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GMS Medizin — Bibliothek — Information.

Arbeitsgemeinschaft für Medizinisches Bibliothekswesen (AGMB)

ISSN 1865-066X

Wohin mit den älteren medizinischen Zeitschriftenbänden? - Die Benutzungserhebung 2004 an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien

Where to put the back numbers? - Usage of older medical journals at the Medical University Library Vienna in 2004

Fachbeitrag

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  • corresponding author Bruno Bauer - Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Wien, Österreich

GMS Med Bibl Inf 2006;6(1):Doc06

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/journals/mbi/2006-6/mbi000024.shtml

Published: May 31, 2006

© 2006 Bauer.
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Zusammenfassung

Parallel zur ständig steigenden Nutzung der elektronischen Zeitschriften stellt sich verstärkt die Frage nach der zukünftigen Funktion des älteren Zeitschriftenbestands. Dies gilt besonders für den Fachbereich Medizin, wo in erster Linie aktuelle Literatur benötigt wird. Um Aufschlüsse über den Stellenwert der älteren Zeitschriftenliteratur zu gewinnen, wurde zwischen März und Juni 2004 an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Benutzungserhebung des älteren Zeitschriftenbestands (Erscheinungsjahr vor 1996) durchgeführt. 10,268 benutzte Zeitschriftenbände wurden registriert und hinsichtlich Zeitschriftentitel, Nutzungsart (Vorortnutzung bzw. Fernleihe) und Erscheinungsjahren analysiert. Ermittelt wurde auch eine Liste der topgenutzten Titel sowie des jeweiligen Impact Faktors für die älteren Zeitschriftenbände. Mit durchschnittlich 105 Benutzungsfällen pro Öffnungstag weisen die älteren Zeitschriftenbände eine beachtliche Nutzungsfrequenz auf, was derzeit, auch mangels vollständiger angebotener Backfile Collections der Verlage, gegen eine Auslagerung dieser Bestände spricht.

Schlüsselwörter: Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Benutzungserhebung, ältere Zeitschriftenbände

Abstract

The increasing usage of e-journals questions the library's print archive. This is particularly valid for medical libraries where mainly up to date literature is required. From March to June 2004 the use of back numbers at the Medical University Library Vienna was recorded in order to assess utilisation of print journals published before 1986. During these four month 10.286 bound volumes were taken out from the print archive. Journal title, publication year and type of usage (local or interlibrary loan) was registered. A ranking list of the most used journals was compiled including their impact factor. On average it came to about 105 uses per workday. This remarkable demand for back numbers is a clear argument for keeping the library's print archive inhouse regarding the publishers' patchy online backfile collections.

Keywords: medical university library, medical university vienna, usage, evaluation, print archive, back numbers


Fragestellung

Seit Jahren ist an wissenschaftlichen Bibliotheken ein tendenzieller Anstieg bei den Zugriffen auf elektronische Zeitschriften feststellbar. Parallel zu dieser positiven Entwicklung stellt sich im selben Ausmaß die Frage nach der zukünftigen Funktion des älteren Zeitschriftenbestands in gedruckter Form. Davon besonders stark betroffen sind Medizinbibliotheken, weil deren Benutzerinnen und Benutzer vor allem die aktuelle Forschungsliteratur benötigen. Die Fragestellung, die in naher Zukunft noch viel stärker an Bedeutung gewinnen wird, lautet: Soll jede Bibliothek ihren Bestand an älteren Zeitschriftenbänden behalten, oder reicht es, wenn nationale oder überhaupt nur mehr einige große internationale Archivbibliotheken bestehen bleiben, bei denen potentielle Interessenten ihren Informationsbedarf an älterer medizinischer Zeitschriftenliteratur, die online nicht zur Verfügung steht, abdecken können?

Die Problematik der Archivierung bzw. Zugänglichkeit gedruckter Zeitschriften wurde im Frühjahr 2005 im medinfo weblog im Rahmen einer Umfrage thematisiert [1]. Auf die Antwortmöglichkeit "Nur der aktuelle Jahrgang [bleibt] vor Ort, Rest [wird] makuliert" entfielen nur 4% der Antworten, die Antwortmöglichkeit "Alles bleibt vor Ort" wurde von 31%, die Antwortvarianten "Nur die letzten 5 / 15 / 30 Jahre vor Ort, Rest im Speicher" wurden von 65% gewählt [2].

