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GMS Hygiene and Infection Control

Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)

ISSN 2196-5226

Phasengerechte, problemorientierte Wundversorgung

Phasengerechte, problemorientierte Wundversorgung

Übersichtsarbeit

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GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2006;1(1):Doc29

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Published: August 30, 2006

© 2006 Gerber.
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Zusammenfassung

Bei der Therapieplanung für einen Patienten mit chronischen Wunden sind viele individuelle Faktoren zu berücksichtigen, die neben dem lokalen Wundstatus erhoben werden müssen. Nur wenn die Behandlung so angepasst wird, dass alle Komponenten aufeinander abgestimmt sind, ist ein Erfolg zu erwarten.

Schlüsselwörter: Einschlussfaktoren, Phasen, Therapieauswahl

Abstract

In the treatment planning for a patient with chronic wounds, many individual factors - in addition to the local wound status - must be taken into consideration. Only by adapting treatment so that all components are mutually compatible can success be expected.


Text

Problem

Die Wundversorgung erfordert ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz. Viele Pflegende haben diese Kompetenz erworben und arbeiten im interdisziplinären therapeutischen Team nach definierten phasenbezogenen und problemorientierten Standards, die gemeinsam erarbeitet wurden. Diese Vorgehensweisen müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden, um neue Erkenntnisse einzuarbeiten.

Einflussfaktoren

Der Grad der Evidence basierten einheitlichen Vorgehensweise ist niedrig, weil viele individuelle patientenbezogene Faktoren bei der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Neben der Frage nach der Ursache für die Wunde, dem Einfluss auf das Wohlbefinden und die Compliance des Patienten sind auch Laborparameter zu berücksichtigen. Eiweißmangel und Elektrolytverschiebungen, Zink- und Vitaminmangel sowie eine gestörte Flüssigkeitsbilanz sollten behoben werden, um den gewünschten Erfolg zu ermöglichen.

Ebenso sind lokale Faktoren bei der Wundbeurteilung zu berücksichtigen wie

  • Sind Beläge auf der Wunde?
  • Gibt es Infektionszeichen?
  • Gibt es einen positiven bakteriologischen Befund?
  • Wie viel Exsudat sondert die Wunde ab?
  • Wie schmerzhaft ist die Wunde?
  • Wo ist die Wunde - hat die Lokalisation Einfluss auf die Therapiewahl?
  • Wie sieht der Wundrand aus?

Phasengerechte Therapie

Unter Berücksichtigung der genannten Faktoren erfolgt die Therapieauswahl phasengerecht.

In der Reinigungsphase (Abbildung 1 [Abb. 1]) ist bei der Erstbehandlung folgende Vorgehensweise angezeigt:

1.
Entfernung der Beläge (Debridement)
2.
mikrobiologischer Wundabstrich
3.
antiseptische Wundspülung und mechanische Reinigung der Wundumgebung
4.
Wundvermessung und Fotodokumentation
5.
Wundrandschutz
6.
bei restlichen Belägen oder trockenen Wunden Hydrogel auftragen
7.
Wundhöhlen mit Alginat oder speziell für Wundtaschen entwickeltem PU-Schaum auslegen (sachgerecht tamponieren, damit kein Druck auf das Gewebe ausgeübt wird; weder durch die Tamponade an sich noch durch den aufquellenden Charakter mancher Tamponaden!)
8.
Wundabdeckung auswählen
- Bei tiefen Wunden reichen eine saugende Auflage und ein Schutzverband, weil die Abdeckung keinen Kontakt zum Wundgrund hat.
- Oberflächliche Wunden werden so verbunden, dass die Auflage nicht mit dem Wundgrund verklebt, dass Exsudat aufgefangen wird und die Bewegung wenig eingeschränkt ist. Falls auf Grund einer venösen Insuffizienz eine Kompressionstherapie erforderlich ist, muss darauf geachtet werden, dass die Auflagen nicht lokal einschnüren.

In der Reinigungsphase ist mindestens einmal täglich ein Verbandwechsel erforderlich, bis die Wunde in die Granulationsphase übergeleitet ist.

In der Granulationsphase (Abbildung 2 [Abb. 2]) steht der Gewebeaufbau im Vordergrund. Zellen brauchen Wärme, Feuchtigkeit, Schutz vor chemischen und mechanischen Reizen sowie vor eindringenden Krankheitserregern. Jeder Verbandwechsel stört den Zellaufbau. Deshalb ist es das Ziel, die Wundruhe zu gewährleisten. Die Wundauflagen sollten mehrere Tage auf der Wunde verbleiben.

