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GMS Health Innovation and Technologies

EuroScan international network e. V. (EuroScan)

ISSN 2698-6388

Pflegerische Versorgungskonzepte für Personen mit Demenzerkrankungen

Concepts of care for people with dementia

HTA-Kurzfassung

  • Nina Rieckmann - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • corresponding author Christoph Schwarzbach - Forschungsstelle für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Marc Nocon - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Stefanie Roll - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Christoph Vauth - Forschungsstelle für Gesundheitsökonomie und Gesundheitssystemforschung, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland
  • author Stefan N. Willich - Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
  • author Wolfgang Greiner - Gesundheitsökonomie und -management, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland

GMS Health Technol Assess 2009;5:Doc01

doi: 10.3205/hta000063, urn:nbn:de:0183-hta0000638

Published: January 6, 2009

© 2009 Rieckmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.

The complete HTA Report in German language can be found online at: http://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta215_bericht_de.pdf


Zusammenfassung

Einleitung

In Deutschland leiden derzeit etwa eine Million Menschen an einer Demenzerkrankung. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist mit einem deutlichen Anstieg der Häufigkeit solcher Erkrankungen in den kommenden Jahren zu rechnen. Demenz ist in höherem Alter die häufigste Ursache von Pflegebedürftigkeit. Da diese Krankheiten in der Regel nicht heilbar sind, liegt der Fokus der Pflege auf der Verzögerung des Voranschreitens der Erkrankung sowie der Aufrechterhaltung von Funktionsfähigkeit und Lebensqualität der Betroffenen.

Fragestellung

Wie ist die Evidenz für pflegerische Konzepte für Patienten mit Demenz hinsichtlich gebräuchlicher Endpunkte wie kognitive Funktionsfähigkeit, Fähigkeit zur Durchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens, Lebensqualität, Sozialverhalten? Wie ist die Kosten-Effektivität der betrachteten Pflegekonzepte zu bewerten? Welche ethischen, sozialen oder juristischen Aspekte werden in diesem Kontext diskutiert?

Methoden

Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche werden randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit mindestens 30 Teilnehmern zu folgenden Pflegekonzepten eingeschlossen: Validation/emotionsorientierte Pflege, Ergotherapie, sensorische Stimulation, Entspannungsverfahren, Realitätsorientierung und Reminiszenz. Die Studien müssen ab 1997 (für den ökonomischen Teil ab 1990) in deutscher oder englischer Sprache publiziert worden sein.

Ergebnisse

Insgesamt 20 Studien erfüllen die Einschlusskriterien. Davon befassen sich drei Studien mit der Validation/emotionsorientierte Pflege, fünf Studien mit der Ergotherapie, sieben Studien mit verschiedenen Varianten sensorischer Stimulation, je zwei Studien mit der Realitätsorientierung und der Reminiszenz und eine Studie mit einem Entspannungsverfahren. Keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe berichten zwei von drei Studien zur Validation/emotionsorientierten Pflege, zwei von fünf Studien zur Ergotherapie, drei von sieben Studien zur sensorischen Stimulation, beide Studien zur Reminiszenz, und die Studie zur Entspannung. Von den verbleibenden zehn Studien berichten sieben teilweise positive Ergebnisse zugunsten der Intervention und drei Studien (Ergotherapie, Aromatherapie, Musik/Massage) berichten positive Effekte der Intervention hinsichtlich aller erhobenen Zielkriterien.

Sechs Publikationen berichten ökonomische Ergebnisse von Pflegemaßnahmen. Eine Studie berichtet Zusatzkosten von 16 GBP (24,03 Euro (2006)) pro Patient pro Woche für Beschäftigungstherapie. Zwei weitere Veröffentlichungen geben inkrementelle Kosten von 24,30 USD (25,62 Euro (2006)) pro gewonnenen Mini-mental-state-examination-(MMSE)-Punkt pro Monat bzw. 1.380.000 ITL (506,21 Euro (2006)) pro gewonnenen MMSE-Punkt an. Zwei Publikationen berichten über Mischinterventionen, wobei einmal die Zusatzkosten für ein Aktivitätsprogramm (1,13 USD (1,39 Euro (2006)) pro Tag pro Pflegebedürftigem) und einmal der zeitliche Mehraufwand für die Betreuung mobiler Demenzpatienten (durchschnittlich 45 Minuten zusätzliche Pflegezeit pro Tag) berichtet wird.

