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19. Internationales SkillsLab Symposium 2025

19.03. - 21.03.2025, München

Kognitive Prozesse von Medizinstudierenden während simulierter Visiten – eine qualitative Analyse

Meeting Abstract

  • corresponding author Maximilian Zak - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
  • Martin Gartmeier - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
  • Jana Fritsche - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
  • Christian Kosel - TUM School of Social Sciences and Technology, München, Deutschland
  • Nicolas Hofberger - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
  • Ines Koch-Hümmler - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland
  • Pascal Berberat - TUM School of Medicine and Health, München, Deutschland

19. Internationales SkillsLab Symposium 2025. München, 19.-21.03.2025. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2025. Doc25isls77

doi: 10.3205/25isls77, urn:nbn:de:0183-25isls777

Veröffentlicht: 4. Juni 2025

© 2025 Zak et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Visiten sind ein zentrales Element der Krankenhausversorgung, bei denen Ärzt*innen die Behandlung von Patient*innen in Echtzeit besprechen und gemeinsam Entscheidungen treffen [1]. Visiten gewinnen zudem zunehmend an Bedeutung in der medizinischen Ausbildung, indem Medizinstudierende Visiten in Form von integrierten Kursen lernen und üben. In diesen simulierten Visiten treten bei den teilnehmenden Medizinstudierenden komplexe kognitive Prozesse auf, die unter anderem den Lernerfolg der Studenten beeinflussen. Diese kognitiven Prozesse wurden bisher kaum berücksichtigt und nur wenig erforscht.

Ziel/Fragestellungen: Diese Studie zielt darauf ab die zentralen kognitiven Prozesse von Medizinstudierenden während simulierter Visiten aufzudecken und zu beschreiben:

1.
Welche Kognitiven Prozesse lassen sich bei Medizinstudierenden während simulierter Visiten feststellen?
2.
Welche visuellen Verhaltensweisen nutzen Medizinstudierende während simulierter Visiten?
3.
Welche Funktionen haben die visuellen Verhaltensweisen der Medizinstudierenden während simulierter Visiten?

Die Fragestellungen dieser Studie sind dem Studiendesign folgend hypothesengenerierend gestellt.

Methodik: Acht Medizinstudierende der Technischen Universität München trugen im Rahmen eines Studienmoduls Eye-Tracking-Brillen während simulierter Visiten. Nach den simulierten Visiten wurden die Studierenden zu semistrukturierten retrospektiven Interviews eingeladen. Während dieser Interviews analysierten die Studierenden die Aufnahmen ihrer eigenen Eye-Tracking-Visiten und nahmen an einem Stimulated Recall-Prozess teil, um ihre Gedankenmuster und Entscheidungsfindungen zu reflektieren. Die Interviews wurden transkribiert und einer thematischen Inhaltsanalyse unterzogen. Dieser Ansatz ermöglicht ein umfassendes Verständnis der kognitiven Prozesse der teilnehmenden Studierenden in einer simulierten klinischen Umgebung [2].

Ergebnisse: Das Eye-Tracking-gestützte Debriefing war erfolgreich, um die kognitiven Prozesse der Medizinstudierenden während der simulierten Visiten offenzulegen. Es zeigte sich, dass die visuellen Verhaltensweisen der Studierenden und ihre kognitive Verarbeitung während der Visiten wechselseitig miteinander verbunden sind. Insgesamt fünf übergeordnete thematische Muster konnten aus den Interviews abgeleitet werden:

  • Visuelle Verhaltensweisen,
  • Empathie,
  • Herausforderungen,
  • Metaperzeption und
  • situative Führung.

Insbesondere Metaperzeption und situative Führung zeigten sich als zentrale Komponenten der Denkprozesse der Medizinstudierenden in simulierten Visiten. Kognitive Herausforderungen haben sich in dieser Studie in Form von fehlender Erfahrung, Unsicherheit und Schwierigkeiten in der Gesprächsführung präsentiert.

Relevanz: Die Ergebnisse dieser Studie könnten zukünftig zur Verbesserung der medizinischen Ausbildung beitragen und neue Bewertungsmethoden im Rahmen des Medizinstudiums ermöglichen. Beispielsweise praxisnahe Prüfungsformate, die nicht nur das Fachwissen, sondern auch die klinische Entscheidungsfähigkeit und Teamarbeit der Studierenden besser abbilden würden die Ausbildung noch effektiver und zielgerichteter gestalten, indem sie die praktischen und interdisziplinären Fähigkeiten der angehenden Ärzt*innen stärker in den Mittelpunkt rücken.

Empfehlungen/Schlussfolgerungen: Die in dieser Studie identifizierten Themen stimmen mit bestehenden Modellen der Kompetenzentwicklung überein [3]. Weiterführende Untersuchungen der Wechselwirkungen zwischen Wissen, Erfahrung und Feedback in simulierten Szenarien könnte wertvolle Einblicke in die optimale Gestaltung von Lernumgebungen in der medizinischen Ausbildung liefern. Ein vertieftes Verständnis der kognitiven Prozesse ist notwendig, um weitere Faktoren zu identifizieren, die den Lernerfolg von Medizinstudierenden in simulierten Visiten fördern.


Literatur

1.
Grigull L, Becker LP. Kommunikation in der Visite. In: Grigull L, Becker LP, editors. Die erfolgreiche Visite. Berlin, Heidelberg: Springer; 2024. DOI: 10.1007/978-3-662-69070-3_5 Externer Link
2.
White MR, Braund H, Howes D, Egan R, Gegenfurtner A, van Merrienboer JJ, Szulewski A. Getting Inside the Expert's Head: An Analysis of Physician Cognitive Processes During Trauma Resuscitations. Ann Emerg Med. 2018;72(3):289-298. DOI: 10.1016/j.annemergmed.2018.03.005 Externer Link
3.
Haas J, Shaffir W. The professionalization of medical students: Developing competence and a cloak of competence. Symbolic Interact. 1977;1(1):71-88.