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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Point of Care Tools im Vergleich des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE): UpToDate, ClinicalResource@Ovid/Clin-eguide und Dynamed

Point of Care Tools in comparison at the University Medical Center Hamburg-Eppendorf: UpToDate, ClinicalResource@Ovid and Dynamed

Fachbeitrag

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  • corresponding author Klaus-Dieter Papke - Ärztliche Zentralbibliothek, Informationsvermittlung, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
  • author Elke Menn - Ärztliche Zentralbibliothek, Fachreferat, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland

GMS Med Bibl Inf 2006;6(2):Doc17

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2006-6/mbi000035.shtml

Published: September 14, 2006

© 2006 Papke et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Zusammenfassung

Point of Care Tools sind Datenbanken, die für klinische Entscheidungsfindungen während des Behandlungsverlaufes genutzt werden – UpToDate darüber hinaus auch für Aus- und Fortbildung. Sie beinhalten ausschließlich validierte klinische Daten, die dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Die Nutzung der Point of Care Tools verspricht den therapeutischen Prozeß in allen Belangen zu optimieren: Ergebnis, Dauer und Kosten.

UpToDate wird seit etwa vier Jahren im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf genutzt. In einer mehrmonatigen Testschaltung wurden ClinicalResource@Ovid/Clin-eguide und Dynamed vergleichend genutzt.

Schlüsselwörter: Point of Care Datenbanken, klinische Entscheidungsfindung, evidenzbasierte Medizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Ärztliche Zentralbibliothek

Abstract

Point of Care Tools are used for clinical decision making – UpToDate is also used in continuing medical education. These databases compile only evidence-based knowledge which is updated regularly. Using Point of Care Tools promises to improve clinical outcomes.

UpToDate has been used at the University Hospital Hamburg-Eppendorf for the last four years. In a recent trial the use of ClinicalResource@Ovid/Clin-eguide and Dynamed has been evaluated in comparison with UpToDate.

Keywords: Point of Care Tools, clinical decision making, evidence-based medicine, University Hospital Hamburg-Eppendorf, Aerztliche Zentralbibliothek


Point of Care Tools im Vergleich des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)

Einleitung

Ein neuer Trend sind seit einigen Jahren Point of Care Tools. Immer mehr Angebote drängen auf den Markt und ergänzen das Angebot der klassischen Medizin-Datenbanken.

Die Ärztliche Zentralbibliothek hat für das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) seit November 2002 UpToDate erworben und in dieser Zeit sind Zugriffszahlen ermittelt worden, die die Relevanz dieser Datenbank eindeutig belegen.

In einem mehrmonatigen Testzugang sind in diesem Jahr ClinicalResource@Ovid/Clin-eguide und Dynamed freigeschaltet und die Nutzung erprobt worden. Insbesondere war der Vergleich UpToDates mit den neuen Datenbanken von Interesse: Gibt es inhaltliche Überschneidungen oder ergänzen sich ihre Inhalte zu einem sinnvollen Gesamtangebot? Worin liegt der besondere Nutzen aller drei?

Unsere Erfahrungen wollen wir mit diesem Artikel beschreiben.

Point of Care

Der Begriff Point of Care wird vorwiegend in der Diagnostik verwendet und bezeichnet klinische Testverfahren, die unmittelbar am Ort der Behandlung (bedside) durchgeführt werden und nicht in einem entfernter liegenden Zentrallabor. Zusätzlich impliziert der Begriff neben der räumlichen auch eine zeitliche Dimension: im Laufe der Behandlungszeit.

Zielgruppe der Point of Care Informationssysteme (Da wir keine adäquate Übersetzung für Point of Care Tools gefunden haben, sprechen wir im Verlauf von Point of Care Informationssystemen bzw. Datenbanken.) ist der behandelnde Arzt bzw. an der Therapie beteiligte Berufsgruppen – unabhängig ob als niedergelassener Arzt oder im Krankenhaus tätig. Point of Care Datenbanken beinhalten ausschließlich Informationen, die für die klinische Entscheidungsfindung relevant und deren Wertigkeit wissenschaftlich belegt sind. Sie versprechen ein schnelles und einfaches Auffinden der erforderlichen Diagnoseparameter und therapeutischen Optionen für Krankheitsfälle der täglichen Praxis. Anspruch ist den gesamten Verlauf der Behandlung in allen Aspekten zu optimieren: fachlich, zeitlich und wirtschaftlich.

Damit stehen Point of Care Informationssysteme nicht in Konkurrenz mit den klassischen Literaturdatenbanken wie Medline, Embase u.a., die nur in Ausnahmefällen aus Zeitmangel während des Behandlungsverlaufes konsultiert werden. Stattdessen wollen sie das Nachschlagen in Referenzwerken wie Handbüchern, Leitfäden und Checklisten, der Roten Liste - alles, was sich sonst auf dem Schreibtisch des behandelnden Arztes befindet - ersetzen.

