechnung der LOM abhängig von der Publikationstätigkeit einer Abteilung erfolgt auf Grundlage des Impact Faktors [4] der Zeitschrift, in der ein Artikel veröffentlicht wurde. Der Wert des Impact Faktors (IF) wird durch die Anzahl der an der Publikation beteiligten Autorengruppen (Erst-, Mittel,- Letztautor) geteilt. Eine Abteilung erhält Impact Punkte (IP) anteilig der Anzahl der an der Publikation beteiligten Autoren.

Ein Beispiel: Ein Autorenteam von 5 Autoren publiziert einen Artikel in einer Zeitschrift mit dem IF 6. Erstautor sowie 2 der 3 Mittelautoren stammen aus einer Abteilung der MHH. Es entfallen auf den Erstautor 6/3=2 IP auf die Mittelautoren 6/3/3*2=1,333 IP. In der Summe IP=3,333. An der Publikation beteiligte Frauen, sofern es sich nicht um Abteilungsleiterinnen handelt, erhalten den zusätzlichen Faktor von 1,5. Wenn an einer Publikation nur Autoren einer Abteilung beteiligt sind, ist das Ergebnis also gleich dem IF, bei Frauenbeteiligung entsprechend höher. Beim Fehlen von Mittelautoren oder bei Alleinautorschaft wird der IF halbiert bzw. gar nicht dividiert.

Die Berechnung erfolgt für Originalpublikationen in Zeitschriften mit IF, sowie für Übersichtsarbeiten nach vorheriger Prüfung durch den Forschungsdekan.

Für die Berechnung der LOM sind folgende Daten erforderlich:

  • Gesamtzahl der Autoren
  • Zahl der Autoren in den einzelnen Autorengruppen
  • Abteilungszugehörigkeit der Autoren
  • IF der Zeitschrift
  • Geschlecht der Autoren
  • Publikationsart

Ergänzend zu diesem Modell wird bei einigen Abteilungen eine Sonderregelung angewendet. Die sogenannten Buchfächer, Abteilungen deren Publikationstätigkeit sich vorwiegend auf Bücher und deutschsprachige Zeitschriften ohne IF erstreckt, erhalten „virtuelle“ IF. Diese ergeben sich bei Büchern und Buchbeiträgen aus dem Umfang der Publikationen. Zeitschriftenbeiträge erhalten den virtuellen IF von 0,2, sofern sie auf der Liste der begutachteten Zeitschriften der AWMF [5] verzeichnet sind. Darüber hinaus gelten weitere Sonderbestimmungen.


Datensammlung

Die für die Berechnung erforderlichen Daten werden über ein Webformular gesammelt. Die bibliografischen Daten werden automatisch über einen LinkResolver aus PubMed in das Formular übertragen und vom Meldenden um weitere in Auswahlmenüs angebotene Informationen ergänzt [1]. Nach dem Absenden werden die Daten in einer Datei gespeichert und stehen der Bibliothek für die weitere Bearbeitung zur Verfügung. Da es seitens der Hochschule keine Vorgaben gibt und jeder Mitarbeiter ohne vorherige Registrierung die Möglichkeit hat, Meldungen an die Hochschulbibliografie zu machen, hat sich ein inhomogener Personenkreis der Meldenden herausgebildet. Neben den Autoren selbst melden auch Sekretariate und Abteilungsleiter, mitunter haben die Abteilungen auch Beauftragte für diese Tätigkeiten bestimmt. Ein Missbrauch dieses Verfahrens konnte nicht festgestellt werden, die durch dieses Verfahren vermehrt auftretenden Doppeltmeldungen stellen keinen nicht zu bewältigenden Mehraufwand dar. Vielmehr bat die Bibliothek die Meldenden im Jahr 2010 darum, nur noch Autoren ihrer Abteilungen zu kennzeichnen, um Fehler bei der Abteilungszuordnung von Co-Autoren anderer Abteilungen zu vermeiden, obwohl dies zu mehr Doppeltmeldungen führte.

Für die nicht in PubMed verzeichneten Publikationen kann das Meldeformular manuell ausgefüllt werden.

Ein Verfahren, bei dem die Bibliothek anhand der in den Datenbanken hinterlegten Affiliationen Publikationen für die Hochschulbibliografie/LOM zusammenstellt, wurde frühzeitig verworfen, da nicht sichergestellt werden könnte, so alle Publikationen zu erfassen. Eine Verknüpfung der Datensammlung mit den Personaldaten kam nicht in Betracht, da die LOM den Abteilungen zukommen sollen, in denen die entsprechenden Publikationen entstanden sind, und nicht denen, den die Autoren zu einem Stichtag angehörten.

Die AbteilungsleiterInnen bestätigen einmal im Jahr mit der Abgabe der Daten für den Forschungsbericht die Richtigkeit der für die LOM-Berechnung gesammelten Publikationsdaten.