Hinsichtlich ethisch-sozialer Aspekte wird vor allem die Selbstbestimmung von Demenzpatienten diskutiert. Aus einer Demenzdiagnose lässt sich danach nicht zwingend schließen, dass die Betroffenen nicht eigenständig über eine Studienteilnahme entscheiden können. Im juristischen Bereich versucht die Regierung mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG) die finanzielle Lage und die Betreuung der Pflegenden und Gepflegten zu verbessern. Weitere Fragestellungen rechtlicher Natur betreffen die Geschäftsfähigkeit bzw. die rechtliche Vertretung sowie die Deliktfähigkeit von an Demenz erkrankten Personen.

Diskussion

Es gibt nur wenige methodisch angemessene Studien zu den in diesem Bericht berücksichtigten pflegerischen Konzepten für Demenzkranke. Die Studien haben überwiegend kleine Fallzahlen, und weisen erhebliche methodische Unterschiede hinsichtlich der Einschlusskriterien, der Durchführung, und der erfassten Zielkriterien auf. Diese Heterogenität zeigt sich auch in den Ergebnissen: in der Hälfte der eingeschlossen Studien gibt es keine positiven Effekte der Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die andere Hälfte der Studien berichtet zum Teil positive Effekte bezüglicher unterschiedlicher Zielkriterien. Die ökonomischen Studien sind methodisch und thematisch nicht dazu geeignet die aufgeworfenen Fragestellungen zu beantworten. Ethische, soziale und juristische Aspekte werden diskutiert, aber nicht systematisch im Rahmen von Studien erfasst.

Schlussfolgerung

Basierend auf der derzeitigen Studienlage liegt für keines der untersuchten Pflegekonzepte ausreichende Evidenz vor. Fehlende Evdienz bedeutet in diesem Kontext jedoch nicht zwingend fehlende Wirksamkeit. Vielmehr sind weitere Studien zu diesem Thema notwendig. Wünschenswert wären insbesondere Studien, die in Deutschland unter den Rahmenbedingungen des hiesigen Ausbildungs- und Pflegesystems durchgeführt werden. Dies gilt auch für die gesundheitsökonomische Bewertung der Pflege

Schlüsselwörter: Demenz, Alzheimer, Validation, Ergotheraphie, Snoezelen, multisensorische Stimulation, Entspannung, Reminiszenz

Abstract

Introduction

Today there are approximately one million people with dementia in Germany. If current demographic trends continue, this number is likely to rise substantially in the coming years. In the older population, dementia is the most frequent reason for long-term care. Because most forms of dementia cannot be cured, the aim of treatment is to delay disease progression and to maintain functioning and quality of life.

Research questions

What is the evidence on different approaches to the long-term usual care of patients with dementia in terms of common endpoints such as quality of life, and social behaviour? How is the cost-effectiveness of these concepts to be evaluated? Which ethical, social, or legal issues are discussed in this context?

Methods

Based on a systematic literature review, we include randomized, controlled studies that had at least 30 participants and investigated one or more of the following approaches of dementia care: validation therapy/emotion-oriented usual care, ergotherapy, sensory stimulation, relaxation techniques, reality orientation therapy, and reminiscence therapy. Studies had to be published after 1996 (after 1990 for the economic part) in English or German.

Results

A total of 20 studies meet the inclusion criteria. Of these, three focus on validation therapy/emotion-oriented usual care, five on ergotherapy, seven on different kinds of sensory stimulation, two on reality orientation, two on reminiscence therapy, and one on a type of relaxation technique. There are no significant differences between the intervention and control groups in two of the three studies on validation therapy or emotion-oriented usual care, in two of the five studies on ergotherapy, in three of the seven studies on sensory stimulation, in both of the two studies on reminiscence therapy, and in the one study on relaxation. In the remaining ten studies, seven report some positive results in favour of the respective interventions, and three studies (ergotherapy, aroma therapy, and music/massage) report positive effects with respect to all of the endpoints measured.

