gms | German Medical Science

64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

08. - 11.09.2019, Dortmund

Simulation von Vitalparametern für die Entwicklung und Validierung medizinischer Software

Meeting Abstract

  • Lea Brandl - Hochschule Heilbronn, Medizinische Informatik, Heilbronn, Germany
  • Yasmin Hollenbenders - Hochschule Heilbronn, Fakultät für Informatik, Heilbronn, Germany
  • Martin Wiesner - Hochschule Heilbronn, Medizinische Informatik, Heilbronn, Germany
  • Marc Mezger - Hochschule Heilbronn, Heilbronn, Germany
  • Wolfgang Heß - Hochschule Heilbronn, Fakultät für Informatik, Heilbronn, Germany

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 64. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Dortmund, 08.-11.09.2019. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2019. DocAbstr. 124

doi: 10.3205/19gmds104, urn:nbn:de:0183-19gmds1046

Veröffentlicht: 6. September 2019

© 2019 Brandl et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Einleitung: Bei der Entwicklung neuer Medizinprodukte verlangt die europäische Medical Device Regulation (MDR) ausführliche Validierung und Verifikation der Produkte [1]. Medizinische Software fällt ebenfalls unter die MDR, sobald „der Hersteller sie zur Diagnose, Therapie oder Überwachung von Krankheiten und Verletzungen vorgesehen hat“ [2]. Beispielsweise tritt biphasisches Fieber [3], [4], [5] im Falle von Infektionskrankheiten als Symptom einer Erkrankung auf. Für die Realisierung und das Validieren einer Softwarelösung werden häufig Daten benötigt, die eine reale Situation abbilden [6]. Die durch europäische Datenschutzgesetzgebung bedingte, geringe Verfügbarkeit realer Daten, stellt eine besondere Herausforderung dar [7]. Temperaturdaten aus dem obigen Beispiel lassen sich daher nicht ohne Weiteres zu Validierungszwecken verwenden. Um diesem Problem beizukommen, können nicht real gemessene Patientendaten verwendet werden. Eine Möglichkeit, Daten für Softwaretests zu generieren, ist die Simulation [8].

Dieser Beitrag stellt eine Möglichkeit vor, Vitaldaten zu generieren, um diese in anschließenden Softwaretests zu Simulationszwecken zu nutzen.

Material und Methoden: Vitalparameter lassen sich mathematisch als kontinuierliche Funktion mit variablem Wertebereich beschreiben und berechnen [8], [9]. Durch externe Einflüsse können Patienten einer kurzfristigen Änderung ihres Zustands ausgesetzt sein. In die Berechnung der Parameter geht somit, neben dem Zustandswert, ein Startwert ein, der abhängig vom Krankheitsprofil für jeden Parameter gewählt werden muss. Diese beiden Werte gehen in Sinus-, Cosinus- oder logarithmische Funktionen ein, die als Grundlage der Berechnung dienen.

Um die Vitalparameter von unterschiedlichen Krankheitsprofilen zu simulieren, wurde ein Softwaretool in der Sprache Java realisiert. Eine experimentelle Generierung von Daten für das Symptom biphasisches Fieber erfolgte für einen Zeitraum von 36 Stunden mit einer Abtastung pro Stunde (n=36). Die Auswertung der simulierten Daten wurde mittels MATLAB (R2018b) vorgenommen.

Ergebnisse: Für mehrere Krankheitsprofile können Puls, Blutdruck, Temperatur und Zuckerwerte erzeugt werden. Der zuvor beschriebene Ansatz liefert zu jedem Zeitpunkt einen Wert für den jeweiligen Vitalparameter. Auf diese Weise können, ohne manuelles Einwirken über eine Benutzeroberfläche, variierende Werte generiert werden. Über Plus- und Minus-Schaltflächen können die resultierenden Daten bzw. der Funktionsverlauf manuell beeinflusst werden, um aktiv verschiedene Krankheitszustände zu simulieren, um z.B. einen Alarm zu provozieren.