Routinen in der Bibliothek

Die so gesammelten Daten werden in regelmäßigen Abständen von der Bibliothek heruntergeladen und in eine Excel-Datei kopiert, die im Folgenden so aufbereitet wird, dass am Ende des Melde- und Korrekturzeitraumes die für das entsprechende Jahr zu verteilenden LOM berechnet werden können. Für die Berechnung selbst wurde im Zentrum für Informationsmanagement der MHH ein Excel-Makro geschrieben, das die jeder Abteilung zustehenden IP in wenigen Minuten berechnet (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Folgende Routinen sind im Einzelnen zu prüfen:

  • Vorjahresprüfung. Anhand der Tabellen des letzten Jahres wird überprüft, ob und für welche Abteilung die gemeldete Publikation schon im Vorjahr berechnet wurde; ist dies der Fall, wird sie gelöscht.
  • Dublettenprüfung. Berechtigte Mehrfachmeldungen werden zu einem Datensatz zusammengeführt.
  • IF werden ergänzt. Verwendet werden die im Sommer des Berichtsjahres erscheinenden IF des Vorjahres.
  • Prüfung auf bibliografische Korrektheit der LOM-relevanten Daten bei manuellen Eingaben (Autorenreihenfolge und -anzahl, Publikationsart). Im Rahmen der Bibliografieerstellung können Eingabefehler festgestellt und ggf. korrigiert werden. Die letztendliche Zuordnung einer Publikationsart obliegt der meldenden Abteilung. Die Bibliothek weist aber auf Unstimmigkeiten ggf. hin. In Absprache mit dem Präsidialamt wurde das Meldeformular durch Eingabehinweise flankiert.
  • Prüfung auf tatsächliches Erscheinen. Im Rahmen der Bibliografieerstellung können (noch) nicht publizierte Arbeiten eliminiert werden.
  • Zweifelsfälle klären. Unklare Angaben oder Unstimmigkeiten bei verschiedenen Meldungen zur selben Publikation werden bereinigt.
  • Studygroups. Forschergruppen können nicht wie ein einzelner Autor behandelt werden. Die Meldung muss entsprechend umgearbeitet werden.
  • Buchfachregelung. Berechnung virtueller IF bei den zu den Buchfächern gehörenden Abteilungen nach den entsprechenden Vorgaben. Berechnungen, die nicht durch das Makro geleistet werden können, werden vorweggenommen, damit die Daten gleichberechtigt weiterverarbeitet werden können.

Routinen zum Berichtsschluss

Im Anschluss an eine Meldung an die Hochschulbibliografie bekommt der Meldende eine automatische E-Mail mit den gemeldeten Daten. Nach Verarbeitung der Eingaben in der Bibliothek wird die im Internet zur Verfügung stehende Hochschulbibliografie [6] ständig aktualisiert. Sie dient somit unter Anderem auch dazu die Abteilungen darüber zu informieren, welche Publikationen bereits gemeldet wurden. Darüber hinaus erstellt die Bibliothek in der Vorweihnachtszeit eine vorläufige Jahresbibliografie (Weihnachtsbibliografie) als pdf-Datei, die sich zum wichtigen Element der Vollständigkeitsprüfung in den Abteilungen entwickelt hat und die Phase der systematischen Meldungsformalitäten in den Abteilungen hinsichtlich des Meldeschlusses im Januar des Folgejahres einleitet.

Das in der MHH übliche Berechnungsverfahren sieht vor, dass nur Originalpublikationen ohne inhaltliche Prüfung für die LOM-Auswertung herangezogen werden. Weitere Publikationsarten – in erster Linie Übersichtsarbeiten – müssen beim Forschungsdekan im Volltext, versehen mit einem Nachweis des Peer review-Prozesses, eingereicht werden und fließen erst nach erfolgter Begutachtung in das LOM-Verfahren mit ein. Da dieser Sachverhalt in der Vergangenheit oft zu Missverständnissen geführt hat, werden in Zukunft alle Meldenden derartiger Publikationen persönlich per E-Mail von der Bibliothek im Vorfeld informiert. Die Entscheidung des Forschungsdekans wird in der Berechnungsdatei hinterlegt.

Die abschließende Klärung von Zweifels- und Problemfällen im Zusammenwirken von Autoren, Abteilungsleitern, Forschungsdekanat, Präsidialamt und Bibliothek hat in den vergangenen Jahren einen immer kleineren Raum eingenommen.


Hochschulbibliografie/LOM im Jahreslauf

Die Freischaltung des Meldeformulars erfolgt nach Abschluss aller Arbeiten des Vorjahres im April des Berichtsjahres. Im Oktober/November erfolgt je nach Bedarf eine Erinnerungsmail an alle Abteilungsleiter bevor Mitte Dezember die „Weihnachtsbibliografie“ den Endspurt einleitet. Tatsächlich sind bis zu diesem Zeitpunkt nur etwa ein Drittel aller Meldungen eingegangen. Das Gros der Meldungen erfolgt dann erst kurz vor Meldeschluss Ende Januar des Folgejahres. Berücksichtigt werden jedoch nur Meldungen mit Publikationsdatum (elektronisch oder gedruckt) des Berichtsjahres und ggf. Nachmeldungen aus dem vergangenen Berichtsjahr. Nach erfolgter Verarbeitung der Daten in der Bibliothek (Februar) wird eine erste Berechnung im Intranet veröffentlicht und den Abteilungen eine kurze Frist für Reklamationen gegeben. Neue Meldungen sind dann nicht mehr möglich.