UpToDate

Hersteller:

UpToDate
95 Sawyer Road, Waltham, MA (USA)
http://www.uptodate.com/

UpToDate enthält Topic Reviews/Übersichtsarbeiten des Gesamtgebietes der Inneren Medizin einschließlich ihrer Unterdisziplinen sowie Gynäkologie und Pädiatrie. Zusätzlich sind Patienteninformationen verfügbar, die verkürzende und vereinfachende Exzerpte der Topic Reviews sind. Außerdem beinhaltet UpToDate Lexi Arzneimittelinformation.

UpToDate wird regelmäßig alle 4 Monate aktualisiert (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Dynamed

Hersteller:

EBSCO Publishing
10 Estes St, Ipswich, MA (USA)
http://www.dynamicmedical.com/

Dynamed enthält 2000 Topics (leitlinienartige Darstellungen) klinischer Fragestellungen aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin. Darin sind auch Arzneimittelinformationen verfügbar, sowie Hinweise auf Ressourcen die geeignete Patienteninformationen anbieten.

Dynamed wird täglich aktualisiert (Abbildung 2 [Abb. 2]).

ClinicalResource@Ovid/Clin-eguide

Hersteller:

Ovid Technologies
333 7th Avenue, New York 10001 (USA)
Georgenstr.23, 10117 Berlin, Germany
http://www.ovid.com/clinicalresource
Wolters Kluwer Health
77 Westport Plaza, Suite 450
St. Louis, MO (USA)
http://www.clineguide.com

ClinicalResource@Ovid ist eine Suchplattform die verschiedene Ressourcen zusammenführt. Als Kerninhalt ist enthalten:

Clin-eguide beinhaltet zur Zeit 900 Topics (leitlinienartige Darstellungen) der klinischen Medizin und Notfallmedizin.

Die Aktualisierung erfolgt bedarfsgerecht spätestens nach 12 Monaten.

Arzneimittelinformationen: Drug Facts & Comparisons, A to Z Drug Facts und Review of Natural Products

Patienteninformationen: McKesson Patient Handouts und MedFacts Arzneimittelinformationen für den Patienten (englisch- und spanischsprachig)

Außerdem gehört zum Kerninhalt die 5-Minute Consult Database (Ovid), sowie die im Internet frei verfügbaren Ressourcen National Guideline Clearinghouse (http://www.guideline.gov/) und Medline (http://www.pubmed.gov).

Zusätzlich zum Kerninhalt können E-Books und E-Journals (Ovid), Evidence Based Resources (ACP Journal, Cochrane Reviews) und im neuen Release, das im August diesen Jahres geschaltet werden soll, auch Cinahl erworben werden und in die Suchplattform integriert werden (Abbildung 3 [Abb. 3]).

Schnelle und einfache Suche

Alle drei Datenbanken verwirklichen das Ziel der schnellen und einfachen Suche. Die Nutzung der Suchoberfläche ist durch eine übersichtliche und auf die Suchfunktion reduzierte Anordnung ohne Vorkenntnisse nutzbar.

Die Suche kann mit Hilfe der Inhaltsverzeichnisse erfolgen, in dem man sich bis zum gewünschten Kapitel durchklickt, aber natürlich auch durch die Eingabe eines einzelnen bzw. mehrerer Suchbegriffe. Hilfestellungen wie automatische Rechtschreibprüfung, Referenzverweisungen auf die relevanten Schlagwörter, Abkürzungsverzeichnisse erleichtern dabei die Suche.

Innerhalb eines Textes können Hyperlinks genutzt werden, um auf benachbarte und ergänzende Inhalte zuzugreifen.

In ClinicalResource@Ovid können die oben beschriebenen, verschiedenen Ressourcen entweder separat oder simultan durchsucht werden.

Für alle drei Datenbanken sind Versionen verfügbar, die auf Handhelds genutzt werden können.

Evidenzbasiert: Validität und Relevanz der Informationen

Evidenzbasiert lautet die Bewerbung aller drei Anbieter zur Beschreibung ihrer Daten. Angesichts der umfangreichen Literatur zur Evidence based Medicine soll hier zur Erläuterung des Begriffes ausreichen, die Duden-Definition zu zitieren: „auf der Basis systematisch zusammengetragener und bewerteter wissenschaftlicher Erkenntnisse“ [1].

Der Umfang des redaktionellen Prozesses zur Erstellung dieser evidenzbasierten Daten wird von allen drei Anbietern ausführlich beschrieben. Zwar gibt es Unterschiede in den Quantitäten (Anzahl der beteiligten Autoren und verwendeten Quellen), doch erfolgt das Verfassen der Artikel im Peer-Review: ein Autorenteam ausgebildeter Mediziner verfassen die Texte. Dazu werden die Veröffentlichungen ausgewählter Zeitschriften als Grundlage verwendet. Zusätzliche Quellen werden durchsucht und gegebenenfalls ebenso für die inhaltliche Gestaltung berücksichtigt. Zum Schluß erfolgt die fachliche Bewertung der Texte durch Reviewer.

