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93. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte

31.10.2020, Koblenz (Online-Konferenz)

Der Einfluss der deutschen Luftwaffe auf die Entwicklung der Ophthalmochirurgie

Meeting Abstract

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  • M. Wenzel - Trier

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte. 93. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte. Koblenz (Online-Konferenz), 31.-31.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20rma04

doi: 10.3205/20rma04, urn:nbn:de:0183-20rma040

Veröffentlicht: 15. Dezember 2020

© 2020 Wenzel.
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Gliederung

Text

Die militärische Luftfahrt ist für zwei Entwicklung im medizinischen Bereich von großer Bedeutung, die heute noch die Augenheilkunde prägen: Die Implantation von Kunstlinsen aus Plexiglas und die Herstellung von Kortison.

1. Entwicklung bis 1939

Das erste Flugzeug mit einer Plexiglas-Kanzel war die He 70, ein einmotoriges deutsches Verkehrsflugzeug, das ab 1932 im Auftrag der Lufthansa und der Swissair gebaut wurde. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 360 km/h war es die schnellste Verkehrsmaschine der Welt. Vier Jahre später stand die zweimotorige He 111 als schnellstes Verkehrsflugzeug (390 km/h) der Welt im Dienst der Lufthansa. Da absehbar war, dass der Lufthansaauftrag die Entwicklungskosten nicht decken würde, wurde die Maschine von vorneherein auch als Bomber konzipiert. Mit einer Fw 200 erfolgte Im Juni 1939 der erste Flug eines Landflugzeuges von Deutschland nach Südamerika (11.100 km, Flugzeit 35 Stunden, Durchschnittsgeschwindigkeit 320 km/h). Im Juni 1937 wurde mit einer Bristol 138 A der Höhenweltrekord mit 16.440 m erzielt.

2. Kunstlinsen aus Plexiglas

David Apple (1941–2011) veröffentlichte 2006 eine umfangreiche Biografie über seinen Freund Harold Ridley (1906–2001), den Erfinder der IOL. Lange Zeit wich Ridley Gesprächen über die Bedeutung der Kriegsverletzungen von Piloten aus, bei denen Splitter der Flugzeugkanzel ins Auge gelangten, die reizfrei einheilten und als Beweis dienten, dass Kunststoffe lange reizfrei im Auge verbleiben konnten. Ridley erwähnte wiederholt das englische Jagdflugzeug Hawker Hurricane, doch dieses hatte damals Kanzeln aus Glas. Das andere britische Jagdflugzeug dieser Zeit, die Supermarine Spitfire, hatte Kanzeln aus Plexiglas. Warum war für die Erfindung der IOL durch Ridley die Hurricane so wichtig, obwohl sie keine Plexiglaskanzeln besaß? Ridley erwähnt 200 verletzte Augen, die für seine Erfindung wichtig waren. Ausführlich wird die Geschichte von nur einem Spitfire-Piloten mit Plexiglassplittern im Auge dokumentiert. Später wurde er nach Ghana versetzt, dort sah er keine Opfer von Luftkämpfen mehr.

In der Luftschlacht um England hatten die Hurricane-Piloten die Aufgabe, deutsche Bomber abzuschießen. Die Aufgabe der Spitfire-Piloten war es, die deutschen Jagdflugzeuge, die Begleitschutz für die Bomber flogen, in Kämpfe zu verwickeln. 1940 wurden etwa 1.200 britische Flugzeuge über England abgeschossen, überwiegend einsitzige Jagdflugzeuge. Dabei überlebten etwa 700 Piloten den Abschuss, davon ca. 200 Spitfire-Piloten. Wenn 10% der überlebenden Piloten Splitterverletzungen im Auge hatten, sind durch die britischen Piloten die von Ridley genannten 200 Piloten mit Plexiglas-Splitterverletzungen im Auge nicht erklärbar. Welche Bedeutung hatte also die Hurricane?

Dem deutschen Verlust von 1.600 Flugzeugen über der Insel entspricht ein Verlust von 4.600 Luftwaffenangehörigen, da überwiegend deutsche Bomber abgeschossen worden sind, die eine Besatzung von 4 Mann hatten. 2.600 Deutsche gerieten in englische Gefangenschaft. Es ist kaum bekannt, dass damals bereits alle deutschen Flugzeuge mit Plexiglaskanzeln ausgestattet waren. Die meisten deutschen Bomber wurden von Hurricane-Jagdflugzeugen abgeschossen. Da die medizinische Versorgung der deutschen Gefangenen allgemein als gut beschrieben wird, ist davon auszugehen, dass die meisten Patienten mit Plexiglas-Splitterverletzungen im Auge nicht englische, sondern deutsche Soldaten waren. Nach dem zweiten Weltkrieg ließ sich Ridley aus dem Kunststoff der Plexiglas-Kanzeln der Spitfire vom ICI-Konzern die Kunstlinsen herstellen, aber die Gewissheit, dass Plexiglas lange reizfrei im Auge verbleiben kann, kam wohl eher von den deutschen Kriegsgefangenen.

3. Synthetische Herstellung von Kortison

Vor dem zweiten Weltkrieg begann eine rasante Entwicklung der Flugzeugindustrie. Niemand konnte absehen, wohin diese Entwicklung führen würde. Es waren immer längere Nonstop-Flüge möglich und die Flugzeuge erreichten immer größere Höhen.