Im Experiment konnte biphasisches Fieber mit einer mittleren Temperatur von 39,04°C, einem Minimum von 37,3°C, zwei lokalen Maxima (40,1°C bzw. 40,2°C), simuliert werden (SD=0,9°C, Var=1,0°C). Eine virtuelle Medikamentengabe nach zwölf Stunden führte zu einer mittleren Temperatur von 38,9°C (Min=37,3°C, Max=39,8°C, SD=0,9°C, Var=0,8°C). Neben der Temperatur wurden die Parameter Blutzucker, Blutdruck und Puls fortlaufend simuliert. Hierdurch konnten Daten für die Evaluation eines Fremdsystems bereitgestellt werden, ohne dass die Einwilligung von Patienten bzw. Rekrutierung von Freiwilligen notwendig war.

Um die erzeugten Daten für externe Softwarelösungen verfügbar zu machen, ist die Anwendung mit einer REST-Schnittstelle ausgestattet, welche Daten im JSON-Format kommuniziert.

Diskussion und Ausblick: Durch die Möglichkeit, Parameter zu beeinflussen, können Vitaldaten verschiedener Erkrankungen bzw. Symptome generiert und somit zeitlich variable Krankheitsverläufe simuliert werden. Dies erhöht die Anzahl der möglichen Einsatzgebiete des Simulationstools. Es ist zudem möglich, bei der Validierung intensivmedizinischer Überwachungssysteme mehrere Patienten für dauerhafte Belastungstests zu simulieren. Dennoch muss beachtet werden, dass die Datensimulation Werte generiert, welche dem Verlauf einer Funktion folgen, was nicht zwingend der natürlichen Veränderung von Vitalwerten entspricht.

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Autoren geben an, dass kein Ethikvotum erforderlich ist.


Literatur

1.
The European Parliament and The Council. Regulation (EU) 2017/745 on Medical Devices – Annex II, 3b. [Accessed 27 March 2019]. Available from: http://data.europa.eu/eli/reg/2017/745/oj Externer Link
2.
Johner C. Software als Medizinprodukt – Software as Medical Device. [Accessed 27 March 2019]. Available from: https://www.johner-institut.de/blog/regulatory-affairs/software-als-medizinprodukt-definition Externer Link
3.
Romanovsky AA, Blatteis CM. Biphasic fever: what triggers the second temperature rise? Am J of Physiology. 1995;269(2):R244-R253. DOI: 10.1152/ajpregu.1995.269.2.R280 Externer Link
4.
Romanovsky AA, Kulchitsky VA, Akulich NV, Koulchitsky SV, Simons CT, Sessler DI, Gourine VN. First and second phases of biphasic fever: two sequential stages of the sickness syndrome? Am J of Physiology. 1996;271(1):R280-R286. DOI: 10.1152/ajpregu.1996.271.1.R244 Externer Link
5.
Romanovsky AA, Székely M. Fever and hypothermia: two adaptive thermoregulatory responses to systemic inflammation. Medical Hypotheses. 1998; 50(3):219-226. DOI: 10.1016/S0306-9877(98)90022-6 Externer Link
6.
Johner C. Risk Based Approach – Risikobasierter Ansatz. [Accessed 27 March 2019]. Available from: https://www.johner-institut.de/blog/qualitaetsmanagement-iso-13485/risk-based-approach-risikobasierter-ansatz Externer Link
7.
Karaalp RN. Der Schutz von Patientendaten für die medizinische Forschung in Krankenhäusern - Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Regelungen in Deutschland und Frankreich [Dissertation]. Osnabrück: Universität Osnabrück; 2016. DOI: 10.1007/978-3-658-16185-9 Externer Link
8.
Marsousi M, Alirezaie J, Umapathy K. A flexible approach for simulating physiological signals. Physiol Meas. 2013 Jun;34(6):695-712. DOI: 10.1088/0967-3334/34/6/695 Externer Link
9.
Edelmann JC, Mair D, Ziesel D, Burtscher M, Ussmueller T. An ECG simulator with a novel ECG profile for physiological signals. J of Medical Engineering & Technology. 2018 Oct;42(7):501-509. DOI: 10.1080/03091902.2019.1576788 Externer Link