Die Frage nach dem Status der älteren Zeitschriftenbände sowie den Perspektiven für diesen Bibliotheksbestand war an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien - vor dem Hintergrund eines immer stärker werdenden Stellplatzmangels - bereits zu Beginn des Jahres 2004 aufgegriffen worden. Voraussetzung für die Beurteilung des aktuellen Stellenwerts der gedruckten älteren Zeitschriftenbände sind exakte Nutzungsdaten. Erst wenn diese vorliegen, ist eine fundierte Entscheidung zugunsten einer der unten angeführten Varianten möglich.

a) Der ältere Zeitschriftenbestand wird gut genutzt, sodass er zentral zugänglich bleiben soll.

b) Der ältere Zeitschriftenbestand wird wenig benötigt, sodass eine Verlagerung in kostengünstigere dezentrale Magazine sinnvoll ist, wo diesem Bestand in erster Linie eine Archivfunktion zukommt.

c) Sollte letzteres nicht der Fall sein, so wäre eventuell auch eine Makulierung, zumindest von Teilbeständen, denkbar.

Neben der konkreten Standortfrage für die älteren Zeitschriftenbände sollte die geplante Benutzungserhebung auch Aufschlüsse über den Bedarf an den Zeitschriften-Backfile Collections geben, die von einigen großen Verlagen (Springer [3] , Elsevier [4] , Wiley [5] , Blackwell [6]) zum Zeitpunkt der Erhebung gerade in Entwicklung waren.

Weiters sollte die Benutzungserhebung auch die Beantwortung folgender Detailfragen ermöglichen:

  • Welche Titel verzeichnen bei den älteren Zeitschriftenbänden die stärkste Nutzung? Fokussiert sich die Hauptnutzung auf einige wenige Kerntitel oder gibt es bei den genutzten Titeln eine breite Streuung?
  • Gibt es Unterschiede zwischen der Vorortnutzung und dem Informationsbedarf für die Fernleihe bzw. Dokumentenlieferung (subito)?
  • Wie verteilen sich die benutzten älteren Zeitschriftenbände nach Erscheinungsjahren?
  • Welche Relevanz hat der Impact Faktor bei den benutzten älteren Zeitschriftenbänden?
  • Besteht auch bei den älteren Zeitschriftenbänden eine Korrelation zwischen der Nutzungshäufigkeit einzelner Titel und deren Erfassung in Datenbanken wie Medline? Welcher Stellenwert kommt bibliographischen Datenbanken wie Old Medline (ab 1950) oder Web of Science (ab 1945) zu?
  • Wie wirkt sich die Retrodigitalisierung von älteren Zeitschriftenbänden (z.B. Lancet ab 1.1823, Journal of Biological Chemistry ab 1.1905) auf die Nutzung der entsprechenden Print-Bestände aus?

Mit der Benutzungserhebung 2004 sollte der konkrete Bedarf an älterer Zeitschriftenliteratur ermittelt, und davon abgeleitet die Frage nach dem optimalen Standort für diese Bestände entschieden werden. Nicht zu klären ist mit dieser Methode die Frage nach der Rolle der Zeitschriften in gedruckter Form für die Langzeitarchivierung.


Erhebungsaktion

In der Fachliteratur gut vertreten sind sowohl Beiträge über Methodik und Einsatzmöglichkeiten von Zeitschriftenbenutzungsanalysen [7], [8] als auch Publikationen über Benutzungserhebungen an einzelnen Bibliotheken. Während in den letzten Jahren Nutzungsanalysen der elektronischen Zeitschriften in den Vordergrund gerückt sind, standen bis Ende der 90er Jahre die gedruckten Zeitschriften im Mittelpunkt derartiger Evaluierungen.