In der Granulationsphase ist folgende Vorgehensweise empfehlenswert:

1.
Wundspülung und ggf. Reinigung der Wundumgebung
2.
Wundvermessung und Fotodokumentation
3.
Wundrandschutz
4.
Wundhöhlen mit Alginat oder speziell für Wundtaschen entwickeltem PU-Schaum auslegen (sachgerecht tamponieren, damit kein Druck auf das Gewebe ausgeübt wird; weder durch die Tamponade an sich noch durch den aufquellenden Charakter mancher Tamponaden!)
5.
Wundabdeckung auswählen
- Bei tiefen Wunden reicht eine saugende Auflage, die mit einem atmungsaktiven Folienverband fixiert wird. So bleibt das feuchtwarme Milieu erhalten.
- Oberflächliche Wunden je nach Exsudatmenge mit einem Hydrokolloidverband (geringe Flüssigkeitsmenge) oder einem PU-Schaumverband abdekken.
- Bei stark nässenden Wunden ist eine Hydrofaser empfehlenswert. Sie leitet die Flüssigkeit vertikal in die darüber liegende Auflage und schützt den Wundrand vor Mazeration. Atmungsaktive Folienverbände können zusätzlich dazu beitragen, dass die Wundruhe gewährt bleibt.

Sobald das Granulationsgewebe Hautniveau erreicht hat, beginnt von den Rändern her die Epithelisierung (Abbildung 3 [Abb. 3]). Haut sollte geschmeidig, aber trocken gehalten werden. Die Gefahr der Mazeration besteht, da die angrenzenden Granulationszellen feucht behandelt werden müssen. In dieser Phase kommt dem Wundrandschutz besondere Bedeutung zu. Alle gerbenden Produkte wie Pyoctanin, Merbromin oder Kaliumpermanganat sind ungeeignet, weil

  • sie die Haut unflexibel machen
  • die feste Schicht reißt und Mikroorganismen eindringen können
  • durch die Verfärbung keine Hautbeobachtung erfolgen kann und
  • das Einwandern der Epithelzellen auf das Granulationsbett behindert wird.

Ein geeigneter Wundrandschutz sollte transparent und atmungsaktiv sein, eine Barriere zwischen Feuchtigkeit und Haut bilden und auch in der Wunde reizfrei sein, da es nicht zu vermeiden ist, dass Partikel auf das benachbarte Gewebe kommen. Salben oder Pasten sind ungeeignet, weil sie die Fixierung der hydroaktiven Wundauflagen verhindern, eine Hautbeurteilung erschweren und meist mechanisch entfernt werden müssen. Das verursacht eine unnötige Reizung der jungen, empfindlichen Hautzellen.

Die größte Herausforderung bei der Versorgung epithelisierender Wunden besteht darin, das Granulationsgewebe auf Hautniveau zu halten. Epithelzellen wachsen nicht über Hypergranulation und auch nicht über atrophische Granulationszellen.

In der Epithelisierungsphase ist folgende Vorgehensweise empfehlenswert:

1.
ggf. Wundspülung und Reinigung der Wundumgebung
2.
Wundvermessung und Fotodokumentation
3.
Wundrandschutz
4.
dünne Hydroaktivauflage oder engmaschiges Gitternetz, das nicht mit dem Wundgrund verklebt und nur einen geringen Fettanteil hat. Das Gitternetz muss mit einem Sekundärverband abgedeckt werden

Die phasengerechte Wundversorgung erfordert Sorgfalt bei der Therapieauswahl unter Berücksichtigung des Gesamtzustands des Patienten. Die beschriebenen Vorgehensweisen sind als Leitlinie für den phasengerechten Wundverband gedacht; sie ersetzen keinesfalls die individuelle Anpassung.


Literatur

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Panfil EM, Mayer H, Evers GCM. Die Wundversorgung von Menschen mit chronischen Wunden in der ambulanten Pflege. Pflege. 2002;4(15):169-76.
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Probst W, Vasel-Biergans A. Wundmanagement - Ein illustrierter Leitfaden für Ärzte und Apotheker. Stuttgart: Wiss Verlagsges; 2004.
3.
Sellmer W. Alles viel zu teuer?. Heilberufe. 2002;54(8):32-5.
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Vasel-Biergans A. Wundauflagen für die Kitteltasche. Stuttgart: Wiss Verlagsges; 2003.