Six publications present economic results for usual-care-concepts. One study reports additional costs of 16 GBP (24.03 Euro (2006)) per patient per week for occupational therapie. Two publications declare incremental cost of 24.30 USD (25.62 Euro (2006)) per mini-mental-state-examination-(MMSE)-point gained per month respectively 1,380,000 ITL (506.21 Euro (2006)) per MMSE-point gained. Two publications focus on mixed interventions. One study reports the additional costs of an activity program (1.13 USD (1.39 Euro (2006)) per day per patient) and the other additional time for the usual care for mobile demented patients (average of 45 minutes per day per patient).

With respect to ethical and social aspects the discussion focusses on the problem of autonomy: dementia does not necessarily mean inability to decide over the participtation in studies. Legal questions address the financial situation of patients, the organisation of their care and the legal representation of dementia patients.

Discussion

Only a few studies on the nursing interventions considered in this report are methodologically robust. Most of the studies have a small number of participants and show substantial differences in terms of their inclusion criteria, implementation, and endpoints.

This heterogeneity is reflected in the results: in half of the studies, the interventions have no positive effects compared to the control group. The other half of the studies reports some positive effects with regard to specific endpoints.

All of the economic studies are, from a methodologial and a thematic standpoint, not suitable to answer the questions raised. Ethical, social and legal aspects are discussed but not systematically analysed.

Conclusion

The studies conducted to date do not provide sufficient evidence of neither efficacy nor cost-effectiveness for any of the nursing interventions considered in the present HTA. However, lack of evidence does not mean lack of efficacy. Instead, more methodologically sound studies are needed. Particullary desireable are studies reflecting the framework of dementia care in Germany. This holds also for the healtheconomic evaluations of the chosen interventions.


Executive Summary

1. Introduction

Approximately one million people in Germany currently suffer from dementia, which corresponds to a prevalence of 1.3%. The strongest risk factor for dementia is age, and the prevalence of the illness rises substantially in older age groups, reaching approximately 13% among 80- to 84-year-olds and approximately 33% among persons older than 90. If these prevalence rates remain the same and current demographic trends continue, more than two million people – twice as many as today – will be suffering from dementia in Germany by the year 2050.

In the older population, dementia is the most frequent reason that people need long-term care. Providing care to individuals with dementia is a challenging task for family and professional caregivers alike. In addition to cognitive symptoms (loss of memory and orientation) and the progressive impairment of the ability to perform everyday and, in late stages, basic activities (e. g. using the toilet), persons with dementia often experience psychiatric symptoms (hallucinations, delusions), affective disorders (depression, emotional instability), and behavioural disturbances (aggressive behaviour).

Because most forms of dementia cannot be cured, the focus of treatment is to provide adequate care. Modern approaches attempt to focus on the needs of patients, such as helping them to maintain cognitive functioning, the ability to perform everyday tasks, and quality of life for as long as possible. In recent years, a variety of interventions to caring for dementia patients have been developed, many of which are based on the communication and interactions that take place between care givers and patients. Other concepts focus on environmental interventions or sensory stimulation. The distinction between nursing and therapeutic interventions is often blurry, since those that can be described as “therapy” are often performed by nursing staff or involve redesigning the care-setting.

2. Research questions

Currently there are no uniform standards for assessing the effectiveness of nursing interventions in patients with dementia. Most of the studies conducted to date have investigated areas such as cognition, functioning, quality of life, and social behaviour. Therefore, the objective of this health-technology assessment (HTA) is to perform a comparative evaluation of the different nursing interventions and their endpoints as described in the included studies. More specifically: what is the evidence on different approaches to the long-term usual care of patients with dementia in terms of common endpoints such as cognition, functioning, quality of life, and social behaviour?

For the economical part, the cost-effectiveness of the different interventions is evaluated.

In addition, this HTA aims to provide a brief overview of the ethical questions currently under discussion in the treatment of persons with dementia.

From a legal standpoint the situation of patients and usual care givers will be changed though the introduction of a new law, called “Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“. Other questions concern the legal capacity and the capacity for delicts of people with dementia.