Besonders in diesen Wochen steht die Bibliothek als primäre Anlaufstelle für Detailfragen, Reklamationen und Fragen zum Prozedere im Allgemeinen in der Pflicht. Dabei stellt die Beantwortung von Fragen nach den Gründen, warum verschiedene Publikationen nicht in die Berechnung einfließen, eine wichtige Aufgabe dar. Im März des Folgejahres wird die endgültige Berechnung im Intranet passwortgeschützt veröffentlicht.


Arbeitsaufwand

Der Arbeitsaufwand für die Bibliothek, der sich aus der Übernahme der LOM-Berechnung ergibt, ist auf ca. 0,5 Vollzeitäquivalente zu beziffern. Die Schätzung ist schwierig, da die Arbeiten untrennbar mit der Erstellung der Hochschulbibliografie verknüpft sind und saisonal stark schwanken. Während der Hochphase der Arbeiten im Januar/Februar sind zwei MitarbeiterInnen annähernd komplett mit der Bearbeitung der Daten und der Beantwortung von Anfragen beschäftigt. Im weiteren Verlauf des Jahres nehmen die Arbeiten einen deutlich geringen Zeitrahmen in Anspruch.


Statistik

Die Sammlung der Daten aus diesem Themenkomplex über Jahre hinweg ermöglicht verschiedenste statistische Auswertungen, wobei bisher erst vergleichbare Daten aus drei Jahren vorliegen und die Buchfächerauswertung erst seit einem Jahr Eingang in die Gesamtberechnung gefunden hat. So lassen sich noch keine verlässlichen Aussagen über Trends machen, wohl aber einige Analysen durchführen.

Die in den drei Jahren zur Berechnung herangezogenen Zeitschriften hatten einen mittleren IF von 4,371, woraus sich im Mittel 2,02 IP ergaben. Das entsprach einer Mittelzuweisung von rund 6.000 Euro je publizierten Artikels. An gut 43% der Artikel waren Frauen beteiligt, der 1,5-fache Satz für die Autorinnen machte gut 11% des gesamten IP-Aufkommens aus (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Durch die kontinuierliche Sammlung bibliografischer wie bibliometrischer Daten lassen sich Trends und Entwicklungen im Publikationsverhalten künftig verfolgen.


Ausblick

Obwohl es durch die nahe Verwandtschaft bibliografischer und bibliometrischer Daten naheliegt, die Bibliotheken nicht nur mit der Erstellung von Hochschulbibliografien zu betrauen, sondern auch mit der Aufbereitung der LOM-relevanten Daten, stehen die Strukturen im Hochschulbereich dieser Lösung nicht selten im Wege. Darüberhinaus sind der Aufwand und der Vertrauensvorschuss für die Bibliothek nicht unerheblich. Auch wenn der Bibliothek nur die Sachbearbeitung einer – wenn auch immer wieder diskutierten – bereits etablierten Regelung obliegt, sind der Gegenstand dieses Handelns Mittel in beträchtlicher Höhe. Die Aufmerksamkeit, die diesem Verfahren zuteil wird, ist ungleich höher als die meisten herkömmlichen Aufgabenfelder der Bibliothek.


Anmerkung

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Schmiel M. Die Hochschulbibliografie als Instrument der Mittelvergabe. GMS Med Bibl Inf. 2008;8(3):Doc30. Available from: http://www.egms.de/static/de/journals/mbi/2008-8/mbi000127.shtml External link
2.
Deutsche Forschungsgemeinschaft, ed. Empfehlungen zu einer „leistungsorientierten Mittelvergabe“ (LOM) an den medizinischen Fakultäten – Stellungnahme der Senatskommission für klinische Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Bonn: DFG; 2004.
3.
Mehr Drittmittel, höheres Ansehen. Erfolgreich: Die Leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) in der Forschung. In: Medizinische Hochschule Hannover, ed. Jahresbericht 2010. Hannover: MHH; 2010. p. 13.
4.
Journal Citation Reports. Philadelphia, Pa.: Institute for Scientific Information – Thomson Scientific Inc.; 1999-.
5.
AWMF/Kommission, ed. „Leistungsevaluation in Forschung und Lehre“. Begutachtete Zeitschriften ohne Impactfaktor. 2011. Available from: http://www.awmf.org/forschung-lehre/kommission-fl/forschungsevaluation/bibliometrie/fachzeitschriften.html [accessed: 10/2011] External link
6.
Medizinische Hochschule Hannover/Bibliothek, ed. Hochschulbibliografie. 2011. Available from: http://www.refworks.com/refshare/?site=047931198213200000/RWWS6A619751/000031199720621000 [accessed 10/2011] External link