So wurden etwa 1981 bzw. 1984 die Ortsleihe der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin [9] und 1993 der Fernleihverkehr der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin und der Technischen Informationsbibliothek Hannover [10], [11] untersucht. Weitere Nutzungsanalysen von Print-Zeitschriften betrafen die Universitätsbibliothek Freiburg [12], die Medizinische Zentralbibliothek Magdeburg 1995/96 [13], die Zweigbibliothek Medizin an der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, mehrmals seit 1997 [14], [15], [16] die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf 1998 (Accelerate) [17], die Medizinbibliothek im Universitätsspital Basel 1998 [18], das Leibnitz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin (1998) [19], die Universitätsbibliothek Konstanz 2001 [20] und die Universitätsbibliothek Bonn 2002 [21].

Bereits 1998 war auch an der damaligen Zentralbibliothek für Medizin in Wien (der Vorgängerinstitution der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien) eine Benutzungserhebung durchgeführt worden [22]. Wie in dieser älteren Studie wurde auch für die aktuelle Evaluierung 2004 die Methode einer aufwändigen Benutzungserhebung gewählt, um zu exakten Nutzungsdaten zu gelangen.

  • Sowohl in der Studie von 1998 als auch von 2004 wurden die Benutzer ersucht, die Literatur nach Gebrauch nicht zurückzustellen, sondern die nicht mehr benötigten Zeitschriftenbände auf eigens vorbereiteten Tischen in unmittelbarer Nähe der Kopiergeräte zu deponieren, wo sie zweimal täglich durch Bibliothekspersonal erfasst und anschließend zurückgestellt wurden. Laufend registriert wurden auch die von der Fernleiheabteilung verursachten Benutzungsfälle.
  • Erfasst wurde in beiden Studien jeweils nur der Bestand der Hauptbibliothek; nicht berücksichtigt wurden die an den dezentralen Standorten aufgestellten dislozierten Bestände.
    Der für die aktuelle Nutzungsanalyse vorgesehene ältere Zeitschriftenbestand resultiert großteils aus dem Sammelauftrag der vormaligen Zentralbibliothek für Medizin in Wien, die eine österreichweite Funktion wahrzunehmen hatte [23].
  • War das Ziel 1998 die Ermittlung von Zeitschriftentiteln, die entweder aus budgetären Gründen storniert oder aufgrund großer Nutzung auch in elektronischer Form bezogen werden sollten, so lag die Zielsetzung 2004 in der Klärung des optimalen Standortes für die älteren Zeitschriftenbände.
  • Die Benutzungserhebung 1998 dauerte vier Wochen (2. bis 28. März), 2004 wurde der Erhebungszeitraum mit einem Zeitraum von vier Monaten (1. März bis 30. Juni) festgelegt, um aufgrund der zu erwartenden geringeren Benutzung des älteren Bestandes zu entsprechenden Daten zu gelangen. Der Untersuchungszeitraum umfasste jeweils die gesamten Öffnungszeiten der Bibliothek (Montag bis Freitag von 9.00 Uhr bis 20.00 Uhr, Samstag von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr).
  • Waren 1998 alle Benutzungsfälle im Bereich des aktuellen Bestandes erfasst worden (Erscheinungsjahr 1986-1998), stand 2004 die Nutzung des "Altbestands", der in der Erhebung des Jahres 1998 nicht berücksichtigt worden war, auf dem Prüfstand (Erscheinungsjahr bis 1995). Während in der Erhebung von 1998 die Benutzung des Freihandbereiches evaluiert worden war, wurden in der Untersuchung von 2004 nur die Bände aus dem für Benutzer frei zugänglichen, aber räumlich separierten Freihandmagazins registriert.
  • Erfasst wurde während des gewählten Erhebungszeitraums nicht nur die Vorortnutzung, sondern auch die Zahl der Fernleihe- bzw. subito-Bestellungen.
  • 1998 war die Erhebung durchgeführt worden, um die Frage der Abbestellung nicht bzw. kaum benötigter Zeitschriftenabonnements fundiert beantworten zu können. Auch Überlegungen, welche kostenpflichtige elektronische Journale angeboten werden sollen, spielten für die Untersuchung eine wichtige Rolle.
    Die Studie von 2004 hingegen sollte in erster Linie Informationen liefern, ob die von dezentralen Bibliotheksstandorten laufend zurückgegebenen älteren Zeitschriftenbände in der Hauptbibliothek zusammengeführt werden oder alternative Standorte forciert werden sollen; ein weiteres Ziel lag in der Ermittlung von Daten, die eine Einschätzung des Stellenwertes der zum Zeitpunkt der Erhebung gerade in Entwicklung befindlichen Backfile Collections wichtiger Verlage erleichtern sollten.
  • Waren 1998 innerhalb eines Monats 10.649 Bände erfasst worden, so wurden 2004 innerhalb von vier Monaten 10.299 Benutzungsfälle ausgewertet.