3. Methods

A systematic review of the literature and a hand-search by the authors are performed. Also institutions and persons doing research in the area of usual care for dementia were contacted. At the same time the search does not claim completeness. Randomised, controlled studies are included, if they have at least 30 participants and investigate one or more of the following approaches to the management of dementia: validation therapy/emotion-oriented usual care, ergotherapy, sensory stimulation, relaxation techniques, reality orientation therapy, and reminiscence therapy. Studies have to be published after 1996 (after 1989 for the economical part) in English or German. No restrictions are defined with regard to the endpoints under investigation. However, studies with less than 30 patients are excluded, as are any interventions that are not conducted chiefly by nursing staff. All studies are selected independently by two researchers according to predefined inclusion and exclusion criteria.

4. Results

Using a list of search terms, a total of 1,658 clinical, 665 economic and 35 ethical/legal studies are identified. Following a review of the abstracts, 287 of the former and 213 of the latter are marked as being potentially relevant. Of the 287 clinical studies, a total of 20 fulfills the predefined inclusion criteria and are included in the present HTA. Also five economical studies are included.

These 20 publications are based on 19 studies. Eight studies are conducted in the United States, four in the Netherlands, four in Great Britain, one in Italy, one in Canada, and one in China. One study is based on data from three different countries (i. e. Great Britain, the Netherlands, and Sweden). Of these 20 studies, three focused on validation therapy/emotion-oriented care, five on ergotherapy, seven on different kinds of sensory stimulation, two on reality orientation, two on reminiscence therapy, and one on a type of relaxation technique.

No significant differences are reported between the intervention and control groups in two of the three studies on validation therapy or emotion-oriented usual care, in two of the five studies on ergotherapy, in three of the seven studies on sensory stimulation, in both studies on reminiscence therapy, and in one study on relaxation. In the remaining ten studies, seven report some positive results in favour of the respective interventions, and three studies (ergotherapy, aroma therapy, and music/massage) report positive effects with respect to all of the measured endpoints.

Six publications present economic results for care-concepts. The studies originate from Italy, the United Kingdom, the USA and Germany. The British study reports additional costs of 16 GBP (24.03 Euro (2006)) per patient per week for occupational therapy, while there are no signifcant differences in the clinical endpoints. Two seperate publications refer to the Italian study and report incremental costs of 24.30 USD (25.62 Euro (2006)) per MMSE-point gained per month and 1,380,000 ITL (506.21 Euro (2006)) per MMSE-point gained respectively. The publications from the USA and Germany focus on mixed interventions. The former reports the additional costs of an activity program (1.13 USD (1.39 Euro (2006)) per day per patient) and the later an average of 45 additional minutes per day per patient spent for the care for mobile demented patients.

5. Discussion

Few of the studies on the nursing interventions considered in this report are methodologically robust. Most of the studies have a small number of participants and show substantial methodological differences. Heterogeneity results from differences in the severity of illness within and across study populations, in the extent and implementation of the various interventions, in the type of control groups (e. g. usual care or alternative intervention), and in study duration. Moreover, the studies assess a variety of endpoints using different questionnaires which limits the comparability of the results even further.

This heterogeneity in methodology may be the reason for the heterogeneity seen in the results: in half of the studies the interventions have no positive effects compared to the control group. The other half of the studies reported some positive effects, albeit with regard to different endpoints.

All of the economic studies are not suitable to answer the questions raised.

6. Ethical, social and legal considerations

Ethical considerations for patients with dementia focus on the autonomy of subjects, especially with respect to informed consent. A diagnosis of dementia does not necessarily preclude the competence for an informed consent. Because no specific methods for assessing competency in dementia have been established, it has to be considered on an individual basis. If the decision to participate in a study is made by a proxy, researchers have to ensure that this decision is based on prior values of the patient. Moreover, possible risks of participation in a study have to be weighted against possible benefits.

The legal situation in Germany has changed just recently. A law, called “Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“, is intented to improve not only the financial situation of but also the support for patients and usual care givers. Another legal question concerns the legal capacity respectively the legal representation of people with dementia. Depending on the progress of the illness, people with dementia lose their capacity to legally represent themselves and therefore cannot for example sign binding contracts. In this case there are two possibilities: a judge assigns a legal guardian or the demented person appoints someone prior to losing the capacity for legal representation. Furthermore people with dementia will probably also lose their capacity for delicts. Therefore they cannot be held liable for their acts. If the person with dementia causes damages, it is possible, that the victims are not compensated.