Da die Ermittlung der bestmöglichen Evidenz ein fortlaufender, von den Fortschritten der medizinischen Forschung abhängiger Prozeß ist, sind permanente Aktualisierungen notwendig, um die Inhalte auf den neuesten Stand zu halten. Das versprechen die drei Anbieter in unterschiedlichen Intervallen.

Zur weiteren Unterstützung der klinischen Entscheidungsfindung wird der Begriff evidenzbasiert differenziert und die Daten mit einem Evidenz- und Empfehlungsgrad in ihrer Wertigkeit transparenter gemacht. Der Grad der Evidenz, wie sie die Evidence-Based Medicine Working Group aufgestellt hat [2], mißt die wissenschaftliche Aussagefähigkeit der Informationen anhand der Studienarten und der ihr zugrundeliegenden Anzahlen von behandelten Patienten. So hat die randomisierte Studie einen höheren Grad der Evidenz als eine Fallstudie mit einer singulären Beobachtung. Der entscheidende Empfehlungsgrad stellt den Evidenzgrad wiederum in Zusammenhang mit einer Nachteil-Vorteil-Abwägung des klinischen Verlaufs.

In Dynamed und Clin-eguide sind die Bewertungen durchgängig enthalten, in UpToDate werden sie seit Anfang des Jahres rückwirkend eingearbeitet.

Zum Vergleich Hinweise auf die verwendeten Skalierungen:

Trotz der hohen klinischen Relevanz scheint die Nutzung insbesondere Dynameds und Clin-eguides auf die Belange der angelsächsischen Länder ausgerichtet zu sein. Dies betrifft nicht so sehr die wissenschaftlichen Erkenntnisse über Notwendigkeiten der Diagnostik und Aussichten der Therapie, aber sehr wohl alle Implikationen auf das Gesundheitswesen. So sind ICD-9-Konkordanzen für die niedergelassenen Ärzte in Deutschland weniger hilfreich, ebenso wenig Arzneimittelpreise in US Dollar. Wiederum fehlen weitere notwendige Informationen wie gültige Arzneimittelrichtlinien (Rote Liste), die zusätzlich nachgeschlagen werden müssen.

Natürlich grenzt auch die ausschließlich englischsprachige Version der Informationen den Nutzerkreis ein, insbesondere auch die Verwendbarkeit der Patienteninformationen.

Wünschenswert wären deshalb Point of Care Informationssysteme, die die spezifischen Anforderungen in Deutschland berücksichtigen.

Ergebnis des Testzugangs

Trotz kritischer Erwägungen kann für alle drei Datenbanken die Nachschlagequalität bestätigt werden. Für die Nutzung innerhalb unseres Universitätsklinikums haben wir uns dennoch auf zwei der drei Angebote begrenzt.

UpToDate, wie oben erwähnt, hat im UKE einen hohen Grad der Akzeptanz erreicht. Die Topic Reviews gehören mittlerweile zur Standardliteratur und werden neben der klinischen Nutzung auch zur Ausbildung der Studenten herangezogen. In den USA wird UpToDate auch für die ärztliche Fortbildung (CME) eingesetzt.

Insbesondere für akademische Einrichtungen ist UpToDate eine unverzichtbare Datenbank.

Zwar kann Clin-eguide auch separat erworben werden, doch überzeugt ClinicalResource@Ovid in erster Linie durch die Zusammenführung der heterogenen Ressourcen, die die Leitliniensuche mit Daten u.a. aus Buchinhalten sinnvoll ergänzen. Des Weiteren besteht im neuen Release die Möglichkeit weitere webbasierte Inhalte, die für die nutzende Einrichtung von Bedeutung sind, einzubinden.

Die Präsentation der Datenbank in unserem Hause hat spontan bei Wissenschaftlern und Ärzten eine sehr positive Resonanz gefunden. Deshalb haben wir uns entschlossen ClinicalResource@Ovid parallel neben UpToDate zu erwerben.

Dynamed ist durch die inhaltliche Ausrichtung auf die Allgemeinmedizin in erster Linie mit den oben beschriebenen Eingrenzungen für den niedergelassenen Hausarzt zu empfehlen. Erwähnenswert ist, daß von Ärzten in einigen Entwicklungsländern Dynamed kostenfrei genutzt werden kann.


Literatur

1.
Duden. Das Fremdwörterbuch. 7. Aufl. Mannheim; 2002.
2.
Users' Guide to the medical literature: a manual for evidence-based clinical practice. Evidence-Based Medicine Working Group. Chicago; 2002.