Ergebnisse

Wie wurden nun die älteren Zeitschriftenbände im Erhebungszeitraum genutzt? - Von den insgesamt 10.268 zwischen März und Juni 2004 registrierten Benutzungsfällen für den älteren Bestand an der Universitätsbibliothek entfielen 82 Benutzungsfälle (1%) auf die älteren Monographien, die für die vorliegende Untersuchung nicht weiter analysiert wurden. 10.186 Benutzungsfälle (99%) betrafen ältere Zeitschriftenbände mit Erscheinungsjahr bis 1995.

Nutzungsarten

Während 77% der Benutzungsfälle von Vorortbenutzern verursacht wurden, entfielen 4% auf die Fernleihe, 18% wurden im Rahmen von subito benötigt (Abbildung 1 [Abb. 1]).

Dass mehr als drei Viertel der auf den älteren Zeitschriftenbestand entfallenden Nutzungsfälle die Vorortbenutzung betroffen hat, war die erste Überraschung der aktuellen Untersuchung.

Bezüglich der genutzten Titel gab es zwischen Vorortnutzung, Fernleihe- bzw. subito-Bestellungen keine signifikanten Unterschiede.

Topgenutzte Titel

Die Liste der 30 topgenutzten Zeitschriften reicht von Lancet mit 170 Benutzungsfällen und New England Journal of Medicine mit 127 Benutzungsfällen an der Spitze bis zu Deutsche Medizinische Wochenschrift mit 43 Benutzungsfällen (Tabelle 1 [Tab. 1]).

Die Liste des topgenutzten älteren Zeitschriftenbestands aus der Benutzungserhebung 2004 zeigt eine große Übereinstimmung mit der Topliste der 1998 durchgeführten Benutzungserhebung des aktuellen Zeitschriftenbestands.

  • Lancet: 1. Platz (Evaluierung 2004), 1. Platz (Evaluierung 1998)
  • New England Journal of Medicine: 2. (2004), 2. (1998)
  • British Medical Journal: 4. (2004), 19. (1998)
  • JAMA: 6. (2004), 9. (1998)
  • Nature: 7. (2004), 6. (1998)
  • Circulation: 8. (2004), 4. (1998)
  • Cancer Research: 9. (2004), 8. (1998)
  • Journal of Biological Chemistry: 10. (2004), 3. (1998)
  • Radiology: 16. (2004), 10. (1998)
  • Science: 21. (2004), 11. (1998)
  • Cancer: 23. (2004), 13. (1998)
  • Blood: 24. (2004), 5. (1998)

Impact Faktor

Bemerkenswert ist der hohe Impact Faktor für den Großteil der am meisten genutzten Zeitschriften:

  • Acht Titel unter den 30 topgenutzten Zeitschriften weisen sogar zweistellige Werte auf (Lancet, New England Journal of Medicine, JAMA, Nature, Circulation, Journal of Clinical Investigation, Annals of Internal Medicine, Science).
  • Nur drei deutschsprachige Titel unter den 30 topgenutzten Zeitschriften weisen Werte unter 1 (Wiener Klinischen Wochenschrift, Deutsche Medizinische Wochenschrift) bzw. überhaupt keinen Impact Faktor (Wiener Medizinische Wochenschrift) auf.

Die große Bedeutung des Impact Faktors, die in der Benutzungserhebung 2004 für die gut genutzten Zeitschriften ermittelt werden konnte, korrespondiert mit den Ergebnissen der Benutzungserhebung 1998.

Benutzungsfälle pro genutzten Titel

Während des Erhebungszeitraums wurde die Benutzung von 10.186 Zeitschriftenbänden registriert, die sich auf 1.450 Titel verteilen.