7. Conclusion

The studies conducted to date do not provide sufficient evidence of efficacy for any of the nursing methods considered in the present HTA. Lack of evidence however, does not necessary imply a lack of efficacy, but rather points to the need for additional and methodologically robust studies. These studies should take into account the conditions of dementia care in Germany. This holds also for the healtheconomic evaluations of the chosen interventions.


Kurzfassung

1. Einleitung

In Deutschland leiden derzeit etwa eine Million Menschen an einer Demenzerkrankung. Das entspricht einer Prävalenz von ca. 1,3%. Alter ist der wichtigste Risikofaktor für Demenz. Entsprechend steigt die Prävalenz in höheren Altersgruppen deutlich an: bei den 80- bis 84-Jährigen liegt sie bei ca. 13% und bei den über 90-Jährigen bei ca. 33%. Bei gleich bleibenden Prävalenzraten werden in Deutschland aufgrund der weiterhin steigenden Lebenserwartung bis zum Jahr 2050 über zwei Millionen Menschen, also mehr als doppelt so viele wie heute, an Demenz erkrankt sein.

Demenz ist in höherem Alter die häufigste Ursache von Pflegebedürftigkeit. Die Betreuung von Demenzkranken ist nicht nur für pflegende Angehörige, sondern auch für professionelle Pflegekräfte eine anspruchsvolle Aufgabe. Neben der kognitiven Symptomatik (Gedächtnis- und Orientierungsverlust) und der fortschreitend eingeschränkten Bewältigung alltagspraktischer und im späteren Stadium auch alltäglicher Tätigkeiten (z. B. Toilettengang) treten oft Persönlichkeitsveränderungen, psychiatrische Symptome (Halluzinationen, Wahnvorstellungen), Störungen des Affekts (Depression, emotionale Labilität) und Verhaltensauffälligkeiten (aggressives Verhalten) auf.

Da Demenzerkrankungen in der Regel nicht heilbar sind, kommt der Pflege der Betroffenen eine besonders wichtige Rolle zu. Die moderne Pflege versucht, sich an den Bedürfnissen der Demenzkranken orientierend, kognitive Leistungen, die Funktionsfähigkeit im Alltag sowie die Lebensqualität möglichst lange aufrecht zu erhalten. Inhaltlich sind in den letzten Jahren verschiedene Ansätze in der Demenzpflege entstanden. Viele dieser Konzepte betreffen die Kommunikation zwischen Pflegenden und Demenzkranken und eine bestimmte Grundhaltung in der Interaktion von Pflegenden und Gepflegtem. Andere Konzepte fokussieren auf die Umgebungsgestaltung und wieder andere auf die sensorische Stimulation von Erkrankten. Der Übergang zwischen pflegerischen und therapeutischen Maßnahmen ist fließend, da viele als „Therapie“ gekennzeichnete Maßnahmen von Pflegenden ausgeführt werden oder Teil der Umgebungsgestaltung eines pflegerischen Settings sind.

2. Fragestellungen

Es gibt derzeit keine einheitlichen Standards zur Beurteilung der Effektivität von pflegerischen Interventionen bei Patienten mit Demenzerkrankung. Untersucht werden in der Regel verschiedene Bereiche wie Kognition, Funktionsfähigkeit, Lebensqualität oder Sozialverhalten. Die klinische Fragestellung dieses Berichts zielt auf die vergleichende Bewertung hinsichtlich der in den jeweiligen Studien definierten Endpunkte der einbezogenen pflegerischen Intervention bei Demenzkranken. Die Fragestellung lautet: Wie ist die Evidenz für pflegerische Konzepte für Patienten mit Demenz hinsichtlich gebräuchlicher Endpunkte wie Kognition, Funktionsfähigkeit, Lebensqualität, Sozialverhalten?

Für den ökonomischen Teil liegt die Frage nach der Kosten-Effektivität der betrachteten Interventionen im Zentrum der Betrachtung.

Weiterhin soll ein kurzer Überblick der derzeit diskutierten ethischen und sozialen Aspekte in der Pflege Demenzkranker gegeben werden.

Aus juristischer Sicht kommen auf die Pflegenden und Gepflegten nicht nur in finanzieller Hinsicht Änderungen aus dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (Pf-WG) zu. Weitere Fragen beschäftigen sich mit der Geschäftsfähigkeit bzw. der rechtlichen Vertretung oder auch mit der Deliktfähigkeit Dementer.

