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2. Wissenschaftlicher Kongress "Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft"

Institut für Allgemeinmedizin (ifam), Düsseldorf

13. November 2013, Düsseldorf

Umgang mit psychosozialen Faktoren in der Allgemeinarztpraxis – Kompetenzentwicklung anhand eigener Fälle

Meeting Abstract

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  • Gabriele Lutz - Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Universität Witten-Herdecke
  • Jana Isfort - Universität Witten-Herdecke

Institut für Allgemeinmedizin (ifam), UKD, Düsseldorf. 2. Wissenschaftlicher Kongress „Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft“. Düsseldorf, 13.-13.11.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. Doc13ifamWS5

doi: 10.3205/13ifam07, urn:nbn:de:0183-13ifam078

Veröffentlicht: 13. November 2013

© 2013 Lutz et al.
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Gliederung

Text

Psychosoziale Belastungen wie Armut, Langzeitarbeitslosigkeit und Konflikte am Arbeitsplatz können sowohl zu psychischen als auch zu körperlichen Erkrankungen führen.

Diese Herausforderungen haben in der heutigen Zeit zugenommen. Zusammenhänge zwischen Burnout und Depression als Folge von komplexer werdenden Arbeitsbedingungen und veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, rücken nicht nur wissenschaftlich vermehrt in den Fokus; sie werden auch in der Laienpresse zunehmend postuliert.

Erhöhte Anforderungen können einerseits zur Entwicklung der betroffenen Person führen, oder aber zu Überlastung, Hilflosigkeit, Burnout und/oder körperlichen Erkrankungen. Situative Faktoren wie kultureller Kontext, gesellschaftliche Lage und Arbeitsplatzsituation sowie familiärer Kontext stehen individuellen Faktoren wie emotional-geistige Ressourcen, Fähigkeiten, Haltungen und Erwartungen gegenüber.

Der Prozess des Abwägens dieser vielfältigen Faktoren findet im Individuum statt, wird von diesem erlebt und bewertet. Diese Bewertung vollzieht sich häufig weder aktiv, noch bewusst, sondern „ereignet sich“. Am Ende des Prozesses steht entweder persönliche Entwicklung oder Scheitern, Hilflosigkeit, verbunden mit zunächst psychischer Belastung, die zu Erkrankung führen kann.

Wenn in dieser krisenhaften Situation Beschwerden oder Erkrankungen auftreten, kommt dem Hausarzt die Aufgabe zu, den Patienten zu begleiten und zu beraten. Seine Art zu beraten, kann mit beeinflussen, ob der Patient die Krise meistern und wieder gesunden kann oder ob er in chronische Krankheits- und Versorgungssituation gerät.

Verschiedene Fragen gilt es von Seiten des Hausarztes als Frontkämpfer in der Auseinandersetzung mit komplexen, oft unklaren Bedingtheiten von Erkrankungen zu bearbeiten und mit dem Patienten zu verhandeln:

  • Bin ich als Hausarzt für die psychosozialen Ursachen der präsentierten Beschwerden zuständig oder soll ich mich nicht auf die symptomatische Behandlung der Symptome beschränken?
  • Welche Entscheidungsgrundlagen habe ich um zu entscheiden, ob der sich durch eine ungerechte Arbeitssituation gebeutelt wahrnehmende Patient mein Mitgefühl und Entlastung (z.B. durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) – oder eher eine Unterstützung zum Durchhalten braucht, um längerfristig zu gesunden?
  • Was können Kriterien zur Beurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten des Patienten sein? Ist dem Patienten eher eine dauerhafte Herausnahme aus dem ersten Arbeitsmarkt zu empfehlen, da er immer wieder scheitern wird? Oder kann er z.B. durch Ressourcenaktivierung, Entspannung, Psychotherapie die Krise bewältigen?
  • Kann ich mir das Ansprechen von persönlichen Schwierigkeiten des Patienten überhaupt erlauben oder muss ich um den Verlust von Kunden bangen?
  • Wie können Patienten aus der Situation der Resignation und Hoffnungslosigkeit wieder zu Selbstwirksamkeit und Aktivität finden? Ist das nicht eine vergebliche Sisyphos-Arbeit?

Diese und ähnliche Fragen sollen in dem Workshop bearbeitet werden und Kriterien für eine Einschätzung an die Hand gegeben werden.


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