573 Zeitschriften (39,5% aller zumindest einmal genutzten Titel) wiesen mehr als vier Benutzungsfälle auf. Für diese Zeitschriften wurden 8.423 Benutzungsfälle registriert (82,6% aller Benutzungsfälle). Die Gruppe der schwächer genutzten 877 Zeitschriften, für die zwischen ein und maximal drei benutze Bände (60,5% aller zumindest einmal genutzten Titel) registriert wurde, verzeichnete 1.763 Benutzungsfälle (17,4% aller Benutzungsfälle).

Auf jeden genutzten Zeitschriftentitel entfallen durchschnittlich sieben Benutzungsfälle.

Mit 14,7 Benutzungsfällen pro Zeitschriftentitel liegt dieser Wert in der Gruppe der 573 stärker genutzten Zeitschriften deutlich höher, während in der Gruppe der 877 schwächer genutzten Zeitschriften durchschnittlich nur zwei Benutzungsfälle verzeichnet wurden.

Erscheinungsjahre

Weil im Rahmen der aktuellen Benutzungserhebung nur die Zeitschriftentitel, nicht aber die Erscheinungsjahre erhoben worden sind, wurde zur Klärung der Frage nach der Verteilung der benötigten Zeitschriftenbände nach Erscheinungsjahren das gesamte Fernleiheaufkommen des Jahres 2004 an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien (ohne subito-Bestellungen) analysiert, soweit es das Freihandmagazin betroffen hat.

Von insgesamt 4.676 Fernleihebestellungen entfallen 1.157 auf den Erscheinungszeitraum 1995 und davor (24,7%), 3.519 auf den Erscheinungszeitraum 1996 und aktueller (75,3%). Die im Rahmen der Fernleihe (ohne subito-Bestellungen) aus dem Freihandmagazin benötigten 1.157 älteren Zeitschriftenbände verteilen sich wie folgt:

  • 73 Benutzungsfälle betreffen den Zeitraum bis 1965 (6%);
  • 1.084 Benutzungsfälle sind dem Zeitraum 1966 bis 1995 zuzuordnen (94%).

Eine detaillierte Analyse der älteren Zeitschriftenbände verdeutlicht, dass auch hier der Fokus der Benutzung wiederum bei den relativ aktuelleren Bänden liegt (Abbildung 2 [Abb. 2]):

    • Nur vier Bestellungen sämtlicher im Rahmen der Fernleihe 2004 an die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien gerichteten Bestellungen entfallen auf den Zeitraum 1850 bis 1900.
    • 34 Bestellungen (3%) sind dem Zeitraum 1901-1949 zuzuordnen.
    • 35 Bestellungen (3%) wurden für den Zeitraum 1950 bis 1965 registriert.
    • Der Zeitraum 1966 (Beginn von Medline) bis 1980 weist 15% der Bestellungen auf.
    • 14% der Bestellungen entfallen auf den Zeitraum 1981 und 1985.
    • Weitere 18% der Bestellungen wurden für die Jahre 1986 bis 1990 registriert.
    • Mit 47% der Bestellungen entfällt der Großteil auf den Zeitraum 1991 bis 1995.

Folgerungen

Die Ergebnisse der Benutzungserhebung 2004 zeigen ein deutliches Übergewicht der Vorortnutzungsfälle (78%) gegenüber der Fernleihe bzw. subito (22%), was gegen eine Auslagerung der älteren Zeitschriftenbände spricht. Während Vorortnutzer durchschnittlich 8,2 Bände pro Stunde benötigen, liegt dieser Wert bei der Fernleihe bei 0,4 Bänden pro Stunde, bei den subito-Bestellungen bei 1,9 Bände pro Stunde. Insgesamt werden pro Öffnungsstunde 19,5 ältere Zeitschriftenbände benötigt.

Der relativ hohe Stellenwert der älteren Zeitschriftenbände zeigt sich in dessen durchschnittlicher Beanspruchung pro Öffnungstag. Pro Tag werden für die Vorortnutzung durchschnittlich 82 Bände benötigt, für die Fernleihe 4 Bände und für subito 19 Bände; somit werden täglich insgesamt durchschnittlich 105 ältere Zeitschriftenbände aus dem Freihandmagazin benutzt.