3. Methoden

Es wird eine systematische Literaturrecherche und eine Handrecherche durch die Autoren durchgeführt. Weiterhin werden Institutionen und Personen, die auf dem Gebiet der Pflege bei Demenz forschen, angeschrieben. Dabei erhebt die Recherche keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Eingeschlossen werden randomisiert kontrollierte Studien (RCT) mit mindestens 30 Teilnehmern zu folgenden Pflegekonzepten: Validation/emotionsorientierte Pflege, Ergotherapie, Sensorische Stimulation, Entspannungsverfahren, Realitätsorientierung und Reminiszenz. Die Studien müssen ab 1997 (für den ökonomischen Teil ab 1990) in deutscher oder englischer Sprache publiziert sein. Es gibt keine Einschränkungen hinsichtlich der untersuchten Endpunkte. Ausgeschlossen werden Studien mit weniger als 30 Patienten, und alle Interventionen, die in der Regel nicht von Pflegenden durchgeführt werden.

Die Auswahl der Studien erfolgt unabhängig voneinander durch zwei Wissenschaftler unter Beachtung der vorab definierten Ein- und Ausschlusskriterien.

4. Ergebnisse

Auf der Grundlage der definierten Suchbegriffe und der erfolgten Recherche werden 1.658 klinische Studien, 665 ökonomische und 35 ethische/juristische Studien identifiziert. Nach Durchsicht der Abstracts werden 287 medizinische und 213 ökonomische Texte identifiziert. Davon erfüllen letztlich 20 klinische und fünf ökonomische Veröffentlichungen die vorab definierten Einschlusskriterien.

Die 20 identifizierten klinischen Veröffentlichungen basieren auf 19 Studien. Von den 19 eingeschlossenen Studien stammen sieben aus den USA, je vier aus den Niederlanden und Großbritannien, je eine aus Italien, Kanada und China und eine Studie wurden in drei Ländern durchgeführt (Großbritannien, Niederlande, Schweden). Es liegen keine Studien aus Deutschland vor.

Inhaltlich befassen sich sieben Studien mit sensorischen Konzepten (darunter vier Studien mit Ansätzen die auf Snoezelen basieren, und je eine Studie zu Aromatherapie, Musik/Massage, und therapeutischem Berühren), fünf Studien mit ergotherapeutischen Ansätzen, drei Studien mit der Validation/emotionsorientierte Pflege, je zwei Studien mit Realitätsorientierung bzw. Reminiszenz, und eine Studie mit einem Entspannungsverfahren (Progressive Muskelentspannung).

Keine signifikanten Unterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe berichten zwei von drei Studien zur Validation/emotionsorientierten Pflege, zwei von fünf Studien zur Ergotherapie, drei von sieben Studien zur sensorischen Stimulation, beide Studien zur Reminiszenz, und die Studie zur Entspannung. Von den verbleibenden zehn Studien berichten sieben teilweise positive Ergebnisse zugunsten der Intervention und drei Studien (Ergotherapie, Aromatherapie, Musik/Massage) berichten positive Effekte der Intervention hinsichtlich aller erhobenen Zielkriterien.

Sechs Veröffentlichungen berichten ökonomische Ergebnisse von Pflegemaßnahmen. Die Studien stammen aus Italien, Großbritannien, den USA und Deutschland. Die britische Studie berichtet Zusatzkosten von 16 GBP (24,03 Euro (2006)) pro Patient pro Woche für Beschäftigungstherapie, wobei sich keine signifikanten Unterschiede bei den klinischen Endpunkten ergeben. Auf die italienische Studie wird in zwei verschiedenen Publikationen Bezug genommen. Dabei werden inkrementelle Kosten von 24,30 USD (25,62 Euro (2006)) pro gewonnenen Mini-mental-state-examination-(MMSE)-Punkt pro Monat bzw. 1.380.000 ITL (506,21 Euro (2006)) pro gewonnenen MMSE-Punkt durch eine Realitätsorientierungstherapie angegeben. Die US-amerikanische und die deutsche Publikation berichten über Mischinterventionen. Bei ersterer werden die Zusatzkosten für ein Aktivitätsprogramm in Höhe von 1,13 USD (1,39 Euro (2006)) pro Tag pro Pflegebedürftigem berichtet. Durch die Mischintervention reduziert sich unter anderem die Wahrscheinlichkeit für Verhaltensstörungen. In der deutschen Publikation wird ein zeitlicher Mehraufwand von durchschnittlich 45 Minuten pro Tag pro Patient für die Betreuung mobiler Demenzpatienten berichtet.

5. Diskussion

Es gibt nur wenige methodisch angemessene Studien zu den in diesem Bericht berücksichtigten pflegerischen Konzepten für Demenzkranke. Die Studien haben überwiegend kleine Fallzahlen, und weisen eine erhebliche methodische Unterschiede auf. Heterogenität besteht hinsichtlich des Schweregrades der Demenz der Studienpopulation, des Umfangs und der Durchführungsweise der jeweiligen Interventionen, der gewählten Kontrollgruppen (Standardpflege oder alternative Intervention) sowie der Studiendauer. Es werden darüber hinaus eine Reihe verschiedener Zielkriterien erfasst und diese Erfassung erfolgt mit unterschiedlichen Fragebögen, was die Vergleichbarkeit der Ergebnisse weiter einschränkt. Diese methodische Heterogenität kann ein möglicher Grund sein für die erhebliche Heterogenität der Ergebnisse: in der Hälfte der eingeschlossenen Studien gibt es keine positiven Effekte der Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe. Die andere Hälfte der Studien berichtet zum Teil positive Effekte, diese positiven Effekte sind aber auf unterschiedliche Zielkriterien bezogen.

Die ökonomischen Studien sind methodisch und thematisch nicht dazu geeignet die aufgeworfenen Fragestellungen zu beantworten.

6. Ethische, soziale, juristische Aspekte

Im Zentrum der ethischen Diskussion steht die Selbstbestimmung von Demenzpatienten. Im Kontext von Studien wird darauf hingewiesen, dass eine Demenzdiagnose nicht zwingend bedeutet, dass die Betroffenen nicht autonom über eine Teilnahme entscheiden können. Die entsprechende Kompetenz muss für jeden Einzelfall berücksichtigt werden. Falls die Entscheidung zur Studienteilnahme von einem Vormund getroffen wird, sollte berücksichtigt werden, inwieweit sie die früheren Wertvorstellungen und Einstellungen des Betroffenen widerspiegelt. Darüber hinaus müssen in jeden Fall die möglichen Risiken einer Studienteilnahme gegen den möglichen Nutzen aufgewogen werden.

Im juristischen Bereich versucht die Regierung mit dem PfWG die finanzielle Lage und die Betreuung der Pflegenden und Gepflegten zu verbessern. Weitere Fragestellungen rechtlicher Natur betreffen die Geschäftsfähigkeit bzw. die rechtliche Vertretung sowie die Deliktfähigkeit von an Demenz erkrankten Personen. Demente dürften regelmäßig ab einem gewissen Stadium der Erkrankung geschäftsunfähig sein. Dann besteht die Möglichkeit der Vertretung durch eine, vom Demenzkranken privatrechtlich bevollmächtigte, Person, soweit diese Bevollmächtigung noch im Zustand der Geschäftsfähigkeit erfolgt. Alternativ wird vom Vormundschaftsgericht ein gesetzlicher Betreuer bestellt. Demenzkranke sind ab einem gewissen Krankheitsstadium nicht mehr deliktfähig und daher von der Haftung für durch sie angerichtete Schäden befreit. Daraus resultiert, dass das Schadensopfer oft völlig ohne Ersatz bleibt.

7. Schlussfolgerung

Basierend auf der derzeitigen Studienlage liegt für keines der untersuchten Pflegekonzepte ausreichende Evidenz vor. Das Fehlen von Evidenz bedeutet in diesem Kontext jedoch nicht zwingend, dass die untersuchten Konzepte unwirksam sind. Es bedarf vielmehr weiterer, methodisch adäquater, und idealerweise an die Bedingungen der Demenzpflege in Deutschland angepasster Studien. Dies gilt auch für die gesundheitsökonomische Bewertung der Pflegekonzepte.