Bei der starken Beanspruchung der älteren Zeitschriftenbände ist allerdings zu beachten, dass der Schwerpunkt der Benutzung bei den relativ aktuelleren Bänden liegt, während die ältere und älteste Literatur deutlich weniger genutzt werden. Die Ergebnisse aus der Benutzungserhebung zeigen, dass Projekte, die sich der Erschließung der älteren medizinischen Literatur in bibliographischen Datenbanken widmen, bisher relativ geringe Auswirkungen auf die konkrete Benutzung der älteren Literatur hatten. Während es sich bei OLDMEDLINE (http://www.nlm.nih.gov/databases/databases_oldmedline.html), das den Zeitraum 1950 bis 1965 abdeckt, um ein kostenfreies Angebot handelt, wurden die Daten für Web of Science ab 1945 im 2004 aufgrund eines kostengünstigen Angebots für das österreichische Konsortium erworben. Die Anschaffung von Century of Science (http://www.thomsonscientific.com/centuryofscience/), das den Zeitraum zurück bis 1900 abdeckt, ist allerdings, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Benutzungserhebung, nicht als vordringliches Ziel für Medizinbibliotheken zu sehen.

Aufgrund der Benutzungsergebnisse wurden auch die Zeitschriften-Backfile Collections der großen Verlage einer Bewertung unterzogen. Eine Verteilung der Benutzungsfälle nach Verlagen zeigt folgendes Bild:

  • Älteren Zeitschriftenbänden von Elsevier waren ca. 9% der Benutzungsfälle zuzuordnen,
  • auf ältere Zeitschriftenbände von Springer entfielen ca. 7% der Benutzungsfälle.
  • 84% der Benutzungsfälle entfielen auf älteren Zeitschriftenbände aller übrigen Verlage. Das bedeutet, dass eine definitive Entscheidung über die Zukunft der älteren Zeitschriftenbände mangels der Möglichkeit eines kompletten Ersatzes durch Backfile Collections derzeit nicht möglich ist, wobei allerdings anzumerken ist, dass diese Projekte laufend große Fortschritte aufzuweisen haben.

Die oben genannten Analyseergebnisse spiegeln sich auch in den Ergebnissen einer Umfrage im medinfo weblog [24], wonach eine Auslagerung von älteren Zeitschriftenbänden an Medizinbibliotheken im deutschsprachigen Raum noch nicht in großem Stil betrieben wird [25]. Die Entwicklung an der Medizinischen Bibliothek der Charite zeigt allerdings die Richtung an, in die es gehen wird: "So wurde in den vergangenen Jahren begonnen, die gebundenen Zeitschriftenbände am Campus Virchow-Klinikum im vergleichsweise unattraktiveren Untergeschoss auf weniger Fläche zu konzentrieren und am Campus Charitè Mitte aufgrund eines geringeren Platzangebotes sogar komplett in externe Zeitschriftenmagazine auszulagern." [26] .


Literatur

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Obst O. Neue Umfrage: Gedruckte Zeitschriften - Lohnt sich eine Archivierung? medinfo weblog, 14.03.2005. http://medinfo.netbib.de/archives/2005/03/14/360/.
2.
Obst O. Umfrage über Archivierung von Print-Zeitschriften. medinfo weblog, 15.04.2005: http://medinfo.netbib.de/archives/2005/04/15/417/.
3.
Springer Online Archives Collection. 2004: http://www.springer.com/east/home/librarians?SGWID=5-117-6-126299-0.
4.
Elsevier Backfiles on Science Direct: http://info.sciencedirect.com/content/journals/backfiles/.
5.
About General Medicine Backfile Collection: http://www3.interscience.wiley.com/cgi-bin/collectionhome/GMCOL/HOME.
6.
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8.
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Korwitz U., Rosemann U. Der Fernleihverkehr der Zentralbibliothek der Medizin und der Technischen Informationsbibliothek Hannover. Bibliotheksdienst. 1994;28(6):906-24.
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Kowark H. Bestandsaufbau II: Medizinische Zeitschriften in der Femleihe. Eine Untersuchung der UB Freiburg. Bibliotheksdienst. 1997;31(1):79-87.
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